Bereits um 10 Uhr hatte sich eine Kolonne von Autogrammjägern gebildet. Nur eine Stunde später durchquerten wartende Menschen bereits die ganze Halle
Usain Bolt begeistert die Fans im Zürcher HB – Die Leichtathletik-Stars sind bereit für die grosse WM-Revanche – Quotes von LoLo Jones, Kenenisa Bekele, Glen Mills, Isinbayeva, Bolt, Kamel
4000 bis 5000 Bolt-Fans drängten am Donnerstagmorgen in die Haupthalle des Hauptbahnhofs RailCity Zürich. Die Aussicht auf ein Autogramm des Superstars hatte sie angezogen.
Bereits um 10 Uhr hatte sich eine Kolonne von Autogrammjägern gebildet. Nur eine Stunde später durchquerten wartende Menschen bereits die ganze Halle. Als um 11.35 die Absperrbänder gelöst wurden stürmte die Masse Richtung Bühne los. Die Vordersten hätten sich bei ihrem Sprint beinahe mit ihrem Vorbild messen können. Der Star kam pünktlich eine halbe Stunde später. Usain Bolt wurde in der schwarzen Mercedes-Limousine direkt vor die Bühne gefahren, wo er die Masse fast ungläubig registrierte und beeindruckt in die Hände klatschte. "Das sind ja gewaltig viele Leute“, sagte er beim Blick über die Menschenmenge, die gedrängt beieinander stand.
Die Kreativität der Autogrammjäger kannte kaum Grenzen. Mit neuen Schuhen, mit Shirts, mit Fotos und Statuen standen sie im Gedränge. Sogar ein selbstgemaltes Bild wartete darauf, signiert zu werden. Die einen Leute warteten geduldig auf ihr Souvenir, andere wagten nebenan das Laufduell gegen die in Weltrekord-Tempo dahin gleitende Bolt-Puppe.
Schliesslich setzte Bolt vor seinem Abgang noch einen akustischen Farbtupfer. Auf den bereitgestellten Plattentellern liess der Hobby-DJ mit seinen Lieblingsinterpreten einen beeindruckenden Sound durch die Bahnhofshalle dröhnen und brachte die Masse noch mehr ins Schwitzen.
Die Leichtathletik-Stars sind bereit für die grosse WM-Revanche
Im ausverkauften Letzigrund-Stadion kommt es morgen Freitag vor 26 000 Zuschauern in 16 Disziplinen zur grossen WM-Revanche. 4 Weltrekordhalter, 16 Weltmeister von Berlin und 14 Olympiasieger von Peking sind neben vielen weiteren Medaillengewinnern am Start.
„Die Weltklasse-Athletinnen und Athleten sind gesund und erholt. Einem grossen Leichtathletik-Abend steht morgen nichts im Weg“, freut sich Meetingdirektor Patrick Magyar, der auf gutes Wetter hoffen darf. Fünf Tage nach dem Ende der Weltmeisterschaften präsentieren sich nicht nur 16 Einzel-Weltmeister (und 8 weitere Staffel-Weltmeister) im ausverkauften Letzigrund. Neben den Gold-medaillengewinnern sind auch viele Athletinnen und Athleten nach Zürich gereist, die nach den Weltmeisterschaften etwas gut zu machen haben. Das Aufeinandertreffen von Champions und Herausforderern verspricht spannende Wettkämpfe auf höchstem Niveau.
Jede Disziplin ein Highlight
Es ist die Philosophie der Veranstalter, nicht nur auf einen oder zwei klingende Namen zu setzen, sondern auf Startfelder mit einer möglichst grossen Leistungsdichte. „Dadurch ist jede Entscheidung bei Weltklasse Zürich ein Leckerbissen“, sagt Patrick Magyar.
Selbstverständlich sind auch morgen die Topstars der Szene am Start. Die Weltrekordhalter Usain Bolt (100 m/JAM), Kenenisa Bekele (5000 m/ETH) und Yelena Isinbayeva (Stab/RUS) starten in ihrer Paradedisziplin, 3000-m-Steeple Weltrekordhalterin Gulnara Galkina (RUS) läuft über 1500 m.
Usain Bolt bereit für weitere Taten
Usain Bolt, der sich in Zürich seit seiner Ankunft gut von den WM-Strapazen erholt hat, tritt unter anderem gegen den früheren Weltrekordhalter Asafa Powell (JAM) an. Ob Bolt mit Jamaika auch in der Zürich Trophy, der 4×100-m-Staffel zum Abschluss des Meetings antritt, wird er erst nach dem 100-m-Lauf entscheiden. Während die Jamaikaner an grossen Meisterschaften die US-Boys als dominierende Sprint-Mannschaft abgelöst haben, gewannen die Sprinter in Zürich aus den USA die ersten beiden Austragungen des höchstdotierten Staffelrennens der Welt.
Isinbayeva auf Wiedergutmachung
Anders als bei Bolt ist die Ausgangslage bei Yelena Isinbayeva, die wie Bolt bei den Männern, zur Weltsportlerin des Jahres 2008 gekürt wurde. Nach ihrem „salto nullo“ von Berlin tritt die russische Stab-Queen in der ungewohnten Rolle einer Herausforderin an. Sie will gegen die sechs Ersten der Weltmeisterschaft zeigen, wer die Chefin im Feld der Stabhochspringerinnen ist.
Noch vier Athleten im Rennen um den Golden League Jackpot
Isinbayeva gehört zu den vier Athletinnen und Athleten, die sich noch im Rennen um den Golden League Jackpot befinden. Neben der Russin können auch noch 100-m-Sprinterin Kerron Stewart (JAM), 400-m-Läuferin Sanya Richards (USA) und Langstrecken-Star Kenenisa Bekele am Jackpot von einer Million US-Dollar partizipieren. Richards strebt in Zürich nach ihrem ersten Einzeltitel an einer grossen Meisterschaft bereits den fünften Sieg im Letzigrund an.
Stewart ist in der Golden League zwar noch ungeschlagen, musste sich zuletzt aber an der WM knapp ihrer Landsfrau und Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser geschlagen geben. Nur wenn sie bei ihrem ersten Auftritt in Zürich gewinnt, bleibt sie im Rennen um den Jackpot. Bekele, seit dem 28. Juli 2006 in seinen Spezialdisziplinen ungeschlagen, braucht noch die Siege in Zürich und Brüssel, um sein eindrückliches Palmarès mit dem ersten Gewinn des prestigeträchtigen Golden League Jackpots zu erweitern.
Viele spannende Wettkämpfe
In sehr vielen Disziplinen ist die Ausgangslage äusserst spannend und offen. So können sich über 100 m Hürden der Frauen gleich fünf Athletinnen berechtigte Hoffnungen auf den Zürich-Sieg machen. Neben den drei Erstklassierten von Berlin mit Weltmeisterin Brigitte Foster-Hylton (JAM), Priscilla Lopes-Schliep (CAN) und Delloreen Ennis-London (JAM) gehören auch Olympiasiegerin Dawn Harper (USA) und die Vorjahressiegerin und Jahresweltbeste LoLo Jones (USA) zu den Favoritinnen. Im Hürdensprint der Männer wollen sich die an der WM um Haaresbreite geschlagenen Terrence Trammell (USA) und David Payne (USA) beim Überraschungs-Weltmeister Ryan Braithwaite (BAR) revanchieren.
Im Hochsprung kommt es zu einem weiteren Duell zwischen Weltmeisterin Blanka Vlasic (CRO) und der Saisonbesten Ariane Friedrich (GER). Die WM-Zweite Anna Chicherova (RUS) könnte erneut die Rolle der Spielverderberin einnehmen. Ein grosses Leichtathletik-Duell findet auch über 400 m der Männer seine Fortsetzung: Jeremy Wariner (USA) will sich, wie vor einem Jahr nach Peking, für die deutliche WM-Niederlage gegen LaShawn Merritt (USA) revanchieren. Mit Kerron Clement (USA) und Angelo Taylor (USA) sind auch der Weltmeister und Olympiasieger über die Langhürden über die flache Stadionrunde am Start.
Die Mittel- und Langstrecken haben in den letzten beiden Jahren in Zürich unter den Anreisebedingungen von den Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele aus Asien gelitten. „Dieses Jahr ist das ganz anders“, findet Athletenverpflichterin Bettina Borner. „Die Athleten befinden sich in Topform und haben von uns verlangt, dass wir möglichst schnelle Rennen organisieren.“
Über 800 m kommt es Weltmeister Mbulaeni Mulaudzi (RSA) mit fünf WM-Finalisten zu tun, die alle in diesem Jahr bereits schneller gelaufen sind als er selber. 1500-m-Weltmeister Yusuf Saad Kamel (BRN) trifft mit dem Jahresbesten Augustine Kiprono Choge (KEN) und Olympiasieger Asbel Kiprop (KEN) auf zwei ganz starke Herausforderer. Bei den Frauen strebt die in der Schweiz lebende Weltmeisterin Maryam Jamal ihren dritten „Heimsieg“ in Zürich an.
Die besten kenianischen Steeple-Spezialisten, mit Weltmeister Ezekiel Kemboi, Olympiasieger Brimin Ki pruto und Vorjahressieger Paul Kipsiele Koech treten gegen den französischen Europarekordhalter und WM-Dritten Bouabdellah Tahri an. Tahri, der in Berlin seinen Europarekord auf 8:01,18 gesenkt hat, könnte als erster Europäer die magische 8-Minuten-Marke durchbrechen. Und das 14 Jahre nachdem Moses Kiptanui dies in Zürich als erster Mensch überhaupt geschafft hat.
Die Staffel, Heinz Frei und Edith Hunkeler als Schweizer Höhepunkte
Schweizer Teilnehmer im Hauptfeld sind Stabhochsprung Schweizer Rekordhalterin Nicole Büchler sowie die 4×100-m-Staffel der Männer. Wegen einer Meniskusverletzung musste Speerwerfer Stefan Müller forfait erklären. Saisonentdeckung Lisa Urech (100 m Hürden) wird das Schweizer U23-Team bei der Nations’ Challenge, dem Ländervergleich im Vorprogramm von Weltklasse Zürich, anführen. Marco Cribari, 21. an der WM über 200 m, wird im Team des Kantons Zürich die halbe Bahnrunde bestreiten.
Ein besonderer Höhepunkt wird kurz nach 22 Uhr stattfinden, wenn Rollstuhlfahrer Heinz Frei zu seinem letzten Bahnrennen antreten wird. Der charismatische Champion und 14-fache Paralympic-Sieger wird dabei über 3000 m nicht nur gegen einige der besten Männer der Welt antreten, sondern auch gegen ein starkes Frauenfeld, welches in einem Handicap-Rennen 2600 m zurücklegen wird. Mit dabei natürlich Edith Hunkeler, die so zu ihrem ersten Auftritt bei Weltklasse Zürich kommt.
Weltklasse Zürich: Quotes von LoLo Jones, Kenenisa Bekele und Glen Mills
LoLo Jones, 100 m Hürden:
"Ich bin froh wieder auf die Bahn zurückzukehren. Von der WM am Fernsehen zu kommentieren war sehr anstrengend, denn ich bin nicht gewohnt 5 Stunden zu stehen. Aber ich habe nach meiner Verletzung vor der WM einen guten Rennrhythmus gehabt und brauchte eine Erholungspause. Nun fühle ich mich wieder bereit für die Rennen."
Kenenisa Bekele, 5000 m:
"Ich bin immer noch in sehr guter Verfassung. Falls das Wetter hier in Zürich bis am Freitag gut bleibt, will ich auf jeden Fall eine gute Zeit laufen. Nachdem ich meine Pläne in Berlin geändert und das Double realisiert habe, wird der Weltrekord schwer zu schlagen sein. Vielleicht versuche ich es trotzdem."
Glen Mills, Trainer von Usain Bolt
"Es ist angesichts seiner Leistungen sicher schwer, Usain nicht als 100-m-Läufer zu bezeichnen, aber mit seinem Stil könnte er auch gewaltige 400-m-Zeiten laufen. Über 300 m läuft er schon jetzt ohne Konkurrenz 31 Sekunden.
Wir nehmen das Kommando des Starters als eine Art Hypnose für Usain. Nach dem Auf-die-Plätze wird der ganze Ablauf nur noch von Automatismen gesteuert."
Weltklasse Zürich: Quotes Isinbayeva, Bolt, Kamel
Usain Bolt:
Am Montag haben sie bei einem Puma-Event in Berlin wegen des Andrangs eine Strasse gesperrt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ausserhalb des Stadions so viele Leute anziehe. Der Event am Bahnhof in Zürich war eine weitere Steigerung.
Zürich ist wirklich verblüffend. Morgen werden wir Athleten mit einem speziellen Tram vom Hotel ins Stadion gefahren. Ich freue mich darauf, denn so etwas habe ich noch nie erlebt.
Die WM in Berlin hat mich stark gefordert. Ich hatte viele Starts und viel mit den Medien zu tun. Diese Woche habe ich mich vor allem ausgeruht. Es wird ein gutes, schnelles Rennen geben, aber ich denke für Freitag nicht an den Weltrekord. Die WM hat mich zu viel Energie gekostet.
Yussef Saad Kamel:
Ich war vor der WM praktisch einen Monat lang praktisch eingeschlossen. Mein Coach hat gesagt, ich müsse trainieren und ruhen, und nahm m ir mein Telefon weg. Nur am Sonntag durfte ich es kurz benutzen.
Die 1500-m-Distanz ist eine Super-Disziplin. In dieser Saison bin ich nach nur 3 Wochen richtigem Training eine persönliche Bestleistung gelaufen. Mein Traum ist der Weltrekord. Wenn ich ein ganzes Jahr ohne Unterbruch trainieren kann, sollte dies möglich sein.
Ich glaube ich kann bereits 3.28 oder 3.29 laufen und will mit meinem Coach in diese Richtung arbeiten. Am Freitag in Zürich wird eine solche Zeit wohl noch nicht möglich sein, denn ich fühle mich noch nicht ganz frisch von der WM. Zumindest eine neue persönliche Bestleistung will ich aber erzielen.
Yelena Isinbayeva:
Mir fiel mit der WM-Niederlage auch ein Stein vom Herzen. Die Niederlage hat meine Prioritäten verschoben, jetzt weiss ich, dass ich wieder von vorne beginnen muss.
Der grosse Abstand zur Konkurrenz kann für jeden Topstar zum S tolperstein werden. 20 Zentimeter Differenz geben einem die Sicherheit, dass es immer reicht. Da wird man fahrlässig. Ich wünsche Usain Bolt, dass er konzentriert bleibt.
Janine Geigele
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