Am 24. Oktober 2004 ist Fred im Krankenhaus Neukölln nach langer Krankheit gestorben. Unser Mitgefühl gilt seinen Familienangehörigen, die ihn in den letzten Jahren liebevoll und mit viel Kraft gepflegt haben.
„Laufen lernt man durch Laufen“ – Ein Nachruf auf Fred Behrnsen – Thomas Völzke
Wir veröffentlichen im folgenden den Nachruf auf Fred Behrnsen von Thomas Völzke, dem Vorsitzenden der Leichtathletikabteilung der Neuköllner Sportfreunde (NSF).
Fred Behrnsen gehörte praktisch jahrzehntelang zum Urgestein der Berliner Leichathletikszene (West) – wo Leichtathletik „passierte“, da stand auch Fred Behrnsen mit seiner erfolgreichen Truppe von NSF.
Von den 100 Jahren des Berliner Leichtathletik-Verbandes war er fast bei der Hälfte dabei – im kleineren und größeren Rahmen.
Mit seinem Tod geht wieder eine Trainer-Ära zu Ende mit einem bekannten Namen, der zusammen in einem Atemzug mit den Berliner Trainerlegenden wie Ernstl Weber (PSV), Hermann Schlöske (SC Brandenburg) oder Arthur Lemcke (SCC) genannt werden muß. Diese Namen bestimmten jahrzehntelang die Läuferszene im lokalen, nationalen, als auch internationalen Rahmen.
Es waren alles meist eigenwillige und auf ihr Ziel – nämlich Leistung und Einsatz zu bringen – ausgerichtete Männer, die auch für ihre Athleten durchs Feuer gingen – ohne auf die „Uhr zu sehen“ – auf die Stoppuhr dafür aber schon sehr viel genauer.
Die "läuferischen" Aushängeschilder von Fred Behrnsen waren Ingo Sensburg und Kerstin Pressler – beides Läufer, die auch sehr erfolgreich bei den Veranstaltungen von SCC-RUNNING vorne weg liefen.
Der Tod von Fred Behrnsen ist ein großer Verlust für seine Athleten, seinen Verein und die Berliner Leichtathletik.
Horst Milde
Ehrenmitglied Behrnsen ist gestorben
Am 10. Dezember 2004 wäre Fred 50 Jahre im unserem Verein gewesen. Die Auszeichnung als Ehrenmitglied der Neuköllner Sportfreunde hatte er aufgrund seiner Verdienste für den Verein bereits 1994 erhalten. Und es war nicht nur eine Anerkennung des Hauptvereins für sein Wirken im Verein, sondern auch um das Wissen für sein Engagement in der Leichtathletik in Berlin und in Deutschland sowie die umfassende Betreuung seiner Athleten. Doch nicht nur in unserem Verein fand Fred seine Würdigung, sondern auch im Bezirk Neukölln, beim Berliner Leichtathletik-Verband und vom Landessportbund Berlin.
Am 24. Oktober 2004 ist Fred im Krankenhaus Neukölln nach langer Krankheit gestorben. Unser Mitgefühl gilt seinen Familienangehörigen, die ihn in den letzten Jahren liebevoll und mit viel Kraft gepflegt haben.
Mit Fred geht mir eine Situation aus dem Stadion Britz-Süd nicht aus dem Sinn. An einem recht kalten Frühlingstag vor ca. 10 Jahren goss es aus allen Kübeln, und nur zwei Läufer unseres Vereins zogen auf der Bahn ihre Runden. Und neben der Laufbahn stand der Trainer Fred Behrnsen, gleichfalls klatschnass bis auf die Haut und betreute seine Sportler. Und wer Fred kannte, wusste, dass das der Normalfall war. Bei welchem Wetter auch immer, er blieb für seine Sportler bis zum Schluss. Daher war diese Szene symptomatisch für sein Vereinsdasein und für seine Grundeinstellung zu seinen Sportlern.
Und oft folgte das nachträgliche Gespräch in einer Kneipe oder Pizzeria.
Die Trainertätigkeit
Fred kam 1954 als Langstreckenläufer zu NSF. Er wurde schon bald Betreuer der Jugend und wuchs so nach und nach in weitere Funktionen der Leichtathletikabteilung hinein. Ab Mitte der sechziger Jahre war Fred „spiritus rector“, indem er nacheinander oder auch in Personalunion Trainer, Sportwart, Abteilungsvorsitzender, Kassierer, Verantwortlicher für unsere Sportveranstaltungen und Pressewart war. Vor allem war er durchweg als Geldbeschaffer für die Abteilung tätig. Und ich gestehe, dass ich zu Zeiten der Berliner Insellage, als die Subventionstöpfe gut gefüllt waren, aus dem Staunen nicht herauskam, mit welch kreativer Gestaltung der Abrechnungen er für ein Plus in der Vereinskasse sorgte.
Mit seinem Einsatz kamen auch die Erfolge insbesondere in der Szene der Langstreckenläufer. NSF wurde zu einer Größe nicht nur in Berlin, sondern auch in Deutschland. Sein herausragender Athlet war natürlich Ingo Sensburg.
In dessen Folge kamen Läufer wie Michael Weiß, Jens Wollenberg, Hans-Jürgen Rose, Klaus Rathjen, Wilfried Jackisch, Günther Kuschka und Horst Wegener zu uns. Hier zur Verdeutlichung des Leistungsvermögens der Läufer die 25 km-Zeiten von 1978 bei der Deutschen Meisterschaft in Frankenberg: Sensburg: 1:16.17 Std., Wegner: 1:17.01 Std., Rathjen: 1:20.20 Std. Viele Vereine, die heute drei Läufer mit diesen Zeiten über die 21 km-Distanz hätten, würden sich schon glücklich schätzen!
Mit Fred als Trainer gab es unzählig viele Titel bei den Berliner und Norddeutschen Meisterschaften und Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften. Wo NSF mit Behrnsen im Langstreckenlauf war, war vorne. Wer kennt da noch weitere Namen wie Wurl, Ladewig, Stanske, Steinmann, Wilcke, Fried, Breyer, Knoll, Braun, Ziege, Dupke, Langhans, Briegert, Taplick, Matzke, Markowiak, Hoedt, Schaetzle usw.?
Fred nahm sich auch der Nachwuchstalente Samir Azzawi, Olaf Baumgart und Axel Westermann an und erreichte auch mit ihnen Deutsche Jugendmeisterschaften (Olaf B.), Norddeutsche Meisterschaften und Berliner Meistertitel „bis zum Abwinken“.
Zu erwähnen ist weiter, dass er mit Matthias Schlicht auch einen Sprinter trainierte, der später als OSC-Mitglied Vizeeuropameister in der Halle über 60 m wurde. Und dann war da natürlich die Ausnahmeathletin Kerstin Pressler, die über viele Jahre Deutschlands beste Langstreckenläuferin war, an Olympischen Spielen (1988 in Seoul und 1992 in Barcelona), an einer Leichtathletikweltmeisterschaft (1987 in Rom; 10. Platz über 10.000 m in 31:52 min.) teilnahm und 1991 mit der Mannschaft Weltmeisterin im 15 km-Straßenlauf wurde.
Kerstin wurde auch Siegerin des BERLIN-MARATHON 1987 (2:31:22) und des sogenannten Franzosenlaufs über 25 km. In den neunziger Jahren kamen Athleten wie Thomas Lüdtke und Gerald Schulz zu uns, besser gesagt zu Fred. Mit Sicherheit habe ich einige Athleten hier nicht erwähnt, doch aufgrund der Vielzahl der Läufer, die von Fred trainiert wurden, wird eine abschließende Aufzählung nie möglich sein. Ach ja, einer fällt mir natürlich noch ein, der aber nicht zur jüngeren Generation zu rechnen ist. Reinhard Rohmann verdankt seine unzählig vielen Seniorentitel auch den Trainingsanweisungen von Fred.
Sportveranstaltungen, LG Süd und Freds Kritik
Hinzu kam Freds Einsatz für Sportfeste, wobei sein Hauptinteresse der Ausrichtung von Volksläufen galt. Ob es „Rund um die Rixdorfer Höhe“ ging, in die wir auch einige Male die Berliner Schülerwaldlaufmeisterschaften integrieren konnten, die „Sonnenalleemeile“, der „Lauf im Britzer Garten“, der „Halbmarathon durch den Britzer Garten“ mit Berliner Meisterschaft, der „Winterbahnlauf“ oder der „Silvesterlauf im Plänterwald“ war, stets war er mit hohem Einsatz dabei. Er wollte den Läufern stets attraktive Volksläufe mit familiärer Atmosphäre als Konkurrenz zu den Großveranstaltern bieten, was auch gelang.
NSF war vor über zwanzig Jahren Teil der LG Süd, und in dieser Gemeinschaft versuchte Fred die leistungsfähigsten Athleten zusammenzubringen. Dass diese „Mehrgemeinschaftsehe“ trotz vieler Erfolge nicht lange mit NSF hielt, lag sicher auch an Fred, mit dem sich die anderen Vereinsverantwortlichen der LG so herrlich streiten konnten.
Es wäre vermessen, hier zu behaupten, dass eine Zusammenarbeit mit Fred einfach war. In den letzten Jahren hat sich das Wort „Teamfähigkeit“ etabliert, und es gilt heute schon als vernichtend, wenn jemand als nicht teamfähig eingestuft wird. Es ist aber meine Grundüberzeugung, dass der wirklich kreative, hart arbeitende, beharrliche Mensch eher selten in ein Team gehört, da er dort mit seinen Vorstellungen und Leistungen eher negiert wird.
So hielt sich über viele Jahre der Spruch, dass es mit Fred einfach nicht geht, ohne ihn aber erst recht nicht. Ach, was gab es für Kontroversen in einem Tonfall von ihm, der schon als „leicht rustikal“ bezeichnet werden muss. Man musste halt mit seiner Kritik „am lebenden Objekt“ klarkommen. Fred stand aber rückhaltlos hinter jedem, der sich für den Sport, die Athleten und den Verein einsetzte. Und so war zu merken, dass er jedem doch viel Freiraum bot und mit menschlicher Nähe letztendlich Verlässlichkeit und Orientierung bot. Die eine oder andere Nörgelei oder Schimpftirade relativierte sich schnell, und so gelang es, mit ihm gut klarzukommen.
Sonstige Persönlichkeitsmerkmale
Aus dem bisher Geschriebenen ergibt sich, dass er nicht für das Blendwerk und die glänzende Rhetorik ohne ein verbindendes Fundament stand. Sprücheklopfer und Fensterredner waren ihm zuwider. Traf ich irgendwann einmal ehemalige Vereinsmitglieder oder Passivmitglieder, so war die Frage immer sofort, ob Fred noch Trainer sei und wenn ja, wie es ihm denn geht. Eine höhere Auszeichnung als Menschenfreund und Trainer kann man wohl kaum bekommen.
Seine Weitsicht offenbarte er kurz nach dem Fall der Mauer, als er bei aller Freude voraussagte, dass zwei völlig unterschiedlichen Sportsysteme aufeinander prallen und in dessen weiteren Verlauf das allgemeine Leistungsniveau fallen wird.
Aber nicht nur die Leistungs- und Wettkampfsportler waren in seinem Blickwinkel; er setzte sich dafür ein, dass NSF einen Lauftreff bekommt. Und dieser sollte zwar eigenständig sein, dennoch eine Verbindung zum Hauptverein haben.
Was war nun sein Geheimnis in der Betreuung seiner Athleten und in seinen Trainingsplänen? Gute Ergebnisse beim Wettkampf konnte man nur mit einem konsequenten Training erwarten. „Laufen lernst du nur durch das Laufen“ und „Es muss bei dir im Kopf stimmen“ waren seine Leitsprüche. Am liebsten waren ihm Temporunden auf der Bahn, denn hier konnte er exakt die Zeit seiner Läufer kontrollieren. Und einmal in der Woche sollte es schon ein langer, ruhiger Lauf sein, am besten im Wald.
Die Gesundheit ließ nach
In den letzten Jahren war Fred nicht mehr gesund. Unter anderem die Schlaganfälle zeigten ihre langfristigen Folgen. Es stimmte traurig, dass er, der sein Leben dem Sport gewidmet hatte, nun nicht mehr ohne Hilfe zum Sportplatz kommen konnte. Nach seinem letzten gesundheitlichen Rückschlag bemühte er sich, wieder zu sprechen. Sein Flüstern war nur noch schwer zu verstehen. Und oft ging sein Blicken ins Leere, was für uns schwer zu deuten war.
Zu seinem 70. Geburtstag kamen wir mit einigen „alten Recken“ im Hause Behrnsen zusammen und konnten drei frohe Stunden miteinander verbringen. Es beschlich uns aber schon die Ahnung, dass eine merkbare Verbesserung seines Gesundheitszustands nicht zu erwarten war. Kaum vorstellbar, dass er früher einmal „Der Dicke“ genannt wurde. Das Leiden nahm noch weitergehende Ausmaße an, lediglich mit Trost und Zuwendung gelindert von seiner Frau Ingrid, dem Sohn Uwe, Schwiegertochter Ines und Enkel Dennis.
Im Namen aller, die Fred im Laufe der Jahre kennen und schätzen gelernt haben, verabschiede ich mich an dieser Stelle von ihm. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann im Läuferhimmel wieder, wo es eine 400 m-Bahn gibt und Fred mit der Stoppuhr in der Hand in der gewohnt undiplomatischen Art uns zum Laufen bringt oder uns mit dem Fahrrad beim Lauf über 35 km begleitet.
Danke für die Zeit, den Rat, das Verständnis und das Wohlwollen.
Thomas Völzke
www.ltbg.de
www.nsf-leichtathletik.de