Der neue Mann auf dem OSP-Chefsessel in der Hohenschönhausener Fritz-Lesch-Straße ist Dr. Harry Bähr (48), der bislang dem Bereich Trainingwissenschaftvorstand. Sein Ziel lautet, den Leistungssport in der Region weiter auszubauen,
Zinner nun als Berliner LSB-Vize im Gespräch – Der scheidende OSP-Leiter erhielt bei seinem Abschied viel Lob – Nachfolger Bähr vor großer Herausforderung – Hans-Jürgen Wille berichtet
Viel Olympia- und WM-Gold glänzte an diesem Abend, als sich Dr. Jochen Zinner (66) nach 14-jähriger Tätigkeit als Leiter des Olympiastützpunktes Berlin von seinen Athleten im Hotel Estrel verabschiedete, die ihm so sehr ans Herz gewachsen waren.
Weder die Schwimmerin Britta Steffen noch die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn, die Ruderin Katrin Rutschow-Stomporowski oder der Bahnradspezialist Robert Bartko ließen es sich nehmen, dem gebürtigen Plauener ihren aufrichtigen Dank für die stets großartige Unterstützung zu sagen. Torsten Burmester als Vertreter des Bundesinnenministeriums lobte bei der Good bye-Veranstaltung den scheidenden Zinner: „Ohne Sie wäre Berlin heute nicht der führende OSP in Deutschland.“ Und Eberhard Gienger als DOSB-Vizepräsident fügte hinzu: „Sie können mit Stolz auf das zurückblicken, was hier geschaffen wurde.“ Dieser Meinung schlossen sich auch ohne wenn und aber Berlins für den Sport zuständiger Innensenator Dr. Ehrhardt Körting und der noch amtierende LSB-Präsident Peter Hanisch an
Bei dieser Gelegenheit ließ Zinner allerdings durchblicken, dass es durchaus kein Rückzug für immer aus der Berliner Sportlandschaft bedeuten müsse, wobei er ganz konkrete Ziele im Auge hat Ex-Senator Klaus Böger, der als Präsident des im Juni neu zuwählenden Berliner LSB-Vorstandes gehandelt wird, gab nämlich freimütig zu, dass er den bisherigen OSP-Chef gern als Vize für den Bereich Leistungssport in seinem Kabinett sehen würde, weil seine Fachkenntnis und Kompetenz unbedingt weiter genutzt werden müsse.
Der neue Mann auf dem OSP-Chefsessel in der Hohenschönhausener Fritz-Lesch-Straße ist Dr. Harry Bähr (48), der bislang dem Bereich Trainingwissenschaftvorstand. Sein Ziel lautet, den Leistungssport in der Region weiter auszubauen, vier neue Bundesstützpunkte (Turnen weiblich, Fechten, Gewichtheben und Boxen) zu schaffen, die Vorbereitung auf die Leichtathletik-WM in diesem Jahr in Berlin sowie die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver und zwei Jahre später auf die Sommerspiele in London voll zu unterstützen.
Auf die Frage, wen er denn besonders schätzt und wer ihm als Vorbild dient, nannte der ehemalige Schwimmer vom TSC Berlin ohne zu zögern den amerikanischen Präsidenten Barack Obama. „Mir imponiert, wie er große Probleme löst und sich mit den entsprechenden Fachleuten umgibt, um etwas bewirken zu können.“ Auch Bähr vertraut, wenn auch auf ganz anderer Ebene, seinen Mitarbeitern, die er als hoch qualifiziert einschätzt. Immerhin sind beim Olympiastützpunkt derzeit 34 Trainingswissenschaftler, Physiotherapeuten, Ärzte und Laufbahnberater angestellt, dazu 19 Trainer.
Als Mann der Praxis ist Bähr, der ursprünglich Geographie und Sport studierte, anschließend Assistent an der Berliner Humboldt-Universität war und ein Referendariat an einer Schule hinter sich hat, ehe er 1995 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum OSP wechselte, es gewohnt, selbständig zu handeln. Von Montag bis Freitag muss er sich nämlich in Berlin selbst versorgen, denn seine Familie lebt nach wie vor in Cottbus. Doch auch die Wochenend-Ehe wird es nur bedingt geben. „Wenn wichtige Termine anstehen, dann bin ich selbstverständlich vor Ort.“
Er befürchtet allerdings, dass das öfter der Fall sein wird als ihm lieb ist. Um das umfangreiche Arbeitspensum zu schaffen, das jetzt nicht mehr so Athleten-orientiert ist, sondern mehr Manager-Aufgaben entspricht, konzentriert er die Hauptlast seiner Tätigkeit auf die fünf Werktage. Spätestens um 9.00 Uhr (nach einem einstündigen Jogging-Training) sitzt er am Schreibtisch und verlässt sein Büro oftmals erst gegen 22.00 Uhr.
Der neue OSP-Chef ist sich darüber im Klaren, dass selbst die Zeit bis London schon recht knapp ist, um Entscheidendes zu verändern und damit die Berliner Erfolgsbilanz von Peking (4 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze) zu wiederholen.
„Es ist ja nicht gesagt, dass Britta Steffen in drei Jahren wieder Doppel-Olympiasiegerin wird. Deshalb müssen wir versuchen, unser Augenmerk verstärkt auf den Nachwuchs zu richten und dafür zu sorgen, dass die Talente in Berlin bleiben und hier eine Zukunft haben. Was nichts anderes heißt, als dass sie einen Hochschulplatz oder eine Arbeitsstelle erhalten müssen, wo sie ihren Sport und das Training miteinander verbinden können“, erklärt der dreifache Familienvater.
Er weiß natürlich, dass die Fußstapfen, in die er jetzt tritt, sehr groß sind. Die künftige Aufgabe sieht er als eine große Herausforderung an. „Ich will aber nicht meinen Vorgänger Dr. Zinner kopieren, sondern meine eigene Handschrift soll zu spüren sein. Bewährtes will ich fortführen, ohne dabei neue Wege außen vor zu lassen. Die Leistungsfähigkeit der Olympiastützpunkte muss gestärkt und effektiver werden. Beispielsweise schwebt mir im Schwimmen die Schaffung eines Trainerpools vor, damit wir keine Talente mehr verlieren. Es muss uns künftig besser gelingen, den Nachwuchs bis in die Spitze bringen.“
Mit Blick auf das nächste Großereignis, die Winterspiele in Vancouver, rechnet Bähr mit zehn bis zwölf Teilnehmern aus Berlin, wobei die Eishockeyspieler sicherlich keinen geringen Anteil beisteuern werden. Auch vier bis fünf Eisschnellläufer mit den Medaillenkandidatinnen Jenny Wolf und Claudia Pechstein sowie Monique Angermüller, Lucille Opitz und Tobias Schneider sollten sich hinzugesellen, ferner ein Eiskunstläufer und vielleicht ein bis zwei Bobfahrer.
DOSB – Hansjürgen Wille