Diese Mischung aus „kritischer Exzellenz“ hatte auch seinerzeit verschiedene Mitgliedsorganisationen des damaligen Deutschen Sportbundes immer mal wieder dazu veranlasst, Walter Jens zu gegebenen Anlässen als Festredner einzuladen
„Reden zum Sport“ von Walter Jens als Sammelband neu herausgegeben – Band eins der neue Reihe „Forum Sportpädagogik“ erschienen – Die Rezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
„Reden zum Sport“ von Walter Jens als Sammelband neu herausgegeben
Walter Jens, emeritierter Professor für Allgemeine Rhetorik und Klassische Philologie an der Universität Tübingen, der große deutsche Rhetor und Gelehrte ist schwer an Altersdemenz erkrankt. Deshalb kann er sich wohl auch nicht mehr über das kleine Büchlein freuen, das nun im Hofmann Verlag (Schorndorf) erschienen ist.
Es enthält eine Sammlung seiner wichtigsten Schriften und Reden zum Sport, herausgegeben von seinen Tübinger Professorenkollegen Helmut Digel und Ommo Grupe aus dem Institut für Sportwissenschaft unter der Mitwirkung von Michael Krüger (Münster, früher Tübingen) und vor allem mit Zustimmung und Unterstützung von Ehefrau Inge Jens. Die gesammelten „Reden zum Sport“ von Walter Jens sind mit wunderbaren Karikaturen von Sepp Buchegger illustriert und in einem graphisch gut gelungenen Einband verpackt.
Was bringt der Band? Zeithistorisch spannen die Texte einen Bogen von 1964 bis 1999. Als verbindende Klammer wurde „Nachdenkliches und Kritisches“ als Untertitel gewählt. Wer es genauer wissen will, erfährt schon im hinteren Umschlagtext: „Dem Sport war Walter Jens in kritischer Sympathie verbunden“.
Und wer es ganz genau wissen will, der sollte sich gleich an die Lektüre der elf Textpositionen machen. Im Ergebnis stellt sich dann heraus: Walter Jens war nicht nur kritischer Freund des Sports, er war auch ein exzellenter Kenner des Sports … und wäre sicher gern auch ein exzellenter Könner des Sports geworden, wenn den „Kleinstkicker Jens“ sein Asthmaleiden damals nicht behindert hätte.
Aus den Kindertagen resultiert aber die treue Fanschaft zum TV Eimsbüttel, das „Identifikations-Objekt“ im Fußball, wie Jens (Jahrgang 1923) gleich zu Beginn in dem jetzt wieder abgedruckten Aufsatz schreibt, der erstmals 1974 erschienen war in dem von Ludwig Harig und Dieter Kühn herausgegebenen Sammelband „Netzer kam aus der Tiefe des Raumes. Notwendige Beiträge zur Fußball-Weltmeisterschaft“.
Diese Mischung aus „kritischer Exzellenz“ hatte auch seinerzeit verschiedene Mitgliedsorganisationen des damaligen Deutschen Sportbundes immer mal wieder dazu veranlasst, Walter Jens zu gegebenen Anlässen als Festredner einzuladen. Zwei solcher Ansprachen – den damals anwesenden Festgästen dürften sie noch heute gut im Gedächtnis sein – sind im Band ebenfalls abgedruckt:
Die zum 75-jährigen Bestehens des Deutschen Fußball-Bundes („Fußball: Versöhnung im Streit?“) 1975 und die zum 100-jährigen Jubiläums des Deutschen Leichtathletik-Verbandes 1999 im Berliner Roten Rathaus mit dem Titel „Leichtathletik zwischen Skylla und Charybdis“, in der Jens die Leichtathleten als Geschwister der Künstler betrachtet – wörtlich sind (nicht nur!) sie: „Menschen, deren Tun, im Horizont ernsthafter und spielerischer Selbstverwirklichung beispielgebend ist“.
Zu den weiteren Reden gehören u. a. die Rundfunkansprache zum Olympia-Boykott im Januar 1980 und davor die über „Die Olympischen Spiele als Politikum“ im November 1979 in der Evangelischen Akademie in Bad Boll (Baden-Württemberg).
Als „Momos“ hat Walter Jens fast 900 Fernsehkritiken in der Wochenzeitung „Die Zeit“ publiziert – einige auch zu Sportsendungen, elf davon wurden aus Aktualitätsgründen nochmals in der Broschüre aufgenommen. Im hinteren Teil sind neben dem „kritisch-freundschaftlichen“ Briefwechsel mit Willi Daume u. a. zwei kurze Interviews zu lesen, die Josef-Otto Freudenreich mit Walter Jens 1987 und 1990 zum Sport geführt hat. Im letzten geht es ganz zum Schluss um die Tragweite der Verfestigung der Begeisterung von Walter Jens zu seinem Lieblingsverein im Fußball:
Sollte er den letzten Goethe-Vers bereits vergessen haben, das hat Walter Jens einst so proklamiert, dann könne er immer noch die Angriffsformation seines TV Eimsbüttel aufsagen. Im Interview stehen diese fünf Namen: „Ahlers, Panse, Rowedder, Muhr und Maack“. Wer daran zweifelt, kann ihre Richtigkeit in „Vorbei, die Eimsbütteler Tage“ (siehe oben) überprüfen … und aus diesem Anlass beiläufig mal überlegen, wie die Angriffsformation seines Lieblingsvereins von einst denn lautet.
Walter Jens: Reden zum Sport. Nachdenkliches und Kritisches 1964 – 1999. Mit einem Nachwort von Helmut Digel und Ommo Grupe. (Schorndorf: Hofmann 2009; 96 S.; 12,90 €)
Band eins der neue Reihe „Forum Sportpädagogik“ erschienen
Die neue Schriftenreihe „Forum Sportpädagogik“, die von den beiden Wuppertaler Sportpädagogen Prof. Dr. Eckart Balz und Dr. Tim Bindel herausgegeben wird, möchte offenen Auseinandersetzungen mit verschiedensten Themen und Fragen der Sportpädagogik Raum bieten. Dazu gehören Felder wie der Schulsport und der Vereinssport, aber auch Bewegung, Spiel und Sport mit Kindern oder mit älteren Menschen. Das besondere Anliegen der Reihe besteht darin, Brücken zu bauen zwischen Theorie und Praxis und zwischen normativen und empirischen Ansätzen in der Sportpädagogik, die zu den Kerndisziplinen der Sportwissenschaft gehört und als die Berufswissenschaft für Sportlehrkräfte gilt.
Um das Verhältnis von normativen und empirischen Aussagen in der Sportpädagogik geht es auch und gerade in Band eins mit dem Titel „Sollen und Sein in der Sportpädagogik“, der insgesamt 15 Beiträge versammelt, darunter einen von Prof Dr. Dietrich Kurz (Universität Bielefeld) und einen von Prof. Dr. Nils Neuber (Universität Münster).
In weiteren Aufsätzen geht es auch um „Normative Implikationen sportbezogener Jugendforschung“ (einer Autorengruppe u.a. mit Prof. Dr. Ralf Sygusch, Universität Jena), um Koedukation (von Dr. Judith Frohn, Universität Wuppertal) und nicht zuletzt in einem „Über versteckte Schulsportideale in Schulsportstudien“ (Titel) auch um die seinerzeit vom Deutschen Sportbund (DSB) in Auftrag gegebene sog. DSB-SPRINT-Studie.
Eckart Balz (Hrsg.): Sollen und Sein in der Sportpädagogik. Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem. (Band 1 der Reihe Forum Sportpä-dagogik; Aachen: Shaker Verlag 2009; 200 S.; 48,80 €)
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann