Nach den Vorstellungen von Spitz und Hiersemann sei zum Beispiel die Zeit reif für spezielle Anti-Doping-Beauftragte bei den Landes-sportbünden.
Halbzeitbilanz der NADA-Aufklärungs-Tour – Doping-Prävention als fest installiertes Unterrichtsthema würden die Verantwortlichen der NADA lieber heute als morgen als Bestandteil des Lehrpans an den 39 Eliteschulen des Sports in Deutschland sehen.
Da Bildung Ländersache ist, hat die NADA laut ihrer stellvertretenden Geschäftsführerin Ulrike Spitz bereits die Fühler in Richtung Kultusministerkonferenz ausgestreckt, um die zeitgemäße bildungspolitische Neuerung für die hoffnungsvollen Nachwuchstalente und Olympioniken von morgen alsbald Praxis werden zu lassen. Der Handlungsbedarf ist groß, wie Dietmar Hiersemann, im NADA-Vorstand für Prävention verantwortlich, berichtet:
In den Eliteschulen gebe es eine „erschütternde Ahnungs- und Kenntnislosigkeit“ in Sachen Anti-Doping und vorbeugenden Maßnahmen, lautet das Fazit des Experten, nachdem die Präventionstour der NADA binnen eines Jahres unter Einbeziehung der jeweiligen Olympiastützpunkte insgesamt 14 Eliteschulen in verschiedenen Bundesländern besuchte und zwischen Stuttgart, Freiburg und Berlin Aufklärungsarbeit leistete.
Auf diese Weise wartete die Zentrale des deutschen Kampfes gegen das größte Übel im Sport nicht ab, bis sich die für den Lehrplan Verantwortlichen dereinst auf die Besonderheiten der Eliteschulen des Sports eingestellt und ihnen in Sachen Doping-Prävention Rechnung tragen, sondern die NADA trat gewissermaßen in Vorleistung und begann sichtbar, ihren Stiftungsauftrag auch in diesem Sektor zu erfüllen. Schließlich soll der Agentur mit Sitz in Bonn nicht nur an einem funktionierendem, effizienten Kontrollsystem gelegen sein.
Vielmehr ist zugleich ist die präventive Arbeit „extrem wichtig“ und rücke ständig weiter in den Vordergrund, wie der Kuratoriums-Vorsitzende Hanns Michael Hölz unterstreicht. Folgerichtig existiert unter dem Dach der NADA inzwischen eine Abteilung Prävention und Kommunikation mit zwei ausschließlich für die Prävention zuständigen Mitarbeitern.
„Man kann ohne Doping gut sein!“
Die jungen Sportler ins Gespräch ziehen, bevor sie in Versuchung geraten könnten, die Mädchen und Jungen der Klassen neun bis 13 sowie deren Trainer und Lehrer resistent machen gegen die womöglichen Verlockungen von Manipulation und Betrug, dieser Ansatz stand im Zentrum der Rundreise. In diesem Sinne wirkten in jeder der 14 Schulen auch erfahrene, erfolgreiche Akteure als Aufklärer und Gesprächspartner mit.
Die Plattform des direkten Kontakts mit den Eliteschülern des Sports wird unter dem Begriff „Primärprävention“ gefasst, die Informationsveranstaltungen für A- und B-Kader sprich: Fortgeschrittene unter dem Begriff „Sekundärprävention“ eingeordnet. „Durch die Einbeziehung von Athleten, zu denen die Jungen aufschauen, wird alles erst glaubhaft“, ist der NADA-Vorstand Dietmar Hiersemann überzeugt, während Ulrike Spitz von sehr „guten Erfahrungen“ und der „authentischen Wirkung“ durch die Einbindung von Olympiasiegerin Lena Schöneborn, Fußball-Weltmeisterin Nia Künzer, Triathletin Ricarda Lisk oder Biathletin Simone Hauswald spricht. Insgesamt wirkten 25 Athleten auf der Tour als Gesprächspartner mit, unter anderem auch Kanu-Olympiasiegerin Nicole Reinhardt, Hockeyspielerin Natascha Keller, Hockey-Olympiasieger Niklas Meinert oder Segler Johannes Polgar.
Die Erkenntnis ist eindeutig: Statt lediglich mit Schreckensszenarien zu operieren, wie gefährlich Dopingmittel für Leib und Leben sein können und wie moralisch verwerflich der Betrug im Sport ist, hören die Jugendlichen weit lieber auf die Botschaft ihrer Stars und Vorbilder. „Man kann ohne Doping gut sein!“, betonte beispielsweise Ricarda Lisk und führte überzeugend vor Augen, wie stolz sie auf ihr Ticket für die Sommerspiele in Peking sei „ohne jemals gedopt zu haben“.
Pädagogisch wertvoll auch der Auftritt der EM-Zweiten Dorothea Brandt. Auf den Einwand, internationaler Chancenungleichheit, weil international nicht alle Athleten in ihren Herkunfts-ländern gleich streng und nach gleichen Maßstäben getestet würden, wusste die Schwimmerin eine überzeugende Antwort: „Ist es ein Vorteil, wenn ich meine Gesundheit ruiniere und andere betrüge? Wir sollten nicht auf andere schauen, sondern auf uns selbst sehen und sicher sein, dass wir unseren Sport sauber betreiben.“
Ähnlich äußerte sich Lena Schöneborn, die sich derzeit auch als Botschafterin in einer Kampagne der Bundesregierung gegen exzessiven Alkoholgenuss engagiert. Die Moderne Fünfkämpferin wies vor den jungen Athleten darauf hin, dass es sicher keinen Spaß mache, als erfolgreicher Sportler mit einer Lüge zu leben. „Wir sind gut, weil wir hart trainieren“, skizzierte die Peking-Olympiasiegerin ihre Philosophie, „und weil wir unseren Sport leben und lieben.“
Ein Film über einen Dopingtest rundet das Programm ab
Der Dialog mit jenen, die den Sprung ins Nationaltrikot und die internationalen Arenen bereits geschafft haben, gehörte als fester Bestandteil ebenso zu jedem Präventionstag wie Vorträge über die Anti-Doping-Regeln sowie die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Manipulationen. Informationen zum Meldesystem rundeten das Programm ebenso ab wie die Vorführung eines Filmes über den Ablauf einer Dopingkontrolle. Ein Verfahren, mit dem ja noch kaum ein Eliteschüler praktisch in Berührung kam. Zugleich gaben Experten vor Ort viele nützliche Tipps.
Bei Unsicherheit, wie mit bestimmten Medikamenten umzugehen sei, die unerlaubte Substanzen enthalten, sollte im Zweifelsfalle lieber die NADA direkt kontaktiert werden, als dass man später unliebsame Überraschungen erlebt.
Von einer „Dopingfalle“ der anderen Art, gegen die niemand gefeit ist und mit der trotzdem professionell umgegangen werden sollte, berichtete Schwimmerin Birte Steven und sorgte mit einer Anekdote für allgemeine Heiterkeit unter den Zuhörern. Bei einem Aufenthalt in den USA hatten die Kontrolleure den Namen der Hamburgerin falsch gedeutet und es wohl auf einen Sportler namens Steven Birte abgesehen. Entsprechend erschien, anders als nach den offiziellen Vorschriften üblich, an diesem Tag keine Kontrolleurin. Stattdessen kam ein Kontrolleur, um die Urinprobe zu nehmen. „Darin sieht man, dass es manchmal auch sehr lustig zuging und nicht immer nur todernst“, blickt Ulrike Spitz auf die Präventionstour zurück, die bereits zu ersten Konsequenzen führte.
Mit Dopingmittel direkt in Berührung gekommen, seien „ganz wenige der Eliteschüler“, lässt Ulrike Spitz wissen. Weitaus stärker sei die persönliche Begegnung der Nachwuchssportler mit dem „Doping-Generalverdacht“. Zwar würden die jungen Athleten mit diesem Vorurteil von Sportart zu Sportart ganz unterschiedlich konfrontiert. Immer dann, wenn unterstellt werde, dass „doch jeder irgendwo eine Spritze dabei habe“, werde es für die jungen Sportler belastend und schwierig. Dabei wisse man nicht genau, wie die Reaktionen einmal ausfallen könnten. Sie können laut Spitz vom frühzeitigen Ende der sportlichen Karriere über starke Verunsicherung bis zum dem Entschluss reichen: Jetzt erst recht, jetzt trainiere ich noch intensiver oder ausgiebiger!
Elternbroschüre in Arbeit und eigenes Internetportal für Trainer
Aus der Erkenntnis, dass die Trainer mit ihren jugendlichen Schützlingen das Thema Doping bislang kaum und viel zu selten diskutieren, erwuchs die Idee, die Trainer stärker zu qualifizieren. Entsprechend wurde auf der NADA-Homepage im Internet ein eigenes Trainerportal eingerichtet. An der Trainer-Akademie sind die NADA-Experten inzwischen bestens in die Ausbildung integriert. Vorbei sind die Zeiten, da es mit vereinzelten Vorträgen getan war. Inzwischen hat das Thema Prävention auch in Köln einen höheren Stellenwert, so dass die Gastlektoren in der Regel mehrere Tage intensiv in den entsprechenden Ausbildungsabschnitt eingebunden sind. Die Anreise der Anti-Doping-Fachleute aus Bonn ist dabei glücklicherweise sehr Zeit sparend.
Das Ziel für das zweite Jahr der Präventionstour ist bereits klar fixiert. 2009 sollen die anderen rund zwei Dutzend der Eliteschulen besucht werden. Zum anderen gibt es Bestrebungen, parallel zu den Veranstaltungen mit Schülern, Lehrern und Trainern separat auf die Eltern zuzugehen. „Schließlich sind die Eltern ein ganz wichtiger Faktor im Gesamtsystem“, weiß die stellvertretende NADA-Geschäftsführerin und hat für das Novum bereits einen Termin für Februar in Essen in Aussicht genommen. Vor diesem Hintergrund ist parallel zur „Tour 2009“ eine spezielle Broschüre für Eltern in Arbeit.
Zeit ist reif für Anti-Doping-Beauftragte bei den LSBs
Mit Blick aufs Neue Jahr gilt die Aufmerksamkeit in Sachen Prävention des weiteren der besseren Vernetzung. Natürlich ist die NADA bei diesem Thema naturgemäß der Motor, daneben jedoch gibt es weitere Initiativen nach dem Motto: Vorbeugen ist besser als heilen. Gemeint sind damit vor allem das Zentrum für Doping-Prävention unter Federführung von Professor Gerhard Treutlein an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sowie verschiedene Projekte an anderen Hoch-schulen und vor allem die Arbeit unter dem Dach der Deutschen Sportjugend (dsj). Zwischen all diesen Bemühungen einen Wissenstransfer herzustellen und diese Initiativen besser zu ver-zahnen, ist eine der wichtigsten Aufgaben und zugleich eine Voraussetzung, um der Basis des bundesdeutschen Sports „Hilfe zur Selbsthilfe“ anzubieten.
Nach den Vorstellungen von Spitz und Hiersemann sei zum Beispiel die Zeit reif für spezielle Anti-Doping-Beauftragte bei den Landes-sportbünden. Dort gut ausgebildete und qualifizierte Experten zu platzieren, die als verlängerter Arm der NADA in Zusammenarbeit mit der dsj und den LSBs vor Ort ihr Wissen an Sportler, Trainer, Übungsleiter und andere wichtige Schaltstellen des Anti-Doping-Kampfes weitergeben, ist eines der wichtigsten Anliegen für die Zukunft. Der Vorteil eines solchen Ansatzes liegt klar auf der Hand:
Die NADA würde dank solcher Spezies und Multiplikatoren entlastet und müsste nicht mehr jede Schulung, jedes Seminar und jede Informationsveranstaltung aus eigenen Kräften stemmen – dennoch wäre eine größere aufklärerische Wirkung in die Breite garantiert.
Quelle: DOSB