Bei der Neuauflage der Studie mit dem Titel „Champion des Sports“ wurden im Gegensatz zu der 2007 erstellten Analyse wesentlich aktuellere Daten und Entwicklungen sowie zusätzliche Indikatoren berücksichtigt
Berlin dreimal top, einmal schwach – Hamburger Weltwirtschafts-Institut stellte ein Ranking der besten deutschen Sportstädte auf – PISA-Studie des Sports – Hansjürgen Wille berichtet
In der PISA-Studie weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen, im jüngsten Test der Taxifahrer ebenfalls, da ist es auf der anderen Seite höchst positiv, dass Berlin im empirischen Vergleich deutscher Sportstädte die Spitzenposition vor München, Hamburg, Stuttgart und Köln einnimmt und von Platz vier (2007) auf eins vorgerückt ist.
So stellt sich jedenfalls das Ergebnis einer zum zweiten Mal durchgeführten Erhebung des angesehenen Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) dar. „Für den Landessportbund, seine angeschlossenen Verbände und Vereine bildet diese verbriefte Aussage natürlich eine erfreuliche Feststellung“, erklärte LSB-Direktor Norbert Skowronek, nachdem er sich ausführlich mit dem Report beschäftigt hatte.
„Anderseits überrascht mich das Resultat auch nicht, denn schließlich ist ja Berlin im Frühjahr vom Internationalen Beratungsunternehmen Sportbusiness in London als weltweit zweitbeste Stadt hinter Melbourne eingestuft worden“, so sein Kommentar. „Der neue Report darf uns aber nicht in Zufriedenheit wiegen, zumal er einige gravierende Schwachstellen auf dem Gebiet des Breitensports aufgedeckt hat.“ Bei der Untersuchung der15 größten deutschen Städte wurden außerdem die drei Bereiche Profisport, Events und Infrastruktur unter die Lupe genommen und für die Aufstellung des Rankings berücksichtigt.
Bei der Neuauflage der Studie mit dem Titel „Champion des Sports“ wurden im Gegensatz zu der 2007 erstellten Analyse wesentlich aktuellere Daten und Entwicklungen sowie zusätzliche Indikatoren berücksichtigt, so dass die diesjährige Erhebung von Max Steinhardt und Henning Vöpel, den beiden Hamburger Autoren, eine wesentlich größere Aussagekraft besitzt. „Die ganze Bandbreite des Sports wurde diesmal einbezogen, was beim ersten Mal nicht der Fall war und wir zu Recht bemängelten“, so der LSB-Direktor.
Dass Berlin ganz klar die Nummer eins in Deutschland auf dem Gebiet der Sportevents und Infrastruktur ist, verwundert niemanden. Hier ging es einmal um Sportstätten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, also den Versorgungsgrad für den Breitensport, aber auch um die Voraussetzungen für Großveranstaltungen. Mit der Eröffnung der O2-World am Ostbahnhof hat die Stadt eine weitere attraktive Mehrzweckarena hinzubekommen und ist nun mit großen Hallenkapazitäten (Schmeling-Halle, Velodrom, Korber-Zentrum) bestens versorgt, was ebenfalls für die Freiluftsportanlagen gilt. Aber bei dem Ranking spielte auch die Anzahl der Olympiastützpunkte, der Bundes- und Landesleistungszentren eine Rolle.
Einer Erklärung bedarf es, weshalb Berlin in der Rubrik Profisport lediglich an zweiter Stelle hinter München steht, obwohl mit Alba (Basketball), den Eisbären (Eishockey), dem SC Charlottenburg (Volleyball), Hertha BSC (Fußball) und Reinickendorfer Füchsen (Handball) gleich fünf Spitzenklubs hier zu Hause sind. Doch da wurde die wirtschaftliche Bedeutung für den Imagewert einer Stadt herausgekehrt, dass heißt, der Etat mit dem sportlichen Erfolg in Relation gesetzt. Hier besitzt die bayerische Landeshauptstadt dank des FC Bayern München unbestrittene Vorteile
München kann auf den größten Etat (89,3 Mio. Euro) vor Köln (60,9), Hamburg (56,5) und Berlin (53,0) verweisen, während bei den (Gesamt)Erfolgen Berlin mit 125 Punkten die erste Geige spielt. München (91), ohne Top-Eishockey, -Handball und –Basketball, ist dabei nur Vierter, noch hinter Hamburg (113) und Frankfurt/Main (98). „Diese Statistik lässt den Umkehrschluss zu“, so Skowronek, „dass Berlins Vereine am effektivsten arbeiten und mit weniger Geld mehr Erfolg als andere Städte haben.“
So erfreulich diese Bereiche sind, wobei Berlin als einsamer Spitzenreiter bei Großveranstaltungen (120,6 Punkte) vor Hamburg (90,4), München (62,9) und Stuttgart (61,9) dasteht, sieht die Situation im Breitensport, also inwieweit die Gesellschaft am sportlichen Alltag teilnimmt, doch erschreckend aus. Drittletzter!. Bei dieser Rubrik wurden die Vereinsmitglieder im Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt. In Berlin beträgt die Quote 16,1 Prozent, oder anders ausgedrückt, nur jeder Sechste gehört einem Klub an. München (33,7 %) vor Hamburg (29,2 %) und Stuttgart (27,8 %) sind wesentlich besser aufgestellt.
Für den LSB-Direktor ein deutlicher Hinweis, dass hier Handlungsbedarf besteht, wobei sich der Organisationsgrad in den beiden Stadthälften nach wie vor sehr unterschiedlich erweist. Im Westteil handelt es sich um eine Größenordnung von 20 Prozent wie etwa in Hannover, Düsseldorf (beide 19,4) und Köln (21.0), während sie im Ostteil lediglich 11 Prozent beträgt. Was sicherlich auf alte Strukturen aus der DDR-Vergangenheit zurückgeht, wo das Vereinsleben nicht so ausgeprägt war. Das sieht man auch an Leipzig (14,5%) und Dresden (12,5%)
„Was wir brauchen, das ist eine stärkere öffentliche Förderung, doch leider sind hier seit 2002 gravierende Kürzungen vorgenommen worden “, sagte ein nachdenklicher Skowronek und formulierte den markanten Satz: „Wir müssen jetzt weniger in Steine, sondern mehr in Menschen und Vereine investieren“. Damit meint er Personal, Übungsleiter, Jugendtrainer, Erzieher. Doch bei einem öffentlichen Übungsleiter- Zuschuss von gerade einmal 1,27 Euro pro Stunde ein kümmerliches Unterfangen.
.„Dennoch müssen unsere Vereine versuchen, künftig mit flexibleren und effizienteren Angeboten aufzuwarten und nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, um verstärkt Sportstätten in Eigenverantwortung zu bekommen, damit sie von öffentlichen Hallen und Plätzen unabhängiger werden“, sieht der 61-jährige Berliner LSB-Mann die einzige Chance der Besserung, um ein klein wenig zu den führenden Städten aufzuschließen.
Der SC Siemensstadt, Sport-Gesundheitspark Berlin, Prosport 24, Zehlendorfer Wespen und TSV GutsMuths sowie die TiB sind nur einige Beispiele dafür, dass innovative Gedanken in die Tat umgesetzt werden, weil dort allerdings auch die entsprechenden Anlagen und Übungsleiter vorhanden sind. Eine weitere Chance besteht in der verstärkten Kooperation zwischen Verein und Kindertagesstätten sowie in der Zusammenarbeit von Schule und Verein.
In seiner Zusammenfassung weist das Hamburger Institut darauf hin, dass die gesammelten Daten für die kommunale Sportpolitik wichtige Ansatzpunkte bilden .. Also auch für den Senat und die entsprechenden Behörden. Mit einem Gesamtindexwert von plus 1,19 führt die deutsche Hauptstadt vor München (1,08), Hamburg (0,98), während die Schlusslichter Essen mit minus 0,93, sowie Leipzig (-1,02) und Dresden (-1,07) bilden.
Hansjürgen Wille in SPORT IN BERLIN 1./2.2009
Die Städte-Rangliste (Gesamtranking und Einzelplatzierungen)
|
Stadt |
Indexwert |
Breitensport |
Profisport |
Infrastruktur |
Events |
|
1 Berlin |
1,19 |
13 |
2 |
1 |
1 |
|
2 München |
1,08 |
1 |
1 |
2 |
3 |
|
3 Hamburg |
0,98 |
2 |
3 |
8 |
2 |
|
4 Stuttgart |
0,51 |
3 |
7 |
5 |
4 |
|
5 Köln |
0,2 |
5 |
4 |
6 |
7 |
|
6 Frankfurt/Main |
0,17 |
7 |
5 |
10 |
6 |
|
7 Düsseldorf |
0,05 |
9 |
11 |
4 |
5 |
|
8 Bremen |
0,02 |
4 |
6 |
7 |
14 |
|
9 Dortmund |
0,01 |
6 |
10 |
3 |
8 |
|
10 Nürnberg |
0,29 |
8 |
9 |
11 |
10 |
|
11 Hannover |
-0,29 |
10 |
8 |
9 |
11 |
|
12 Duisburg |
-0,6 |
12 |
12 |
13 |
12 |
|
13 Essen |
-0,93 |
11 |
13 |
14 |
15 |
|
14 Leipzig |
-1,02 |
15 |
15 |
12 |
13 |
|
15 Dresden |
-1,07 |
14 |
14 |
15 |
9 |
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