Der Bieler 100-km-Lauf und die Bieler Lauftage haben zu altem Schwung zurückgefunden. Zu jenen, die sich neu begeistern liessen, zählt Corina Stalder.
31. Bieler Lauftage vom 11. bis 13.6.2009 – Die Nacht der Nächte – Die Vorstellung der schönsten Läufe aus dem Heft „Swiss Runners 2009“
Für Corina Stalder (50) war die 50. Austragung des Bieler 100-km-Laufes die Premiere. Eine prägende Premiere, denn als sie wieder in Biel eingetroffen und die 100 km bewältigt waren, sagte sie sich: «Das mach ich wieder.» Doch beginnen wir von vorn. Sportlich aktiv war die Besitzerin eines eigenen Coiffeursalons immer. Hüftprobleme brachten sie zum Walking. Regelmässig, sprich drei- bis viermal die Woche, ist sie am frühen Morgen um 5.30 Uhr zwischen 90 bis 105 Minuten unterwegs. Zum 100-km-Lauf von Biel kam Corina Stalder über eine Kollegin. Weil sie bereits Erfahrung mitbrachte (beispielsweise bei der Nachtwanderung Bremgarten–Rigi) meldete sie sich spontan an. «Eine zusätzliche Motivation» sah sie im herausfordernden Ziel. Besonders intensiv bereitete sie sich nicht vor. Drei- bis viermal die Woche war sie zwischen 90 und 120 Minuten unterwegs, am Sonntag manchmal das Doppelte. «Mehr Walking als Laufen» betrieb sie. Mit dem Ziel, irgendwie durchzukommen, ging sie den 100-km-Lauf an. Laufend bewältigte sie nur die ersten 5 km. Danach wechselte sie in den Walking-Schritt – nicht Nordic Walking, wie sie betont, «ich wollte die Arme frei haben». Ökonomisch kam sie voran. «Laufen hätte mir nichts gebracht», ist sie überzeugt.
Beglückend
Das Unterwegssein in der «Nacht der Nächte» empfand sie als «gewaltiges Erlebnis». Die Herausforderung war das Eine. «Ich wusste nie, ob ich’s wirklich schaffen werde.» Die erste Hälfte erlebte sie zwar als ziemlich einfach. Dann liess sie Zeit liegen, konnte ihrem Plan nicht mehr folgen. «Es galt, im Kopf umzuschalten», sagt sie. Das gelang. Als «unglaublich beglückend» erlebte sie, als sie sich sicher zu werden begann, durch zukommen. Die langen Stunden in der Nacht kamen ihr «äusserst kurzweilig» vor. Die Dunkelheit erlebte sie als neue Dimension. Gerüche oder Geräusche erlangten so einen höheren Stellenwert. Auch die Stille genoss sie. «In meinem Beruf rede ich den ganzen Tag», sagt sie, «da stellte dies einen willkommenen Ausgleich dar.» Zur Möglichkeit von Zwiegesprächen mit sich selber kam sie. Gedanken machten sich breit, die sonst im Alltag keinen Platz finden. «Ich fühlte mich offen wie sonst kaum», beschrieb sie, «vieles liess sich in diesen Stunden verarbeiten.» Zum Erlebnis Bieler 100er gehörten für Corina Stalder auch das Hellwerden, der Sonnenaufgang und die rasch ansteigenden Temperaturen. Da tauchten auch Gedanken nach dem Warum auf. Auf Mitkonkurrentinnen und -konkurrenten am Strassenrand, entkräftet oder beim Behandeln von Blasen, traf sie. Die eigenen Krisen liessen sich überwinden. Nicht zuletzt die offizielle Verpflegung trug dazu bei: Wasser, Bouillon, Brot, Äpfel oder Bananen nahm sie zu sich, gegen Schluss vermehrt Cola und bei Kilometer 97 Schokolade. Auf Elektrolytgetränke verzichtete sie aus Respekt vor unvorhersehbaren Reaktionen des Körpers. Und die Kräfte liessen sich so perfekt einteilen. Die letzten 500 Meter lief sie erneut – begleitet von einem «gewaltigen inneren Glücksgefühl und dem Applaus vom Publikum ». 16:30:58 Stunden war Corina Stalder unterwegs. «Die Zeit spielte mir keine Rolle», sagt sie, «Hauptsache ich kam an.»
Im Aufwind
Die Faszination 100 km Biel hat nicht nur Corina Stalder erfasst. Die Jubläumsveranstaltung des letzten Jahres war ein enormer Erfolg. Erstmals meldeten sich über 5000 Läuferinnen und Läufer zu den Bieler Lauftagen an. 3000 waren es allein über die Hauptdistanz von 100 km. Ebenfalls auf bis anhin unerreichten Zuspruch stiessen die Teildistanzen und die Stafetten. Nicht von ungefähr bilanzierte OK-Präsident Jakob Etter mit Freude: «Von einem solchen Erfolg durften wir nicht ausgehen.» Zu sehen ist dies vor dem Hintergrund, dass in den Jahren zuvor eine stetige Abwärtstendenz zu schaffen machte und die Zukunft des Traditionslaufs gar in Frage gestellt schien. Grundlegende Änderungen oder Neuerungen sind für die diesjährige 51. Austragung nicht vorgesehen. Anpassungen sind aber nötig. So ist zukünftig maximal ein Velobegleiter pro Läufer zugelassen. Eine neue Strecke für die Begleitfahrzeuge sorgt für mehr Fluss. In den Wechselzonen von Aarberg und Oberramsern soll ein optimiertes Konzept Staus verhindern. Neu ins Programm aufgenommen wurde der Partnerlauf anstelle der Kategorie Sie+Er. Die erste Person läuft nach Kirchberg, die zweite von Kirchberg ins Ziel nach Biel. Und neu findet Ende Februar/Anfang März ein Vorbereitungsseminar für 100-km-Läufer in der Umgebung von Biel mit Trainings auf der Originalstrecke statt (Seminarleiter: Dan Übersax, ein erprobter 100-km-Läufer).
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