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13
06
2009

Drei Finals haben die Deutschen in Peking mit ihren Staffeln erreicht. Allein die Jamaikaner waren in allen Rennen über 4 x 100 und 4 x 400 mit Männern und Frauen am Start.

Staffellauf – Gemeinsam sind sie schnell – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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13. Juni 2009 Deutsche Sprinter können sich nicht mit jamaikanischen messen? Von wegen. Bei den Olympischen Spielen von Peking im vergangenen Jahr waren sie die erfolgreichsten hinter den jamaikanischen. Sagt Sportdirektor Jürgen Mallow vom Deutschen Leichtathletikverband. Der Mann hat recht, denn er spricht nicht von den Einzelrennen, in denen Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser von der Karibikinsel unangefochten dominierten, sondern von den Staffeln.

Drei Finals haben die Deutschen in Peking mit ihren Staffeln erreicht. Allein die Jamaikaner waren in allen Rennen über 4 x 100 und 4 x 400 mit Männern und Frauen am Start. Drei Mal dabei zu sein, wie die Deutschen, gelang nur Russen und Briten. Für die Deutschen war das ein großer Erfolg. Bei der Weltmeisterschaft im Olympiastadion von Berlin wollen sie mehr. An diesem Wochenende ist Generalprobe.

Biomechaniker begleiten die Teams

Seit 2005, als Mallow noch Leitender Bundestrainer war, fördert der Deutsche Leichtathletikverband das Sprinten als Mannschaftswettbewerb intensiv. „Bei den Wechseln können wir richtig Zeit herausholen“, sagt die deutsche Meisterin im Sprint, Verena Sailer (Mannheim). „Wir haben richtigen Teamgeist. Wenn wir gut laufen, haben wir gute Chancen, das Finale zu erreichen.“ Biomechaniker begleiten die Teams in Training und Wettkampf – und das Wohlwollen von Mallow auch. „In den Staffeln kann sich die Nationalmannschaft als Team darstellen“, sagt er.
 
In 43,34 Sekunden haben sich Startläuferin Verena Sailer sowie Marion Wagner, Cathleen Tschirch (Leverkusen) und Anne Möllinger (Mannheim) bereits am vergangenen Wochenende für die WM qualifiziert. Verena Sailer, vor drei Jahren noch Praktikantin beim Istaf, darf, da sie in Regensburg in 11,39 Sekunden siegte, elf Hundertstel über ihrer persönlichen Bestzeit, nun im Einzelrennen gegen Läuferinnen wie die Olympia-Zweite Kerron Stewart und Weltmeisterschafts-Zweite Sheri-Ann Brooks (beide Jamaika) antreten.

„Sie haben die besseren Einzelzeiten – Wir haben die bessere Staffelzeit“
 
„Mit Bolt in einem Lauf zu starten wäre mal eine Herausforderung“, sagt Stefan Schwab, der deutsche Hallen-Meister (Schwarzenbek). „Schon bei der WM kann es soweit sein.“ An diesem Sonntag darf er sich mit dem einstigen Staffel-Weltmeister Ronald Pognon aus Frankreich sowie den karibischen Sprintern Marc Burns und Daniel Bailey messen. „Vielleicht treiben oder ziehen sie mich zu einer schnellen Zeit“, hofft er. Der 22-Jährige hat seine Bestzeit gerade auf 10,19 Sekunden gesteigert. Das ist eine halbe Sekunde über dem Weltrekord, den Bolt in Peking lief.

Das WM-Finale in Berlin dürfte auch er nur mit der Staffel erreichen können, die am Sonntag mit ihm, Till Helmke, Alexander Kosenkow (Wattenscheid) und Martin Keller probt. Für sie sind zunächst die Briten der Maßstab. „Sie haben die besseren Einzelzeiten“, sagt Schwab. „Aber wir haben die bessere Staffelzeit. Das soll nach diesem und nach dem nächsten Wochenende immer noch so sein.“ Dann findet in Portugal die neue Mannschafts-Europameisterschaft statt.

Mehr als die Addition von vier Einzelläufen

Die Staffel sei nicht die Addition von vier Einzelläufen, sagt Mallow, sondern eine eigene Disziplin. Deshalb darf auch nur mitlaufen, wer eingespielt sei. „Die Optimierung der Wechsel ist eine Daueraufgabe“, sagt Mallow. „Um die Sicherheit zu erhalten, sollte man die Aufstellung über die Saison am besten beibehalten.“ Ausgerechnet Schwab kam deshalb im vergangenen Jahr nicht ins Team, weil er ein Trainingslager verpasste. Eine Prüfung in seiner Berufsausbildung als Verwaltungsfachmann hatte Vorrang. In diesem Jahr dürften die hochtalentierten Christian Blum und Julian Reuß, weil sie verletzt fehlten, zumindest ihren Staffeleinsätzen hinterherlaufen.

Er sehe keine Notwendigkeit, jemanden an einem Überflieger wie Bolt zu messen, sagt Mallow. „Ist doch was Tolles, schnellster deutscher Sprinter zu sein. Ich sage das ohne Ironie.“ Die Ergebnisse der Besten der Welt ständig als Maßstab anzulegen, das sei die Misere der Leichtathletik. Im Übrigen habe sich die Sprintstaffel der Männer mit 38,43 Sekunden auf 14 Hundertstelsekunden dem deutschen Rekord genähert. Für die Frauen seien die 41,37 (1985 von der DDR-Auswahl mit Marlies Göhr gelaufen) zum Glück ganz weit weg, sagte Mallow.

„Denn die Zeiten, in denen solche Ergebnisse möglich waren, wollen wir nicht wieder haben.“

Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 13. Juni 2009 

author: GRR

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