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24
09
2009

„Wir sehen uns als eine weltweite Veranstaltung“, rückt Mark Milde, der Renndirektor des real,- Berlin-Marathon, den Stellenwert des Berlin-Marathon zurecht, „die höchste Aufmerksamkeit auf allen Kontinenten geniest“.

Fehlt dem Berlin-Marathon tatsächlich die Anerkennung in Deutschland? – „Das Erste“ zeigt dem Marathon-Spektakel die rote Karte – Trachtenumzug beim Oktoberfest soll anstelle des Berlin-Marathon für höhere Einschaltquoten sorgen – Wilfried Raatz von „Leichtathletik“ sprach mit Rüdiger Otto und Mark Milde

By GRR 0

„Das Erste“ zeigt dem Marathon-Spektakel die rote Karte – Trachtenumzug beim Oktoberfest soll anstelle des Berlin-Marathon für höhere Einschaltquoten sorgen – „Leichtathletik“ sprach mit Rüdiger Otto und Mark Milde

Mit insgesamt 60.000 Teilnehmern, darunter 40 000 Läufern aus 122 Nationen, hat der real,- Berlin-Marathon einmal mehr unterstrichen, dass er zu den weltweit größten und begehrtesten Marathonläufen zählt. Der Weltverband der Straßenlauf-Veranstalter AIMS hat erst kürzlich den Berlin-Marathon nicht zuletzt durch die Weltrekordläufe von Tegla Loroupe, Naoko Takahashi, Ronaldo da Costa, Paul Tergat und Haile Gebrselassie mit dem Preis „Marathon of the Decade“ ausgezeichnet.

„20 Jahre grenzenlos laufen“, lautete das Motto der 36. Auflage des Berlin-Marathon und nahm damit Bezug zum denkwürdigen Marathon 1990, als 25 000 Läufer erstmals durch das Brandenburger Tor von West nach Ost liefen – ein Ereignis, das weltweit höchste Beachtung fand. Selbst die Väter des Berlin-Marathons konnten ahnen, dass aus einem kleinen Ereignis am Rande des Grunewalds in 35 Jahren ein Spektakel für Professionelle und in erster Linie für Freizeit- und Breitensportler mit weltweiter Aufmerksamkeit werden würde.

Eine Million Zuschauer am Streckenrand zwischen dem Brandenburger Tor, dem Wilden Eber und dem Kurfürstendamm sind heute eine Kulisse, die ihresgleichen sucht. 20.000 Deutsche haben dabei ebenso ein Heimspiel wie die 5000 Berliner.  

Vor diesem Hintergrund ist die „Rote Karte“ der ARD für die Live-Übertragung des real,- Berlin-Marathon 2009 ein Hohn. „Die Veranstalter haben es nicht geschafft, das Ereignis bundesweit populär zu machen!“ argumentierte Hans-Jürgen Pohmann, der Sportchef des für die Übertragung federführenden RBB.

Der Berlin-Marathon als regionale Veranstaltung? Mitnichten, denn nur wenige (Sport-)Veranstaltungen auf deutschem Boden verfügen über mehr Strahlkraft im In- und Ausland wie es dem Berlin-Marathon seit nunmehr zwei Jahrzehnten gelungen ist.

Stattdessen geht „Das Erste“ nun zum Zeitpunkt des Berliner Marathonspektakels mit einer Übertragung des „Trachten- und Schützenzug in München“, so die Programmankündigung, bundesweit auf Sendung. Ausschlaggebend für eine Absage gegenüber der „größten Eintages-Veranstaltung in Deutschland“, so Rüdiger Otto, der Geschäftsführer der SCC Running GmbH, sei die Einschaltquote. Auch hier hält das frühere Tennis-Ass Pohmann den Marathonmachern den Spiegel vor: „Im vergangenen Jahr hatten wir einen Weltrekord und den Sieg einer Deutschen, trotzdem haben nur 8 % zugeschaut“.

Ob der folkloristische Umzug zum Oktoberfest-Auftakt mehr Zuschauer zur Morgenstunde an die Fernsehapparate lockt, das ist allerdings mehr als fraglich. Die ARD-Programmgestalter haben eigens dafür sogar den angestammten Sendeplatz für die „Sendung mit der Maus“ verschoben. Ein Umstand, der bis vor einem Jahr als eine Unmöglichkeit gegolten hätte.  

„Wir sehen uns als eine weltweite Veranstaltung“, rückt Mark Milde, der Renndirektor des real,- Berlin-Marathon, den Stellenwert des Berlin-Marathon zurecht, „die höchste Aufmerksamkeit auf allen Kontinenten geniest“. Und erhält just in diesem Moment eine SMS, abgeschickt von Abel Kirui, dem Marathon-Weltmeister 2009, der in Kenia die Live-Übertragung aus Berlin mit der Jagd der Topfavoriten Haile Gebrselassie und Duncan Kibet nach dem Weltrekord verfolgt. „Dieser Zustand ist sehr unglücklich! Da muss sich etwas ändern!“ und verweist auf die zugegeben nicht unbedingt zufrieden stellende Einschaltquote des vergangenen Jahres. Da hatten die ARD-Programmdirektoren einen sicherlich durchaus sinnvollen Zusammenschnitt gesendet – allerdings von 13.15 bis 14.00 Uhr.

SCC Running-Chef Rüdiger Otto hält nach der roten Karte der ARD-Programmdirektoren die Luft an, ob und wie die wichtigen Sponsoren der Veranstaltung die Fernseh-Präsens bewerten. Der kleine RBB, ein sicherlich treuer medialer Begleiter seit vielen Jahren, lässt für sein Einzugsgebiet die Reporter Ralf Scholt und Herbert Steffny fünf Stunden lang plaudern. angereichert mit einer Mixtur eher belanglosen Einspielungen am Streckenrand. Ein Mix, der selbst für Hardcore-Läufer nur schwer zu verdauen ist. „Es wird seitens unserer Sponsoren erwartet, dass die ‚erste Liga’ der Sendeanstalten berichtet. Das ist Bestandteil der Verträge“.

Der real,- Berlin Marathon kann sich bei seinem 7-Millionen-Etat auf die Zuwendungen treuer Sponsoren derzeit noch verlassen, schließlich sind die Verträge mit real,- SB-Warenhaus GmbH, dem japanischen Pharmaunternehmen Takeda und dem Sport-Ausrüster Adidas langfristig angelegt. „Wir müssen allerdings Einbußen bei kleineren und mittleren Sponsoren hinnehmen. Angesichts der wirtschaftlichen Situation fragen sich natürlich einige, wie sie wahrgenommen werden“, gesteht Otto ein. Als Geschäftsführer muss er natürlich auch darauf achten, dass sein „mittelständisches Unternehmen“ mit 20 fest angestellten Mitarbeiten finanziell abgesichert ist. Arbeit jedenfalls hat die Event-GmbH mit zwanzig über das Jahr hinweg gestreute Veranstaltungen genug.
 
Mark Milde, Sohn des Begründers des Berlin-Marathons Horst Milde, hat es als Race-Direktor nicht leicht, alle Begehrlichkeiten der Topläufer unter einen Hut zu bringen. Schließlich wird der Berlin-Marathon an den Spitzenresultaten gemessen. „Es ist allerdings mit den Weltrekorden im Rücken leichter geworden, die absolute Weltspitze zu verpflichten. Haile Gebrselassie ist für Berlin ein absoluter Glücksfall!“ so Mark Milde, der seit 1999 mit großem Erfolg die Kontakte zu den weltbesten Marathonläufern hält.

Er gilt als der Garant für Weltklassezeiten am Fließband. Nicht zuletzt dank seines Fingerspitzengefühls ist Berlin eine überaus angesehene Adresse der World Marathon Majors, dem Grand Slam des Marathon. Das „Sahnehäubchen“, wie Geschäftsführer Otto zugibt, wenn Verhandlungen mit wichtigen Sponsoren oder dem Berliner Senat anstehen. Allerdings eine Auszeichnung ohne Wert, wenn man die subjektive Einschätzung der TV-Bosse dagegen stellt.    

Auch wenn der Berliner Halbmarathon mehr und mehr auch international an Bedeutung gewinnt, für Mark Milde ist die Marathondistanz eben die „Königsdisziplin“. Eine Halbmarathon-WM wäre gewiss für ihn interessant. „Wir veranstalten unseren Halbmarathon allerdings in der falschen Jahreszeit“, zuckt der Rekordmacher mit den Schultern. „Es würde uns schon einmal reichen, wenn die deutschen Meisterschaften über diese Strecke nicht immer auf unserem Termin liegen würden, damit wir die stärksten deutschen Läufer am Start haben könnten!“ Nach dem Weltrekord-Feuerwerk der Loroupe, Tergat und Gebrselassie fällt es gewiss zunehmend schwer, neue Highlights zu platzieren. Aber einen Wunsch hat der 36jährige Diplom-Kaufmann trotz der sechs Weltrekorde auf dem Berliner Asphalt dennoch: „Was fehlt, das wäre ein deutscher Sieger!“ Doch das ist nicht nur für Mark Milde und Co. ein anderes, aber eminent wichtiges Thema….

Wilfried Raatz in "Leichtathletik"
       

author: GRR

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