Während die Effekte des sportlichen Engagements auf der Ebene des physischen Selbstkonzeptes erwartungsgemäß stark ausgeprägt sind, beantworten die Autoren die Frage, ob der Sport als Motor zur Persönlichkeitsentwicklung taugt, auf der Grundlage derzeit verfügbarer Studien (noch vorsichtig) „mit einem dezenten Optimismus“
Was steht im „Zweiten Deutschen Kinder- und Jugendsportbericht“? Teil 3: Zum Gesundheits- und Motorikstatus von Kindern – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann berichtet
Nach dem „Ersten Deutschen Kinder- und Jugendsportbericht“ im Jahre 2003 ist Ende letzten Jahres der „Zweite Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht“ mit dem Schwerpunkt „Kindheit“ erschienen. Dieser Bericht hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung von Bewegung und Sport von Kindern im Hinblick auf die individuelle Entwicklung zu beschreiben und dabei mögliche (positive) Effekte zu analysieren.
Der Bericht wird mit Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung herausgegeben von Prof. Dr. Werner Schmidt (Uni Duisburg-Essen) sowie unter Mitarbeit von Prof. Dr. Renate Zimmer (Uni Osnabrück) und Prof. Dr. Klaus Völker (Uni Münster). Er wendet sich „an alle, die das Kinderwohl im Auge haben“. In einer siebenteiligen Serie stellt die DOSB PRESSE wichtige Inhalte des Berichtes vor. Im Teil 3 der Serie geht es um den Gesundheits- und Motorikstatus von Kindern:
Mit insgesamt acht Beiträgen ist dieser zweite Teil des Kindersportberichtes der umfangreichste: Der erste Artikel von Prof. Dr. Klaus Völker (Uni Münster) geht der Frage nach: „Wie Bewegung und Sport zur Gesundheit beitragen – Tracking-Pfade von Bewegung und Sport zur Gesundheit“ (Titel). Der Autor will dabei auch die Bedeutung von Alltagsbewegung und Fitness in Kindheit und Jugend für die Gesundheit und im Blick auf die spätere Lebensspanne als Erwachsene beleuchten.
Als „Tracking“ wird dabei die Aufrechterhaltung eines bestimmten Ausprägungsmerkmales zu unterschiedlichen Zeitmesspunkten bezeichnet, um Veränderungen beim selben Individuum vorhersagen zu können. So kann als Ergebnis beispielsweise festgehalten werden, dass die körperliche Fitness auf moderatem Niveau von der Kindheit ins Jugendalter „trackt“, also erhalten bleibt. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass extrem unfitte Kinder später unfit und extrem fitte Kinder später sehr fit bleiben.
Nach zwei Beiträgen zum „Risikofaktor Adipositas“ (Titel) und „Zum komplexen Ursachengeflecht von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter“ (Titel), die einerseits „einen weiteren Anstieg der Prävalenz von Übergewicht“ (S. 113) befürchten, andererseits es als gesichert ansehen, „dass körperlich-sportliche Aktivität vor der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas schützt“ (S. 124), geht es danach speziell um den „Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen: Ausgewählte Ergebnisse des nationalen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS)“ (Titel), der vom Robert-Koch-Institut in Berlin durchgeführt wurde und Daten von 18.000 Kindern beinhaltet.
Danach steigt der Anteil der Kinder, die über ein normales Maß hinausgehend Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen müssen, von 10 % in der Altersgruppe drei bis sechs Jahre auf 15 % zwischen sieben und zehn Jahren. Ein Wandel des Krankheitspanoramas besteht darin, dass in zunehmendem Maße psychische und psychosomatische Störungen zu beobachten sind.
Im nachfolgenden Beitrag über die „Motorische Leistungsfähigkeit von Kin-dern“ eines Autorenteams mit Prof. Dr. Klaus Bös (Uni Karlsruhe) an der Spitze wird einmal mehr der hinreichend bekannte und gleichsam besorg-niserregende Befund zur Sprache gebracht: „Die motorische Leistungsfähigkeit hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen“ (S. 156). Dazu wurden Alterskohorten von 1976 bis 2005 miteinander verglichen. Ferner werden hier gesondert Ergebnisse der sog. „MoMo-Studie“ vorgestellt. Dabei handelt es sich um das Motorik-Modul im oben bereits genannten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS), wonach jetzt Normwerte zur körperlichen Leistungsfähigkeit für Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren erstellt werden können, die möglicherweise auch Anwendung finden bei der routinemäßigen Diagnose der motorischen Leistungsfähigkeit in den Feldern Schule und Verein.
Auch die beiden nächsten Beiträge in diesem Abschnitt des Kindersportberichtes beziehen sich u. a. auf wesentliche Ergebnisse der sog. KiGGS-Studie: Dabei geht es um „Zusammenhänge zwischen körperlich-sportlicher Aktivität und Gesundheit von Kindern“ (Titel) und um die „Sportengagements und sportmotorische Aktivität von Kindern“ (Titel). Der letzte Beitrag in diesem Themenkomplex stellt dann eine Verbindung her von „Sportengagement, Persönlichkeit und Selbstkonzeptentwicklung im Kindesalter“. In diesem von Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider (Uni Paderborn) und seinem (ehemaligen) Mitarbeiter Dr. Erin Gerlach verfassten Aufsatz geht es originär um die Frage, welche Kompetenzen möglicherweise im Sport besonders gut erworben werden können und sich darüber hinaus auch noch auf andere Lebensbereiche (positiv) übertragen lassen.
Während die Effekte des sportlichen Engagements auf der Ebene des physischen Selbstkonzeptes erwartungsgemäß stark ausgeprägt sind, beantworten die Autoren die Frage, ob der Sport als Motor zur Persönlichkeitsentwicklung taugt, auf der Grundlage derzeit verfügbarer Studien (noch vorsichtig) „mit einem dezenten Optimismus“ (S. 205).
Werner Schmidt (Hrsg., unter Mitarbeit von Renate Zimmer & Klaus Völker): Zweiter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Schwerpunkt: Kindheit. Schorndorf 2008: Hofmann. 520 S.; 39,90 €
Die Serie wurde für die DOSB PRESSE verfasst Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, Sportwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover.