Antrittsgeld ist so etwas wie die Titelprämie auf Raten. Klingende Münze wiegt die Goldmedaille der vergangenen Saison auf – oder eben nicht.
Leichtathletik-Kommentar – Berliner Basta-Brief – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
05. Juni 2009 Auch eine blaue Laufbahn kann bisweilen ein diplomatisches Parkett sein. Die Berliner Veranstalter des Leichtathletik-Sportfestes Istaf sind darauf ein wenig ins Straucheln gekommen. Arroganz und Unverschämtheit werfen ihnen jedenfalls einige Manager vor, deren Leichtathleten beim Auftakt der Golden League in einer Woche im Berliner Olympiastadion starten wollten. Schließlich findet im August dort die Weltmeisterschaft statt. Der Streit geht um die Antrittsprämien – besser: fehlende Antrittsprämien.
Weil Geld auch bei einem Zweieinhalb-Millionen-Etat knapp ist und nicht jeder Olympiasieger ein Star, können nicht alle, die in Berlin antreten, mit sattem Handgeld rechnen. Er zahle kein Begrüßungsgeld, lästerte Veranstalter Gerhard Janetzky in Anspielung auf die Hundertmarkscheine, die es bis kurz nach dem Mauerfall vor zwanzig Jahren für die armen Verwandten aus dem Osten gab.
Anzeige
Antrittsgeld ist die Titelprämie auf Raten
Selbstverständlich zahlt auch Janetzky, wie es in der Branche üblich ist, um namhafte und publikumswirksame Sportlerinnen und Sportler zu gewinnen. Zum einen ist das Istaf an der Verpflichtung von fünf Athleten beteiligt, die vertraglich ihren Start an allen sechs Stationen der Golden League zugesagt haben – von Blanka Vlasic und Jelena Isinbajewa bis zu Kenenisa Bekele. Zum anderen hat das Istaf ein paar der deutschen Leichtathleten verpflichtet, die einen Namen haben. Hochspringerin Ariane Friedrich, Weitspringer Sebastian Bayer und Diskuswerfer Robert Harting kommen nicht allein für einen Handschlag. So weit, so üblich.
Die Preise kaputtgemacht und die Stimmung ruiniert hat eine E-Mail. Darin teilt der Veranstalter kategorisch mit, Antrittsgelder gebe es nicht. Dieser elektronische Basta-Brief ist an alle Manager gegangen und stellt deren Geschäft grundsätzlich in Frage: Sollen sie ihren Athleten etwa empfehlen, sich mit der Chance auf eine Siegprämie von 16.000 Dollar zufriedenzugeben, um die Möglichkeit für eine Generalprobe in Berlin zu haben? Und vor allem: Sollen alle das wissen? Für nicht wenige Athleten sind fünfstellige Prämien immer noch besser als kleines Geld von kleinen Meetings. Für andere ist die Zahlung auch eine Frage der Anerkennung.
Der Weg zu Agreements verbaut
Antrittsgeld ist so etwas wie die Titelprämie auf Raten. Klingende Münze wiegt die Goldmedaille der vergangenen Saison auf – oder eben nicht. Olympiasieger wie Christine Ohuruogu (400 Meter), Pamela Jelimo (800 Meter) und Irving Saladino (Weitsprung), die alle gern nach Berlin gekommen wären, werden fehlen. Nicht nur am Nulltarif scheiterte ihre Verpflichtung, sondern vor allem daran, dass durch die unkluge Mail alle Welt davon erfahren hätte. Dadurch war den Managern, beklagen sie, der Weg zu preisgünstigen Agreements verbaut.
Vollkommen undiplomatische Trampel sind die Berliner allerdings nicht. Im diskreten Werben um große Namen haben sie Angela Merkel zurückgewonnen. Die Bundeskanzlerin, die im vergangenen Jahr ihre Patronage aufgegeben hatte, ist nun wieder Schirmherrin des Istaf.
Antrittsgeld war garantiert nicht im Spiel.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 5. Juni 2009
EN