In seinem Londoner Büro hängt ein Sinnspruch an der Wand: "It's the sport, stupid!" Was frei übersetzt heißt: "Es geht um den Sport, Dummkopf!" Angelehnt an einen Satz, den Bill Clinton einst im US-Präsidentschaftswahlkampf in Bezug auf die Wirtschaft prägte.
IAAF – Lord der Leichtathletik – Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost
Die Planungen für sein ganz privates Abendprogramm passten genau zu Sebastian Coe. Unbedingt wollte der Vizepräsident des internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) wissen, wo es denn in Berlin ein gutes Jazzlokal mit entsprechender Live-Musik gebe. Nach all den Sitzungen, die das IAAF-Council zurzeit in Berlin abhält, wollte der smarte Engländer wohl für ein paar Stunden mal keine Leichtathletik-Funktionäre sehen und nichts von den Problemen der Sportart hören.
Doch wer den 52-Jährigen im Gespräch erlebt, merkt sofort, mit welchem Engagement er für seine Sportart kämpft, der er immer verbunden geblieben ist. Jeweils Gold über 1500 m und Silber über 800 m bei den Olympischen Spielen 1980 und 1984 sind nur einige Höhepunkte seiner Karriere als Läufer, die von Titeln und Rekorden begleitet wurde.
Aus dem erfolgreichen Sportler ist längst ein erfolgreicher Sportpolitiker und -manager geworden. Er hat die Olympischen Spiele 2012 nach London geholt und ist Chef des dortigen Organisationskomitees. Aber er ist geerdet geblieben, weiß, wie viel er dem Sport verdankt. Der schmächtige Brite winkt lächelnd ab bei der Frage, ob man ihn denn mit "Lord" ansprechen solle, schließlich hat ihn die Queen vor neun Jahren dazu ernannt.
In seinem Londoner Büro hängt ein Sinnspruch an der Wand: "It's the sport, stupid!" Was frei übersetzt heißt: "Es geht um den Sport, Dummkopf!" Angelehnt an einen Satz, den Bill Clinton einst im US-Präsidentschaftswahlkampf in Bezug auf die Wirtschaft prägte. Soll bedeuten: Die Athleten müssen immer im Vordergrund stehen. So soll es in London sein, verspricht der Fan des FC Chelsea ("Warum bloß müssen wir in der Champions League jetzt wieder gegen Liverpool spielen?").
Bei Olympia wird die Leichtathletik wieder im Mittelpunkt stehen, aber er weiß um die Probleme und glaubt: Wenn sich die Leichtathletik nicht verändere, werde sie zu Grunde gehen. "Aber wir dürfen nicht unser Erbe und unsere Philosophie verkaufen." Gleichwohl tut mehr Attraktivität not. "Ich muss doch nur meinen ältesten Sohn anschauen", erzählt der Vater von vier Kindern. Der 14-Jährige sei ein glühender Fan von Tennisstar Roger Federer, dessen Duelle mit Rafael Nadal sind für den Junior das Größte. "Wir brauchen mehr solcher Duelle", sagt Sebastian Coe mit Blick auf die Leichtathletik. Wie einst der Lauf-Klassiker Coe gegen seinen Landsmann Steve Ovett. Und: "Wir brauchen Idole und Vorbilder."
Zu denen er auch Sprintstar Usain Bolt zählt. Er hält den Jamaikaner für sauber, verweist auf dessen Leistungen bereits als 15-Jähriger. Doping? "Er ist einfach sehr, sehr talentiert." Doch es ist Coe anzumerken, dass er mit einem gewissen Bauchgrimmen verfolgt, wie ehemalige Dopingsünder nach einer Sperre zurückkehren. Offiziell sagt er nur: "Es ist eben so, dass sie wieder starten können."
Wie auch Dwain Chambers, der nach einer Dopingsperre vor kurzem Hallen-Europameister über 60 m wurde. Pikant am Rande: In seinem Enthüllungsbuch ("Race against me") wirft Chambers Coe sogar Ehebruch vor. Dessen Kommentar dazu: "Ich lese das nicht."
Die WM in Berlin (15. bis 23. August) werde ein Erfolg, da ist sich Sebastian Coe sicher, allein schon wegen der Begeisterungsfähigkeit und des Organisationstalents der Deutschen. Seine Kinder stehen auch auf Berlin.
"Die sagen, die Stadt sei absolut heiß."
Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost, Sonntag, dem 22. März 2009