Für die 12. Leichtathletik-WM sieht sich Berlins Polizei gut aufgestellt. Nach Einschätzung der Sicherheitsorgane werden die Welttitelkämpfe der Leichtathleten friedlich und im Geiste sportlicher Fairness verlaufen.
Keine Terrorgefahr für Berlino und seine Gäste – Volker Schubert – Friedlich und im Geiste sportlicher Fairness
Vom 15. bis 25. August wird sich Deutschlands Sportmetropole Berlin ganz im Zeichen der Leichtathletik-WM präsentieren. Bei den Welttitelkämpfen werden rund 3.500 Athleten aus 213 Nationen im Olympiastadion und auf den innerstädtischen Geher- und Marathonstrecken in insgesamt 47 Disziplinen an den Start gehen.
Etwa 500.000 Zuschauer werden beim weltgrößten Sportereignis des Jahres live dabei sein und 3.500 Medienvertreter in über 190 Länder vom WM-Spektakel berichten. Und als Extra-Highlight zum sportlichen Mega-Event wird sich das “KulturStadion” am Brandenburger Tor auf dem Pariser Platz als internationaler Fan-Treff mit Partycharakter erweisen.
Folgt man der menschenverachtenden Logik international agierender Terrornetzwerke, wäre die Leichtathletik-WM ein Anschlagsziel ersten Ranges: so hätte eine gezündete Sprengstoffserie im voll besetzten Olympiastadion verheerende Folgen und wäre via Satellit zeitgleich im weltweiten Medienfocus präsent, wie Terrorismusexperten wissen.
Gelten doch große Menschenmengen für Terroristen lediglich als weiche Ziele, und nach einem Anschlag werde die hohe Medienpräsenz in Terrorumfeld als Demonstration eigener Stärke gewertet. Das Weltmeister-schaften wie Olympischen Spiele durch terroristische Anschläge überschattet sein können, ist spätestens seit den olympischen Sommerspielen von 1972 in München keine Fiktion mehr.
Keine konkreten Hinweise über geplante Anschläge
Vor den Hintergrund des jüngsten militärischen Bundeswehroffensive im Norden Afghanistans ist Deutschland in Sicherheitskreisen mittlerweile als potentielles Anschlagsziel islamistischer Terroristen eingestuft. „Das stimmt definitiv“, sagt Thomas Schnitzer, Leiter Stabsbereich Einsatz der Berliner Polizeidirektion 2. Seine Dienststelle ist örtlich für das gesamte Berliner Olympiagelände zuständig und bei der operativen Umsetzung des WM-Sicherheitskonzepts federführend. „Wir nehmen alle weltweit auftretenden sicherheitspolitisch relevanten Ereignisse sehr ernst“, so der 42-jährige Polizeidirektor, der den WM-Einsatz nun schon seit über einem Jahr bis ins Detail plant.
Dennoch, für die Zeit während der Leichtathletik-WM bestehe in der deutschen Hauptstadt keine konkrete Gefahr, die von politisch oder fundamentalistisch motivierten Gewalttaten ausgehe. Dies sei die aktuelle Lageeinsätzung aller Berliner Behörden mit Sicherheits- und Ordnungsaufgaben (BOS) und so, in enger Koordination mit Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst, nach umfassender Analyse gewonnen worden.
Berliner Polizei ist auf die Leichtathletik-WM gut vorbereitet
Hinsichtlich der reibungslosen Durchführung der „LWM“ – wie die Leichtathletik-WM im Polizeijargon abgekürzt wird – gibt sich Schnitzer zuversichtlich. „Für mögliche Großschadensereignisse sind die BOS gut präpariert“, sagt er. Zudem gäbe es extra eine „Führungsgruppe größere Schadensereignisse und Katastrophen“ ,die mit modernstem IT-basierten Führungsequipment ausgerüstet sei.
Weiterhin operiere die Polizei Berlin eng vernetzt mit Bundespolizei, Berliner Feuerwehr und Bundeswehr sowie zivilen Hilfsorganisationen, um die Sicherheit während der WM nahtlos zu gewährleisten. „Im Bereich des olympischen Schwimmstadions hat die Feuerwehr vorbeugend eine Dekontaminationsstelle eingerichtet“.
SICC, Polizeihubschrauber und Fahrradstaffel sorgen für Sicherheit
Sollte dennoch ein „Worst Case“ eintreten, reagiert beim Innensenator für Inneres umgehend das „Security Information and Coordination Center“ (SICC), in dem Polizei, Katastrophenschutz und Rettungsdienst sowie ein Lagezentrum solche Einsatzlagen engmaschig kooperierend managen kann. Ansonsten werde man während der gesamten WM mit angemessener Polizeistärke präsent sein, weitere Details wären aber geheim, so Polizeiführer Schnitzer. Neben landzentrierter Polizeipräsenz wird auch der Luftraum überwacht.
Dazu werden Polizeihubschrauber über dem Olympiastadion und den Geher- und Marathonstrecken kreisen. Bei den Marathonläufen und Geherwettbewerben wird sich die Polizei Berlin sportlich wie hoch flexibel präsentieren. Im Beisein hunderttausender laufbegeisterter Zuschauer wird eine einheitlich ausgestattete Fahrradstaffel ihre Einsatzpremiere feiern.
Vor Taschendieben wird gewarnt
Allerdings wird während der WM mit einem Anstieg von veranstaltungstypischen Straftaten zu rechnen sein. Dazu zählen vor allem Diebstahl, Raub, Gewerbe- und Arzneimitteldelikte sowie Betrug und Fälschungsdelikte. Auch darauf habe sich die Berliner Polizei gut vorbereitet: „Die Polizei wird mit einer Sondergruppe des Landeskriminalamts vor Ort sein“, so Schnitzer. Neben zivilen Beamten und erhöhtem Überwachungsdruck setzt man vor allem auf Prävention.
Zum Schutz vor Taschendieben und Trickbetrügern werden unformierte Beamte die WM-Zuschauer mit mehrsprachigen Flyern aufklären. Zusätzlich wird eine „Mobile Wache“ für Präsenz und Sicherheit sorgen. Und zur dienstlichen Vorbereitung auf den WM-Einsatz erhält jeder WM-nah eingesetzte Beamte ein spezielles Informationsblatt, das allgemeine wie sicherheitsspezifische Hinweise enthält.
Während die Polizei originär zur Gefahrenabwehr rund um das Berliner WM-Oval zuständig ist, geniest der WM-Veranstalter – das WM-Organisationskomitee BOC 2009 – zur Aufrechterhaltung der Sicherheit Hausrecht im Olympiastadion. Jeder Ticketinhaber ist als Käufer vertragsrechtlich verpflichtet, persönlich für den reibungslosen Ablauf der WM zu sorgen. „Dazu gehört das Vorzeigen der Eintrittskarte und sich vom Sicherheitsdienst durch Abtasten von Kleidung und Taschenkontrolle nach verbotenen Gegenständen kontrollieren zu lassen“, erklärt Cem Herder vom BOC.
Für die Sicherheit von Sportlern und Delegationen an den veranstalterseitigen Orten, sei ebenfalls ein privater Sicherheitsdienste beauftragt, der dafür beste Referenzen aufweise. Und für ein mögliches „Worst-Case-Szenario“ im Olympiastadion gäbe es ein Evakuierungskonzept, dessen Umsetzung alle Sicherheits- und Ordnungskräfte beherrschen würden, so Herder.
Polizei Berlin und BOC 2009 empfehlen „Öffentliche“
Während des WM-Zeitraums wird die Verkehrsbelastung in Berlin erheblich steigen. Zusätzlich zur erhöhten Verkehrsdichte durch die Ferienzeit, wird die hohe Zahl von Athletentransporten zwischen Unterkünften und Wettkampf- wie Trainingsstätten die Straßen ums Olympiastadion deutlich mehr frequentieren. BOC und Polizei Berlin empfehlen während der WM vorwiegend U- und S-Bahnen zu nutzen. „Das WM -Kombiticket ist gleichzeitig Fahrschein“, sagt Schnitzer und verweist auf die hohe Sicherheit beim U- und S-Bahnverkehr, weil „an allen Knotenpunkten verstärkt Bundespolizeibeamte patrouillieren“.
Wer allerdings nicht auf das Auto verzichten will, wird es während der WM die Premiere eines neu konzipierten Verkehrleitsystems erleben. Dies soll sich – entsprechend des Verkehraufkommens – günstig auf die Verkehrslenkung- und Parkplatzauslastung auswirken.
Friedlicher WM-Verlauf prognostiziert
Für die Gesamtveranstaltung prognostiziert Schnitzer einen friedlichen WM-Verlauf. Insgesamt sei das Großereignis in ein professionelles Sicherheitskonzept gebettet, das man mit Fingerspitzengefühl umsetze. Eine Polizeiveranstaltung wird die WM nicht. „Die Polizei will den öffentlichkeitsnahen Charakter des weltgrößten Sportereignisses nicht beeinträchtigen“. Ein entscheidendender Grund liege vor allem in der Soziostruktur des deutschen wie internationalen Publikums, dass sich kulturell wie intellektuell deutlich von aggressiven Fussballfans unterscheide. So sind in der Leichtathletikszene kriminelle Hooliganexesse ein Fremdwort.
Aus polizeilicher Sicht ist die Leichtathletik-WM nicht mit der FIFA-WM 2006 zu vergleichen. „Leichtathleten sind sportbegeistert und jubeln über die beste Leistung“, sagt Schnitzer, der sich für WM eine fröhliche und entspannte Atmosphäre wünscht. Wachsamkeit wird es aber bis zum Schuss geben: So orientiert sich der kriminalpolizeiliche Fokus stets an der Weltlage und konfliktbelasteten Personen in Berlin, „was beim Staatschutz zu hochaktuellen Sicherheitsbeurteilungen führe“.
Volker Schubert