Haile hat bereits angekündigt im Januar 2009 wieder in Dubai an den Start zu gehen, mit dem Ziel seine Bestmarke erneut zu steigern.
Ein Jahr der Superlative – Blick auf die internationale Marathonszene im Jahr 2008 – Helmut Winter zieht Bilanz
Was sich bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2008 andeutete, setzte sich im zweiten Halbjahr konsequent fort: 2008 wird als ein Jahr der Superlative in die Geschichte des Marathonlaufs eingehen. Gekrönt wurden die Entwicklungen natürlich durch den phantastischen neuen Weltrekord von Haile Gebrselassie, der mit 2:03:59 beim 35. Berlin-Marathon die 2:04 Barriere erstmals unterbot und nun mit den drei schnellsten jemals im Marathon der Männer erzielten Zeiten eine Klasse für sich darstellt (mit einem Dreier-Mittel von 2:04:26 liegt er deutlich vor Paul Tergat mit 2:05:40 und Khalid Khannouchi mit 2:05:45).
Damit setzt sich die erfolgreiche Jagd nach dem Weltrekord in der letzten Dekade konsequent fort, und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass diese Entwicklungen vorerst kein Ende zu nehmen scheinen. Haile hat bereits angekündigt im Januar 2009 wieder in Dubai an den Start zu gehen, mit dem Ziel seine Bestmarke erneut zu steigern. Mit seiner Premiere in der „Wüste" zu Beginn des Jahres in 2:04:53, aktuell die zweitbeste Zeit des Jahres, hat er die einmaligen Randbedingungen für schnelle Zeiten in dieser Region deutlich aufgezeigt. Ein netter Zufall am Rande: Haile lag in Dubai um die exakte Zeitdifferenz von 27 Sekunden über seinem alten Weltrekord wie er ihn dann in Berlin unterbot.
Neben Haile kommt zunehmend ein weiterer Läufer in den Fokus, Samuel Wanjiru, ein erst 21jähriger Kenianer, den es schon mit jungen Jahren nach Japan zog und der spätestens mit seinem Olympiasieg im August in Peking auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Und dieser Olympische Marathon – im Vorfeld mit durchaus berechtigten Vorbehalten in Anbetracht der zu erwarteten Bedingungen gesehen – stellte seine Vorgänger in den Schatten.
Mit einem für Meisterschaftsrennen völlig unerwarteten Tempolauf, in dem man sich bis nach 30 km sogar auf Weltrekordkurs befand, dominierte Wanjiru die Konkurrenz fast nach Belieben, siegte mit deutlichem Vorsprung in der Klassezeit von 2:06:32 und bescherte der Marathon-Nation Nr. 1 endlich die erste Goldmedaille.
Für Insider kam allerdings sein Sieg kaum überraschend, mit der Fabelzeit von 58:33 hält er seit dem letzten Jahr den Weltrekord im Halbmarathon und sein Sieg beim Debüt in Fukuoka 2007 (2:06:39) sowie sein zweiter Platz beim London-Marathon im April in 2:05:24 waren überaus beeindruckend. Sammy Wanjiru kündigte auf einer Pressekonferenz Ende November in Tokyo an, bereits im kommenden Jahr den Weltrekord anzugreifen und für dieses Ziel ggfs. sogar auf die WM in Berlin zu verzichten und beim Berlin-Marathon an den Start zu gehen. Zuvor steht für ihn allerdings der London-Marathon auf dem Programm, auch dort wird es sicher nicht langsamer zugehen als in diesem Jahr. Das wird auch für seinen Jahresanschluss 2009 in Fukuoka gelten.
Dabei war es insbesondere der London-Marathon, der in diesem Jahr bei den Männern neben Hailes Weltrekord in Berlin für ein einmaliges Resultat sorgte. Eines in dieser Leistungsbreite selten anzutreffende Starterfeld war sich vom Start weg einig, befand sich lange auf Weltrekordkurs und hatte in Martin Lel (KEN) in 2:05:15 einen überragenden Gewinner, der nach seinen Siegen im Vorjahr in London und New York aktuell gleichfalls der absoluten Weltelite zuzurechen ist und durchaus verdient die Wertung der World Marathon Majors bei den Männern incl. 500.000 $ gewann.
Welches hohe Leistungsniveau der London Marathon 2008 in der Breite aufweist, belegt ein bisher noch nie erreichter Durchschnitt von phantastischen 2:07:49 für die zehn besten Finisher. Damit liegt London international deutlich vorn, es folgen Paris (2:08:16) und dann schon Frankfurt (2:09:16), wo man erfolgreich und konsequent ein hohes Leistungsniveau in der Breite über die letzten Jahre entwickeln konnte. Dies gilt auch für den Hamburg-Marathon, der mit einem Mittel von 2:09:26 gleichfalls in der Spitzengruppe vertreten ist. Etwas überraschend, aber ggfs. der Konzentration auf Hailes Weltrekordjagd geschuldet, findet sich Berlin mit einem Mittel von 2:10:27 nicht unter den Top Ten.
Dies gilt auch für die Läufe der weiteren Mitglieder der World Marathon Majors Boston (2:12:48), Chicago (2:13:58) und New York City (2:13:07), die sich zumindest in der Leistungsbreite der Spitze hinter vielen weiteren Veranstaltungen einreihen müssen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Verbund der vermeintlichen Eliteliga internationaler Marathonläufe kaum Forschritte in seiner Akzeptanz erreichen konnte. Beim Berlin Marathon stieg die ARD sogar aus der aufwendigen Live-Berichterstattung der Vorjahre aus.
Beim Kampf um die schnellste Marathonstrecke konnte sich aber Berlin wieder an die Spitze setzen. Auch hier blieben Hailes Taten nicht ohne Wirkung, mit dem fast unglaublichen Zehnermittel von 2:05:36 liegt man jetzt deutlich vor London mit 2:05:57 und dritter ist der Chicago Marathon, der mit 2:06:12 hinter seine Spitzenpositionen der vergangenen Jahre zurückfällt.
Die schnellsten Marathon-Veranstaltungen 2008
(Mittel der zehn besten Zeiten)
1 London 02:07:49
2 Paris 02:08:16
3 Frankfurt 02:09:16
4 Rotterdam 02:09:23
5 Hamburg 02:09:26
6 Dubai 02:09:28
7 Lake Biwa 02:09:53
8 Amsterdam 02:10:02
9 Tokyo 02:10:06
10 Reims 02:10:10
Neben einmaligen Spitzenzeiten bei den Männern, gekrönt durch Hailes Läufe in Berlin mit Weltrekord und in Dubai sowie insgesamt 16 Zeiten unter 2:07 und 36 Zeiten unter 2:08, überzeugt das Jahr 2008 auch mit einer beeindruckenden Leistungsbreite bei den Männern. Bezieht man sich auf eine Zeit von 2:13 als Maßstab internationaler Klasse, so haben diese Marke 335 (!) Athleten unterboten, die bisherige Bestmarke mit 270 Zeiten aus dem letzten Jahr wurde somit deutlich gesteigert, was belegt, wie hoch mittlerweile weltweit die Standards liegen.
Seit Carsten Eich und Michael Fietz im Jahr 2000 hat kein deutscher Läufer diese Grenze mehr unterboten, die Fortschritte insb. bei Falk Cierpinski (2:13:30) sowie das Debut von Andre Pollmächer (2:14:18) deuten aber an, dass sich dieser Zustand im kommenden Jahr mit der WM im eigenen Land ändern könnte.
Die gewaltige Leistungssteigerung in diesem Jahr führte auch zu einer ungewöhnlichen Häufung neuer Streckenrekorde, vor allem bei den Spitzenveranstaltungen. Natürlich bedeuteten Hailes Weltrekord auch Streckenrekord auf der schnellen Berliner Strecke, aber auch London und Rotterdam steigerten ihre Bestmarken auf 2:05:15 bzw. 2:05:49. Seit Anfang des Jahres liegt Dubai mit Hailes 2:04:53 in der Spitzengruppe, und auch in Frankfurt, Wien, Mailand und Fukuoka gab es neue Bestmarken.
Weltjahresbestenliste 2008 – Marathon Männer
1 Haile Gebrselassie ETH 2:03:59 Berlin 28/09/2008 2 Haile Gebrselassie ETH 2:04:53 Dubai 18/01/2008 3 Martin Lel KEN 2:05:15 London 13/04/2008 4 Samuel Kamau Wanjiru KEN 2:05:24 London 13/04/2008 5 Abderrahim Goumri MAR 2:05:30 London 13/04/2008 6 James Kipsang Kwambai KEN 2:05:36 Berlin 28/09/2008 7 William Kipsang KEN 2:05:49 Rotterdam 13/04/2008 8 Tesgaye Kebede ETH 2:06:10 Fukuoka 7/12/2008 9 Emmanuel Mutai KEN 2:06:15 London 13/04/2008 10 Ryan Hall USA 2:06:17 London 13/04/2008 |
Im Marathonlauf der Frauen waren die Leistungen im Jahr 2008 weniger spektakulär, nur einer Läuferin gelang es die Marke absoluter Weltklasse von 2:20 zu unterbieten (der Weltrekord von Paule Ratcliffe (2:15:25) geriet auch nicht in Ansätzen in Gefahr). Dies war erfreulicherweise mit Irina Mikitenko in 2:19:19 beim Berlin Marathon eine deutsche Athletin, der es bereits im April gelang gegen hochkarätige Konkurrenz den London Marathon in 2:24:14 zu gewinnen.
Ihr Gewinn der Frauenwertung und damit von 500000 $ bei den World Marathon Majors war die logische Konsequenz. Vor allem die Art in der Irina ihre bisherigen (drei) Rennen bestritt, lässt für die Zukunft weiteres erwarten, auch hinsichtlich ihrer aktuellen Bestzeit, mit der sie den deutschen Rekord nahezu „pulverisierte", dürfte die gebürtige Kasachin noch nicht am Ende ihres Potentials angekommen sein.
Die Weltjahresbestenliste der Frauen für das Jahr 2008, die von den Läufen in Berlin und Dubai dominiert wird,führt Irina mit deutlichem Vorsprung an. Verletzungsbedingt war sie bei Olympia nicht am Start, wo die Rumänin Constantina Domescu Dita in einem mutigen Sololauf nach der Halbdistanz in 1:15:11 die Konkurrenz düpierte und nach 1:11:33 für den zweiten Part in 2:26:44 überlegene Olympiasiegerin vor Weltmeisterin Catherine Ndereba (KEN) in 2:27:06
Weltjahresbestenliste 2008 – Marathon Frauen
1 Irina Mikitenko GER 2:19:19 Berlin 28/09/2008
2 Magarsa Assale ETH 2:21:31 Berlin 28/09/2008
3 Yingying Zhang CHN 2:22:38 Xiamen 05/01/2008
4 Berhane Adere ETH 2:22:42 Dubai 18/01/2008
5 Galina Bogomolova RUS 2:22:53 Roma 16/03/2008
6 Bezunesh Bekele ETH 2:23:09 Dubai 18/01/2008
7 Magarsa Assale ETH 2:23:23 Dubai 18/01/2008
8 Xue Bai CHN 2:23:27 Xiamen 05/01/2008
9 Paula Radcliffe GBR 2:23:56 New York City 02/11/2008
10 Irina Mikitenko GER 2:24:14 London 13/04/2008
Helmut Winter