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19
05
2009

Fachleute sind der Meinung, dass man bei Ausgrabungen zwischen Marathontor und dem jetzigen Maifeld sicherlich noch mehr Reste des ehemaligen, rund zehn Meter tiefer gelegenen Deutschen Stadions, das übrigens eine 600 m lange Aschen- und Radrennbahn besaß, seiner einstigen Tribüne und anderen Räumlichkeiten finden würde.

Zeitzeugnisse wieder lebendig gemacht – Alte Säulenhalle war fast 70 Jahre lang im Berliner Olympiapark verschüttet

By GRR 0

Archäologen, Denkmalpfleger, Bauhistoriker, außerdem Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Bäderbetriebe versammelten sich zu einem ganz ungewöhnlichen Anlass im Berliner Olympiapark. Es galt, eine seit sieben Jahrzehnten verschüttet gewesene, aber gut erhalten gebliebene Säulenhalle wieder ihrer Bestimmung zu übergeben und zwar auf der sogenannten Frauenwiese, ganz in der Nähe ihres ursprünglichen Standortes.

Berlins Sport-Staatssekretär Thomas Härtel sprach von einem Highlight und freute sich darüber, „dass Zeitzeugnisse der Geschichte insbesondere für junge Menschen wieder lebendig werden“.
Die historische Kostbarkeit in pompejanischem Rot, eine Schöpfung des angesehenen Architekten und Stadtplaners Otto March, befand sich einst als Zierde an den Schmalseiten des 100-m-Schwimmbeckens, das zu dem am 23. Mai 1913 vom Kaiser Wilhelm II eingeweihten Deutschen Stadion gehörte und antike Formen aufwies.

Beide Anlagen, die übrigens in eine riesige Galopprennbahn des Union-Clubs eingebettet waren, fielen1934 der Spitzhacke und den Bauarbeiten des für die Olympischen Sommerspiele vorgesehenen Reichssportfeldgeländes zum Opfer. „Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit wurden viele der vorhandenen Sportstätten gesprengt beziehungsweise einfach mit einer acht bis zehn Meter dicken Sandschicht versehen, so dass sie für immer in der Versenkung verschwunden zu sein schienen“, erklärte der Landeskonservator Professor Dr. Jörg Haspe.

Doch der Zufall wollte es, dass im Rahmen der notwendig gewordenen Sanierungsmaßnahmen für die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland unterirdische Zugangswege zum Olympia-stadions geschaffen werden sollten. Dabei stießen Baggerfahrer im Winter 2001/2002 auf jene sieben Meter hohe Säulenhalle, die früher zu Umkleidekabinen und Übungsräumen führte und bei ihrer Wiederentdeckung sofort Denkmalschützer auf den Plan riefen. Fein säuberlich wurde das völlig erhaltene Prunkstück mit seinen angrenzenden Wänden, Treppenstufen und Deckenfragmenten geborgen, auf einen großen Laster verladen, restauriert und jetzt wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – als dekorativer und geschichtsträchtiger Aufenthaltsort.

Fachleute sind der Meinung, dass man bei Ausgrabungen zwischen Marathontor und dem jetzigen Maifeld sicherlich noch mehr Reste des ehemaligen, rund zehn Meter tiefer gelegenen Deutschen Stadions, das übrigens eine 600 m lange Aschen- und Radrennbahn besaß, seiner einstigen Tribüne und anderen Räumlichkeiten finden würde.

Denn unter der Ägide von Werner und Walter March, den beiden Söhnen von Otto March (1848-1913), musste das 36er Olympia-stadion sowie die vielen weiteren Sportstätten im Schnellverfahren und unter unheimlichem Hochdruck errichtet werden, weil Hitler die ursprünglichen Pläne überarbeiten ließ und monumentale Bauten haben wollte. Da blieb keine Zeit, wichtige Erinnerungen zu bergen. Die jetzt an die Berliner Bäderbetriebe übergebene Säulenhalle befindet sich in der Nähe des heutigen Olympia-Schwimmstadions und ist von der Frauenwiese aus zu betreten.

Die Schweizerin und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erklärte bei der kleinen Feierstunde: „Es gibt in Berlin ein starkes Bedürfnis, Geschichtsspuren wieder sichtbar zu machen. Dieses archäologische Fenster gestattet uns einen Einblick in die Frühgeschichte des deutschen Sports. Viele wissen gar nicht, dass unter dem jetzigen Olympiastadion ein gar nicht so geringer Teil des alten Deutschen Stadion begraben ist.“

Die 330.000 Euro, die das Zu-Tage-Fördern und die Umbettung der sieben dorischen, aus besonderem Beton gegossenen Säulen sowie des Gebälks kostete, sind sicherlich kein schlecht angelegtes Geld. „Da es unsere Absicht ist, dass zwischen 1948 und 1994 teilweise von den Briten als Hauptquartier genutzte Olympiapark-Gelände wieder mehr ins Bewusstsein der Berliner zu rücken und Begehungstouren anzubieten, sind wir froh“, so Härtel, „über dieses Kleinod, das die Vergangenheit wieder lebendig macht.“

author: GRR

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