Aber wenn man mit dem Herzen läuft und gerne diesen Sport betreibt, dann läuft man weiter. Der Erfolg jetzt zeigt, dass die Jahre davor nicht umsonst waren.
Interview Melanie Kraus – Frankfurt Marathon – \“Ich laufe mit dem Herzen\“ – Das Interview von Jörg Wenig in \“leichtathletik\“
Als Vorjahressiegerin wird Melanie Kraus (Bayer Leverkusen) am Sonntag beim Dresdner Kleinwort Frankfurt-Marathon an den Start gehen. Die 33-Jährige, die gleich beim Debüt in Berlin 2000 ihre nach wie vor gültige Bestzeit von 2:27:58 Stunden lief, gewann in diesem Jahr auch den Düsseldorf-Marathon und wurde bei Olympia in Peking 38.
Mit welchem Gefühl gehen Sie in Frankfurt als Titelverteidigerin an den Start? Ist das anders als sonst, spüren Sie mehr Druck?
Melanie Kraus: Als Titelverteidiger in Frankfurt an der Startlinie zu stehen ist schon eine schöne Sache, auf die man stolz sein kann. Schließlich muss man sich eine solche Ausgangsposition durch eine tolle Leistung erst mal erarbeiten. Andererseits wächst natürlich auch der Druck vor einem solchen Rennen, weil jetzt mehr Leute auf mich schauen.
Mit welchen Zielen gehen Sie in das Rennen? Den Vorjahressieg zu wiederholen, wird sicher nicht leicht.
Melanie Kraus: Einen Marathonsieg kann man nicht vorher planen, deswegen ist es umso schöner, wenn es dann klappt. Mein Ziel in Frankfurt ist die WM-Norm für 2009 (2:32:00, d. Red.). Nach den Olympischen Spielen ist nun die WM im eigenen Land für mich ein ebenso großes Ziel. Aber die Qualifikation wird nicht so leicht, denn wir haben viele gute Marathonläuferinnen im Team. Es gibt ja auch nur zwei Chancen, eine jetzt im Herbst und dann noch eine im Frühjahr.
Auch aufgrund dieser Konstellation schaue ich in Frankfurt nicht so sehr auf die Platzierung. Wichtiger ist für mich, eine optimale Leistung zu bringen. Deswegen habe ich auch meinen eigenen Tempomacher. Das Zeitziel werden wir kurzfristig in der nächsten Woche festlegen, unter anderem steht da noch ein Laktattest auf dem Programm.
Die letzten gut zwölf Monate waren Ihre besten, wie kam das?
Melanie Kraus: Ja, 2007 und 2008 habe ich eine Art vierten Frühling erlebt. Nach den Europameisterschaften 2002 hat es bis zur WM 2007 gedauert, bis ich wieder bei einem internationalen Höhepunkt für das Nationalteam am Start war. Dazwischen hatte ich immer wieder Probleme mit Verletzungen und Krankheiten. Oft hat es am Tag X einfach nicht geklappt. Man fragt sich dann natürlich schon einmal, warum man diesen ganzen Aufwand überhaupt betreibt, und vor allem fragen einen das auch andere. Aber wenn man mit dem Herzen läuft und gerne diesen Sport betreibt, dann läuft man weiter. Der Erfolg jetzt zeigt, dass die Jahre davor nicht umsonst waren.
Ihre Bestzeit datiert aus dem Jahr 2000, als sie in Berlin Ihr Debüt liefen. Was ist noch möglich?
Melanie Kraus: Ich will diese Zeit auf jeden Fall steigern. Das kann ja schließlich nicht sein, dass es bei dem Ergebnis des Debüts bleibt. Aber für eine solche Zeit muss alles stimmen, auch die nicht beeinflussbaren äußeren Umstände. Daher kann ich nicht sagen, wann ich meinen persönlichen Rekord brechen kann. Ich weiß nicht genau, was noch möglich ist. Das soll besser mein Trainer beurteilen.
In wenigen Tagen werden Sie 34 – da sind Sie ja noch im besten Marathonalter.
Melanie Kraus: Ja, das sehe ich auch so. Ich fühle mich noch nicht zum alten Eisen gehörend. Zudem habe ich nicht jedes Jahr in meiner Karriere voll durchtrainiert, so dass mein Trainingsalter noch etwas jünger ist. Ich freue mich darauf, in der Zukunft noch so tolle Marathonrennen wie die in Frankfurt, Düsseldorf oder Berlin laufen zu können. Allerdings werde ich vorsichtiger, was langfristige Planungen angeht. Das habe ich aus der Vergangenheit mit vielen Hochs und Tiefs gelernt, und außerdem ist da noch mein Beruf als Apothekerin, der mir auch Spaß macht.
Wie kombinieren Sie Beruf und Sport?
Melanie Kraus: Ich arbeite Teilzeit zwischen 15 und 20 Stunden pro Woche. Dabei habe ich großes Glück, denn mein Arbeitgeber kommt mir sehr entgegen was Trainingslager und Dienstzeiten angeht. Ich bin in der Regel von 15 bis 20 Uhr in der Apotheke. Dadurch kann ich vorher noch trainieren. Ich hoffe, dass sich dieses Modell so fortsetzen lässt, denn es ist gut für mich, nebenher berufstätig zu sein. Dadurch habe ich nicht immer nur den Sport im Kopf.
Wie haben Sie sich, auch im Vergleich zur WM in Osaka 2007, von Olympia erholt und wie verlief die Vorbereitung auf Frankfurt?
Melanie Kraus: Die Olympischen Spiele waren ein enormer und toller Eindruck. Psychologisch war es daher schwieriger als nach der WM, sich zu erholen. Physisch dagegen war das WM-Rennen in Osaka härter als der Lauf in Peking. Ich habe mich nach Olympia etwas ausgeruht, um den Tagesrhythmus wieder zu finden. Eine richtige Pause war jedoch aufgrund der knappen Zeit zum Frankfurt-Marathon nicht möglich. Deswegen, und aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit, war ich nicht noch einmal im Trainingslager. Aber vor meinen besten Marathonrennen habe ich immer in Leverkusen trainiert.
Das gesamte Umfeld, das Bayer hier bietet, findet man im Trainingslager so meistens nicht. Natürlich gibt es ein gewisses Risiko angesichts der knappen Vorbereitungszeit. Deswegen werde ich mein eigenes Tempo laufen und keine Harakiri-Aktion starten. Ich bin aber sehr gut vorbereitet, ansonsten würde ich in Frankfurt nicht an den Start gehen.
Ist Olympia 2012 ein Thema?
Melanie Kraus: Nach Olympia in Peking würde ich sehr gerne auch in London 2012 dabei sein. Aber ich mache einen Schritt nach dem anderen – jetzt kommt erst einmal die WM in Berlin.
Jörg Wenig in "leichtathletik" vom 22. Oktober 2008
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