Es wird bestimmt rührselig, Steffi Nerius tritt als Weltmeisterin von Berlin ab. Ihr WM-Sieg vor 30 000 begeisterten Menschen ist unübertroffen. „Es war der Wettkampf meines Lebens“, sagt sie.
Der letzte Wurf – Die aktuelle Weltmeisterin Steffi Nerius beendet heute in Elstal ihre Karriere. Frank Bachner im Tagesspiegel
Das Stirnband hatte sie natürlich schon am Freitag fertiggestellt. Steffi Nerius trägt ja immer Stirnbänder mit Botschaften bei wichtigen Wettkämpfen. Heute, in Elstal, beim DKB-Cup im Olympischen Dorf von 1936 (10 Uhr), steht auf der Vorderseite: „Finale! Ich will Euch hören!!!“ Dann, wahrscheinlich nach dem letzten Versuch, wird sie es umdrehen, das Band. Die letzte Botschaft der Steffi Nerius wird dann lauten: „Steffi sagt danke und tschüss.“
Tschüss, endgültig. Die Speerwerferin Steffi Nerius tritt ab, mit allen Emotionen. Offiziell wird sie noch in Thessaloniki werfen, beim Grand-Prix-Finale in einer Woche, aber das ist eher Statistik. „Mein echter Abschied wird in Elstal stattfinden“, sagt sie. Und ob sie überhaupt noch ihren letzten Versuch absolviert, „das weiß ich noch gar nicht“. Es hängt alles von der Atmosphäre ab. Wenn’s zu rührselig wird, eher nicht.
Es wird bestimmt rührselig, Steffi Nerius tritt als Weltmeisterin von Berlin ab. Ihr WM-Sieg vor 30 000 begeisterten Menschen ist unübertroffen. „Es war der Wettkampf meines Lebens“, sagt sie.
Aber Steffi Nerius hat ihrem Trainer Helge Zöllkau vor kurzem auch noch gesagt: „Ich bin froh, wenn alles vorbei ist.“ Am Montag war sie schon wieder im Krankenhaus, im Rücken hatte sie wieder diese Schmerzen, die sie so gut kennt. Eigentlich wollte sie im Training bloß ein paar Sprünge machen, aber schon das ging nicht mehr. Denn ihr Körper signalisierte ihr schon lange die Botschaft: „2009 ist das letzte Jahr, es geht nicht mehr.“
Sie hatte ihre ganze Kraft zusammengenommen, sie hatte 2009 so hart trainiert wie noch nie, sie stellte ständig Trainingsbestleistungen auf, und ihr Körper zog mit. Steffi Nerius sah das als Zeichen. Ihr Körper gab ihr noch die Chance zu einem letzten großen Jahr. „Fünf Sekunden lang“ hatte sie in dieser Zeit überlegt, ob sie vielleicht doch weitermachen könnte, ein Jahr noch, als 38-Jährige. Aber dann schüttelte sie schnell den Kopf. Völlig irreal, dieser Gedanke.
Wozu auch weitermachen? Sie hatte doch alles erreicht. Ihre Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Athen, „die war gefühlt für mich wie Gold“. Und mit dem Sieg bei der Europameisterschaft 2006, „da erfüllte sich ein Kindheitstraum“. Einmal auf dem Treppchen ganz oben stehen, bei einem internationalen Höhepunkt, das war der Traum der Steffi Nerius.
Es war einer der schönste Momente in ihrer Karriere. Und andere? Welche anderen Momente gab’s noch? Da sagt Steffi Nerius nach kurzem Nachdenken: „Monaco 1996.“ In Monaco hatte sie zwei Wochen nach den Olympischen Spielen in Atlanta geworfen. Der Speer segelte 69 Meter weit, sie hatte also das Potenzial für eine Goldmedaille in Atlanta gehabt. Aber in Atlanta hatte sie bloß Platz neun erreicht. „Wie blöd bist du eigentlich“, beschimpfte sie sich in dieser Sekunde. Aber das Glücksgefühl über die Weite überwog. „Es war ein sehr emotionaler Moment“, sagt sie.
Sie kennt andere Momente, die waren auch emotional. Aber da hätte Steffi Nerius am liebsten hemmungslos geheult. Als sie 2001 am Ellenbogen verletzt war, als sie ihrem Trainer mit tränenerstickter Stimme sagte: „Wenn das nicht besser wird, höre ich nächstes Jahr auf.“ Oder eine Woche vor der WM in Berlin, als sie wegen eines Hexenschusses solche Schmerzen hatte, dass sie um ihren WM-Start fürchtete.
Das sportliche Leben der Steffi Nerius ist eine ständige psychische und physische Achterbahnfahrt gewesen. Andererseits hat sie das auch robust gemacht. Sie verlangt viel von sich, sie verlangt viel von anderen. Nach ihrem Silber in Athen hatte sie junge, verweichlichte Athleten im deutschen Team kritisiert. Und die Trainerin Nerius fordert sehr deutlich Disziplin ein. Bei Bayer Leverkusen betreut sie seit Jahren Behindertensportler. Als mal ein Athlet zu spät ins Training kam, durfte er gleich mal drei Strafrunden drehen.
Ab 1. November gibt sie das Training hauptamtlich. Es wird ein fließender Übergang vom Sport in den Beruf sein. Nerius hatte schon zwischen 1998 und 2002 mit ambulanten Reha-Patienten trainiert. Sie hat Sport studiert, Schwerpunkt Reha- und Behindertensport. Aber die Patienten damals erfüllten nicht ihre Ansprüche an effektives Training.
Vollkommen fließend wird dieser Übergang natürlich nicht sein. Steffi Nerius’ Eltern haben ihren WM-Wettkampf von Berlin auf einer DVD aufgezeichnet. Steffi Nerius wird sich ihre Würfe in nächster Zeit „noch oft anschauen“. Und sie wird dann weinen. Das weiß sie jetzt schon. Denn einmal hatte sie ihren entscheidenden ersten Versuch zu Hause bereits angeschaut.
„Da hatte ich schon vor dem Wurf Tränen in den Augen“, sagt sie. „Obwohl ich doch wusste, was gleich kommt.“
Frank Bachner im Tagesspiegel, Sonntag, dem 6. September 2009
Steffi Nerius
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Deutschland | ||
Olympische Spiele | ||
Silber | 2004 Athen | 64,84 m |
Weltmeisterschaften | ||
Bronze | 2003 Paris | 62,70 m |
Bronze | 2005 Helsinki | 65,96 m |
Bronze | 2007 Ōsaka | 64,42 m |
Gold | 2009 Berlin | 67,30 m |
Europameisterschaft | ||
Silber | 2002 München | 64,09 m |
Gold | 2006 Göteborg | 65,82 m |
Steffi Nerius (* 1. Juli 1972 in Bergen auf Rügen) ist eine deutsche Speerwerferin und amtierende Europa- und Weltmeisterin.
Karriere
Nerius begann als Volleyballerin und wurde in der DDR mit der Mannschaft von Dynamo Saßnitz DDR-Schülermeisterin. Weil sie zu klein für eine Volleyballkarriere war, wurde sie zur Leichtathletik geschickt. Das Speerwerfen hatte ihr die Mutter, selbst eine ehemalige Speerwerferin und inzwischen Volleyball-Trainerin, beigebracht.
1986 wurde Steffi Nerius auf die Kinder- und Jugendsportschule nach Rostock delegiert. 1987 wurde sie in der Altersklasse 14 Dritte der Kinder- und Jugendspartakiade der DDR, bei der letzten DDR-Meisterschaft 1990 kam sie auf den fünften Platz in der Erwachsenenklasse.
1991 gelang ihr der erste internationale Erfolg als Dritte der Junioren-Europameisterschaft. Im gleichen Jahr wechselte sie von Rostock, wo sich nach dem Ende der DDR die Bedingungen für die Leichtathleten verschlechtert hatten, nach Leverkusen.
Danach folgten Jahre der Stagnation, Verletzungen und Einbrüche bei internationalen Höhepunkten. Einziger großer Erfolg der 1990er Jahre blieb der Sieg beim Europacup-Finale 1995 (68,42 m).
Der Durchbruch zur Weltspitze gelang ihr bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney, wo sie mit einer Weite von 64,84 m Vierte wurde.
Nachdem sie seit den Europameisterschaften 2002 in München bei Großereignissen immer auf dem Podest stand (einzige deutsche Athletin, der dies gelungen ist), jedoch nie ganz oben, erfüllte sie sich am 13. August 2006 in Göteborg ihren langjährigen Traum und feierte mit dem Gewinn der Europameisterschaft ihren ersten großen Titel. Mit 65,82 m warf sie 18 cm weiter als die Tschechin Barbora Špotáková (65,64 m).
2008 wurde sie vom Deutschen Leichtathletik-Verband mit dem Rudolf-Harbig-Preis ausgezeichnet. Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin holte sie zum Abschluss ihrer Karriere die Goldmedaille mit einer Weite von 67,30 m.
Ihre persönliche Bestleistung beträgt 68,34 m und mit dem sog. alten Speer 69,42 m.
Erfolge bei internationalen Höhepunkten
- 2000: Olympische Spiele: Platz 4 (64,84 m)
- 2001: Weltmeisterschaft: Platz 5 (62,08 m)
- 2002: Europameisterschaft: Platz 2 (64,09 m)
- 2003: Weltmeisterschaft: Platz 3 (62,70 m)
- 2004: Olympische Spiele: Platz 2 (64,84 m)
- 2005: Weltmeisterschaft: Platz 3 (65,96 m)
- 2006: Europameisterschaft: Platz 1 (65,82 m)
- 2007: Weltmeisterschaft: Platz 3 (64,42 m)
- 2008: Olympische Spiele: Platz 5 (65,29 m)
- 2009: Weltmeisterschaft: Platz 1 (67,30 m)
Persönliches
Sie erwarb ihre leichtathletischen Grundlagen bis 1986 bei der SG Empor Saßnitz unter dem Trainer Günter Piniak. Von 1987 bis 1991 startete sie für den SC Empor Rostock, danach für den TSV Bayer 04 Leverkusen. Sie trainierte bei Rudi Hars (gest. 1996), später bei Helge Zöllkau. Sie ist 1,78 m groß und wiegt 72 kg.
Steffi Nerius hat einen Abschluss als Diplom-Sportlehrerin und arbeitet bei ihrem Klub im Behindertensport. 2004 betreute sie zwei Sportler bei den Olympischen Spielen für Behinderte, den Paralympics in Athen.
Quelle: IAAF
Nerius Steffi GER
Sex | Weight | Height | Date of Birth | Place of birth |
---|---|---|---|---|
W | 63.00 | 1.78 | 01/07/1972 | Bergen auf Rügen |
Information |
---|
National Championships: 2003-2006 (1st, Javelin Throw) Personal Best with the old javelin: 69.42 (1996) |
Personal Best – Outdoor | ||||
Performance | Wind | Place | Date | |
---|---|---|---|---|
Javelin Throw | 68.34 | Elstal | 31/08/2008 |
Progression – Outdoor | |||||
Season | Performance | Wind | Place | Date | |
---|---|---|---|---|---|
Javelin Throw | 2009 | 67.30 | Berlin | 18/08/2009 | |
2008 | 68.34 | Elstal | 31/08/2008 | ||
2007 | 65.78 | Cottbus | 20/06/2007 | ||
2006 | 65.82 | Göteborg | 13/08/2006 | ||
2005 | 66.52 | Helsinki | 12/08/2005 | ||
2004 | 65.82 | Athína (Olympic Stadium) | 27/08/2004 | ||
2003 | 64.42 | Ulm | 28/06/2003 | ||
2002 | 64.55 | Leverkusen | 27/07/2002 | ||
2001 | 63.72 | Regensburg | 16/06/2001 | ||
2000 | 65.76 | Sydney | 29/09/2000 | ||
1999 | 61.56 | Linz | 26/07/1999 |
Honours | |||||||
Rank | Performance | Wind | Place | Date | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Javelin Throw | |||||||
12th IAAF World Championships in Athletics | 1 | f | 67.30 | Berlin | 18/08/2009 | ||
6th IAAF/VTB Bank World Athletics Final | 3 | f | 62.78 | Stuttgart | 13/09/2008 | ||
The XXIX Olympic Games | 5 | f | 65.29 | Beijing (National Stadium) | 21/08/2008 | ||
5th IAAF World Athletics Final | 2 | f | 64.90 | Stuttgart | 22/09/2007 | ||
11th IAAF World Championships in Athletics | 3 | f | 64.42 | Osaka | 31/08/2007 | ||
7th European Cup Winter Throwing | 1 | c | 63.14 | Yalta | 17/03/2007 | ||
10th IAAF World Cup | 1 | f | 63.37 | Athína (Olympic Stadium) | 16/09/2006 | ||
4th IAAF World Athletics Final | 2 | f | 65.06 | Stuttgart | 09/09/2006 | ||
19th European Athletics Championships | 1 | f | 65.82 | Göteborg | 13/08/2006 | ||
3rd IAAF World Athletics Final | 2 | f | 66.35 | Monaco | 09/09/2005 | ||
10th IAAF World Championships in Athletics | 3 | f | 65.96 | Helsinki | 14/08/2005 | ||
SPAR European Cup | 1 | f | 64.59 | Firenze | 18/06/2005 | ||
5th European Winter Throwing Cup | 1 | c | 61.01 | Mersin | 13/03/2005 | ||
2nd IAAF World Athletics Final | 3 | f | 61.16 | Monaco | 18/09/2004 | ||
28th Olympic Games | 2 | f | 65.82 | Athína (Olympic Stadium) | 27/08/2004 | ||
1st IAAF World Athletics Final | 2 | f | 64.25 | Monaco | 13/09/2003 | ||
9th IAAF World Championships in Athletics | 3 | f | 62.70 | Paris Saint-Denis | 30/08/2003 | ||
SPAR European Cup | 1 | f | 63.30 | Firenze | 21/06/2003 | ||
9th IAAF World Cup in Athletics | 4 | f | 57.81 | Madrid | 20/09/2002 | ||
18th IAAF Grand Prix Final | 4 | f | 62.01 | Paris (Chárlety) | 14/09/2002 | ||
18th European Championships in Athletics | 2 | f | 64.09 | München | 08/08/2002 | ||
8th IAAF World Championships | 5 | f | 62.08 | Edmonton | 06/08/2001 | ||
IAAF Grand Prix Final | 5 | f | 62.84 | Doha | 05/10/2000 | ||
27th Olympic Games | 4 | f | 64.84 | Sydney | 30/09/2000 | ||
7th IAAF World Championships in Athletics | 12 | q | 58.43 | Sevilla | 26/08/1999 | ||
IAAF Golden League/Grand Prix Final | 8 | f | 61.78 | Moskva | 05/09/1998 | ||
5th IAAF World Championships in Athletics | 11 | f | 56.50 | Göteborg | 08/08/1995 | ||
4th IAAF World Championships in Athletics | 9 | f | 60.26 | Stuttgart | 22/08/1993 | ||
6th IAAF World Cup in Athletics | 6 | f | 56.24 | La Habana | 25/09/1992 |