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15
05
2009

Es ist brutal, dass ich nicht teilnehmen werde. Das tut am meisten weh. Auch wenn ich die Entscheidung immer wieder aufgeschoben habe, war das richtig so

Jan Fitschen – Absage als Erleichterung – Vorläufig am Ende: Jan Fitschen bricht die WM-Vorbereitung ab – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

12. Mai 2009 Jan Fitschen, Europameister über 10.000 Meter, hat am Montag seine Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Berlin abgebrochen. Wegen einer entzündeten Plantarsehne hatte der 32 Jahre alte Wattenscheider seit zehn Monaten nicht laufen können, sondern sich nur mit Wassergymnastik und Radtouren fit zu halten versucht.

Sie haben lange mit Ihrer Verletzung gerungen und genauso lange mit der Erkenntnis, dass Sie die WM fahren lassen müssen. Was ist schmerzhafter?
 
. Ich musste einfach alles versuchen und ganz, ganz sicher sein. Jetzt weiß ich, dass ich unter keinen Umständen in Berlin an den Start gehen kann.

Waren Sie immer frei in Ihrer Entscheidung oder standen Sie unter Druck?

Ich habe die volle Unterstützung meines Vereins und meiner Sponsoren. Sie wissen, dass sie sich hundertprozentig auf mich verlassen können. Sie wissen aber auch, dass man den Körper nicht überlisten kann.

Sie haben lange an ihrem Physik-Diplom gearbeitet. Was kommt jetzt: wissenschaftliche Arbeit oder weiter Sport?
 
Ich studiere jetzt Wirtschaft, aber nebenbei. Letzten Endes habe ich nur noch ein paar Jahre, die ich für den Sport nutzen kann. Die möchte ich weiter als Läufer genießen.

Sie kündigen Ihre Rückkehr im Herbst an – bei einem Marathon?

Dafür wird es noch nicht reichen.

Sind Sie etwa immer noch zu jung?

Zu schlecht! So etwas muss professionell vorbereitet werden. Ich weiß noch gar nicht, wann ich wieder laufen kann.
 
Irina Mikitenko ist vor zwei Jahren auf die Straße gewechselt und die erfolgreichste Marathonläuferin der Welt geworden. Steckt solch ein Talent auch in Ihnen?

Das kann ich nicht wissen, ich hab‘s noch nie probiert. In Bereiche wie Irina zu gelangen, mit Siegen bei den ganz großen Marathons und deutschem Rekord, das ist ganz schwierig. Ich würde mich auch mit weniger zufrieden geben am Anfang. Bisher bin ich nur bei Spaßveranstaltungen auf der Straße gelaufen, um die Stimmung zu genießen und Motivation mitzunehmen.

Wenn man die 40.000 Teilnehmer von Berlin sieht, Abertausende in London, New York: Liegt das Geld nicht auf der Straße?

Klar ist da mehr zu verdienen als mit der Leichtathletik auf der Bahn. Das ist reizvoll, wenn man den Einstieg ins Berufsleben noch ein bißchen aufschiebt. Man muss sehen, wo man bleibt.

Haben Sie sich gerade von der Bahn verabschiedet?

Bisher hatte die gute Chancen auf Erfolge. Europameister im Marathon zu werden, wäre für mich noch unwahrscheinlicher gewesen als Europameister über 10.000 Meter. Ich wollte meine Möglichkeiten ausschöpfen, erst über 1500 Meter, dann über 5000, und die 10.000 waren eigentlich ein Zufall. Ich hab mir gesagt: Probier es einfach mal, und es hat geklappt. Im nächsten Jahr bei der Europameisterschaft will ich noch einmal dabei sein und um eine Medaille kämpfen. Dann habe ich mein Ding erfüllt.

Wenn Sie ihre Distanz danach noch einmal vervierfachen, wann sind Sie bereit für die Premiere über 42 Kilometer?

Ich könnte mir vorstellen, dass es im Herbst nächsten Jahres so weit ist.

In Berlin?

Dort war ich schon als Tempomacher, dort habe ich mir die Atmosphäre am häufigsten angeschaut. Aber ich habe mich noch nicht entschieden. Am vorletzten Wochenende war ich in Düsseldorf. Meine Freundin ist in einer Firmenstaffel mitgelaufen.

Haben Sie sie angefeuert?

Ich habe geschrien wie ein Verrückter – ich bin sehr stolz auf meine Freundin. Dafür dass sie nie trainiert, sind fünfzig Minuten für zehn Kilometer ziemlich gut.

War das Zuschauen nicht hart für Sie?

Zur Abwechslung geht‘s. Man hat keinen Stress, wie wenn man läuft.

Wie fühlen Sie sich ansonsten?

Der Fuß braucht Ruhe, und der Rest von mir auch. Die letzten zehn Monate waren sehr, sehr zäh. Dass dass endlich die Entscheidung gefallen ist, ist auch eine Erleichterung.
 
Das Gespräch führte Michael Reinsch. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dienstag, dem 12. Mai 2009

author: GRR

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