Dass das Turin-Team jetzt an Erfolge der 90er Jahre anknüpfen konnte und im Medaillenspiegel hinter Russland Platz zwei belegte, ist bemerkenswert.
Comeback zum Staunen – Die Hallen EM in Turin – Jörg Wenig berichtet
Turin. Die deutsche Leichtathletik zeigte am vergangenen Wochenende ein erstaunliches Comeback: Gleich zehn Medaillen, darunter drei goldene, gewannen die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei den Hallen-Europameisterschaften in Turin. Eine zweistellige Zahl von Podestplätzen hatten deutsche Athleten bei den kontinentalen Hallen-Titelkämpfen zuletzt vor elf Jahren erreicht.
Dass das Turin-Team jetzt an Erfolge der 90er Jahre anknüpfen konnte und im Medaillenspiegel hinter Russland Platz zwei belegte, ist bemerkenswert.
Allerdings darf man Ergebnisse bei Hallen-Europameisterschaften auch nicht überbewerten. Denn weltweit herrscht in den meisten Disziplinen noch ein mitunter deutlich höheres Niveau als in Europa. Prognosen bezüglich der im Sommer stattfindenden Weltmeisterschaften in Berlin sind daher nach Turin schwer.
Zwei Dinge aber sprechen nach dieser Wintersaison für eine viel versprechende weitere Entwicklung der deutschen Leichtathletik. Zum einen ist es das Alter der erfolgreichen Athleten von Turin. Denn acht der zehn Medaillengewinner von Turin sind zwischen 21 und 25 Jahre alt. Hinzu kommt, dass es jetzt auch in Disziplinen aufwärts geht, die zu den attraktivsten der Leichtathletik gehören. Dazu zählt zum Beispiel der Sprint.
Verena Sailer (MTG Mannheim) gewann in Turin über 60 m eine Bronzemedaille, nachdem sie tags zuvor im Halbfinale mit 7,17 Sekunden eine europäische Jahresbestzeit aufgestellt
hatte, die auch im Endlauf nicht mehr verbessert wurde. „Nach dem Halbfinale habe ich
versucht, mich nicht zu verrückt zu machen“, sagte die 23-Jährige, die die erste deutsche Sprintmedaille bei der Hallen-EM seit Melanie Paschkes Sieg 1998 gewann. „Das gibt mir viel Selbstvertrauen für den Sommer“, fügte Verena Sailer hinzu.
Auch bei den Männern ging es im Sprint in der Halle aufwärts, auch wenn das in Turin noch nicht ganz so sichtbar wurde. Christian Blum (Quelle Fürth-München) fehlte verletzungsbedingt, nachdem er mit 6,56 Sekunden eine europäische Spitzenzeit erreicht hatte. Stefan Schwab (TSV Schwarzenbek) war mit 6,59 kaum langsamer, blieb bei der EM aber im Halbfinale hängen.
Hochspringerin Ariane Friedrich (Eintracht Frankfurt), die nach Petra Lammert (SC Neubrandenburg/Kugelstoßen) die zweite deutsche Goldmedaille in Turin gewann, ist nach ihrem dritten Sieg über Weltmeisterin Blanka Vlasic (Kroatien) eine große Medaillenhoffnung für die WM in Berlin. Trotz Halsschmerzen sprang sie 2,01 m. Für die größte Sensation sorgte jedoch Sebastian Bayer (Bremer LT), der bei seinem Weitsprung-Sieg den Europarekord auf 8,71 m schraubte und dabei den zweitbesten Sprung in der Halle aller Zeiten schaffte. „Man kann sich in Berlin unsterblich machen“, hatte er vor kurzem in einem Interview gesagt. Nach Turin wollte Sebastian Bayer die Erwartungen jedoch zunächst etwas dämpfen: „Das WM-Finale bleibt mein Ziel.“
Die Hallen-EM in Turin zeigte allerdings nicht einmal alles, was die deutsche Leichtathletik zu bieten hat. Die Werfer Betty Heidler (Hammer) und Robert Harting (Diskus) oder auch Marathonläuferin Irina Mikitenko haben ebenso gute Chancen in Berlin.
„Die Erfolge von Turin sind gut für die WM in Berlin“, sagte Ariane Friedrich. Auf der Internetseite der WM allerdings, über die man Tickets für das Ereignis im August bestellen kann, datiert die aktuellste Meldung vom 13. Februar. Es geht dabei um die Sportgala in Berlin.
Auf www.berlin2009.org findet das Comeback der deutschen Leichtathletik nicht statt.
Jörg Wenig
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