Nur, was passiert, wenn die finanziellen Planungen der WM-Organisatoren auf einmal ins Wanken geraten? Dieses Jahr ist schließlich kein gewöhnliches, es ist schon jetzt abgestempelt als das der Wirtschaftskrise, und noch sind 300 000 Eintrittskarten zu vergeben und drei Sponsorenverträge.
Leichtathletik-WM – Wer zahlt, wenn’s schief geht? Noch sind die Organisatoren voll im Plan. Aber der Leichtathletik-Verband und der Berliner Senat sind uneins, wer möglich Schulden begleichen müsste – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Berlin – Die Bundeskanzlerin hat eingeladen, an diesem Freitag zum Mittagessen. Es könnte eine launige Runde werden, denn es geht um die Weltmeisterschaften der Leichtathleten, und da wollen die Organisatoren Angela Merkel viel Gutes erzählen: Dass sie schon fast 200 000 Tickets verkauft haben, obwohl es noch ein halbes Jahr hin ist bis zum ersten Startschuss.
Dass sie nun schon den zweiten nationalen Sponsor vorstellen konnten, der dritte bald kommt und die Gespräche mit Nummer vier und fünf laufen. Dass sie also schon mehr als ein Drittel der 24 Millionen Euro eingenommen haben, die sie selbst erwirtschaften müssen.
Das Treffen im Bundeskanzleramt war schon mal verschoben worden, die Bankenkrise war dazwischen gekommen. Über die Leichtathletik-WM muss Angela Merkel keinen Schutzschirm spannen, denn was an öffentlichem Zuschuss fließt, kommt nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern vom Land Berlin: 20 Millionen Euro.
Nur, was passiert, wenn die finanziellen Planungen der WM-Organisatoren auf einmal ins Wanken geraten? Dieses Jahr ist schließlich kein gewöhnliches, es ist schon jetzt abgestempelt als das der Wirtschaftskrise, und noch sind 300 000 Eintrittskarten zu vergeben und drei Sponsorenverträge. Dann müsste Berlin das Defizit ausgleichen, sagt Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), „letzten Endes wäre das so.“ Das ist für die Berliner Politik eine Neuigkeit. „Dem Parlament ist das nicht bekannt“, sagt Karin Seidel-Kalmutzki, Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses und Vorsitzende des Sportausschusses.
Dieser Fall der Fälle ist offenbar noch nicht abgestimmt. Formal würde das als GmbH eingetragene Organisationskomitee haften. Dort stecken aber nach eigener Auskunft nur etwa 26 000 Euro Stammkapital drin. Alleiniger Gesellschafter dieser GmbH ist der Deutsche Leichtathletik-Verband. Doch Prokop sagt: „Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass wir mögliche Verluste nicht auffangen können. Wir sind der DLV und nicht der DFB.“ Außerdem verlange der Leichtathletik-Weltverband für jede WM eine starke Kommune als Rückendeckung.
Stark will Berlin auch sein, allerdings nur bis 20 Millionen Euro. „Unsere Zuwendungen sind gedeckelt. 20 Millionen Euro und Punkt“, sagt der für Sport im Senat zuständige Staatssekretär Thomas Härtel. „Deswegen fragen wir auch genau nach allen Einnahmen und Ausgaben. Wir prüfen alles.“ Dass Prokop, der auch geschäftsführender Präsident des lokalen Organisationskomitees ist, bei Verlusten auf eine Rettung durch Berlin hofft, ist Härtel rätselhaft. „Er muss den Zuwendungsvertrag kennen.“
Prokop rechnet jedoch auch mit einem finanziell guten Ausgang der Weltmeisterschaften: „Wir versuchen alles, um den Zuschuss des Senats so gering wie möglich zu halten. Ich fühle mich da in der Verantwortung und bin sehr zuversichtlich.“
Es würde vielleicht schon reichen, wenn die Organisatoren ihr jetziges Tempo beibehielten. Knapp 200 000 bisher abgesetzte Tickets, das seien weit mehr als vormalige WM-Veranstalter zu diesem Zeitpunkt verkauft hätten. „Bei der Leichtathletik-WM in Osaka 2007 waren es Ende Januar 40 000 Tickets, bei der WM 2003 in Paris 89 000 Tickets und bei den Europameisterschaften 2002 in München hatten wir Ende Januar 30 000 Tickets verkauft“, sagt Prokop. In Paris und München war das Stadion auch jeweils voll besetzt.
Das soll auch in Berlin im August so sein, sagt Michael Mronz, der im Organisationskomitee für den Kartenverkauf verantwortlich ist. Deshalb bekämen die Sponsoren auch kein festes Ticketkontingent vertraglich zugesichert, „damit nicht ganze Blöcke im Stadion leer bleiben“, sagt Mronz. „Wir wollen nicht nur ein ausverkauftes Stadion, sondern ein gefülltes.“
Auch das werden sie der Kanzlerin sicher gerne erzählen.
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Freitag, dem 6. Februar 2009