Was auf dem Spiel steht, zeigt das angebliche Angebot eines chinesischen Unternehmens, das Bolt 115 Millionen Dollar (78 Millionen Euro) für einen fünfjährigen Ausrüstervertrag bietet - mit der Perspektive, durch Prämien sowie eine eigene Bekleidungsserie das Volumen auf 300 Millionen Dollar (203 Millionen Euro) zu steigern.
Usain Bolt – Der 300-Millionen-Dollar-Junge – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
24. September 2009 Nach den atemraubenden Weltrekorden lässt Usain Bolt nun schwindelerregende Sponsorverträge folgen. Für den dreifachen Olympiasieger von Peking und dreifachen Weltmeister von Berlin geht es in der Winterpause darum, seine 9,58 Sekunden auf den hundert Metern und die 19,19 Sekunden auf den zweihundert in Millionenbeträge umzumünzen.
Nicht, dass der 23 Jahre alte Jamaikaner bei rund 250.000 Dollar Antrittsgeld und einem auf fünf Millionen Dollar geschätzten Jahreseinkommen, von dem 1,5 bis 2 Millionen der Sportartikelhersteller Puma beisteuern soll, gerade dringend Geld bräuchte. Doch jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, neue Verträge zu schließen und dafür zu sorgen, dass der Ausrüstervertrag mit Puma, der im kommenden Jahr ausläuft, zumindest mächtig aufgestockt wird.
Zahlenspiele in schwindelerregenden Höhen: Bolt bei der WM in Berlin
Was auf dem Spiel steht, zeigt das angebliche Angebot eines chinesischen Unternehmens, das Bolt 115 Millionen Dollar (78 Millionen Euro) für einen fünfjährigen Ausrüstervertrag bietet – mit der Perspektive, durch Prämien sowie eine eigene Bekleidungsserie das Volumen auf 300 Millionen Dollar (203 Millionen Euro) zu steigern. Das entspricht einem Jahreseinkommen von 23 bis 60 Millionen Dollar.
Management beteuert Vertragstreue
Norman Peart, Bolts jamaikanischer Manager, beeilte sich, die von der Anza Marketing Group (AMG) ins Spiel gebrachte Offerte zurückzuweisen. „Das Management distanziert sich vollständig von jedem Angebot, das AMG einem chinesischen Unternehmen gemacht haben könnte, welches ein lukratives Angebot gemacht hat“, ließ er mitteilen. Er beteuerte seine Vertragstreue, zu der gehöre, mit keinem Konkurrenten von Puma vor dem Ende des Vertrages 2010 zu verhandeln und verwies darauf, dass Puma das Recht habe, bei Neuverhandlungen mit jedem Angebot eines Konkurrenten gleichzuziehen.
Der in London beheimatete Athletenmanager Ricky Simms, der Bolt gegenüber Veranstaltern vertritt und sich auch um Werbeverträge für ihn bemüht, macht deutlich, dass sein Klient zwar der bestverdienende Leichtathlet der Geschichte sei, aber im Vergleich zu Fußballprofis, Golfern und Formel-1-Rennfahrern immer noch zu wenig verdiene.
Das soll sich bald ändern. „Carl Lewis und Marion Jones waren dadurch bevorteilt, dass sie Amerikaner sind“, sagt Peart. „Wie viele Leichtathleten erhalten überhaupt weltweite Verträge? Wir arbeiten immer noch daran, dass wir solche Verträge schließen, und mit seinen beiden großen Titeln fällt Usain mehr auf; er hat seinen Sport aufgewertet.“
Parallelen zu Li Ning und Jelena Isinbayewa
Zusätzlich zu den Sponsorabkommen mit dem jamaikanischen Mobilfunkanbieter digicell sowie dem amerikanischen Getränkehersteller Gatorade und dem Ölunternehmen Texaco sollen in diesem Winter fünf oder sechs zusätzliche Abschlüsse erfolgen. Sie hätten viele Angebote, sagt Peart. Er wolle Bolt aber nicht zumuten, einer Vielzahl von kleinen Sponsoren auch häufig persönlich zur Verfügung stehen zu müssen. „Wir konzentrieren uns auf die großen Deals.“ Darum hatte Peart eine Reihe von Managern und Vermittlern werben lassen. Von Nahrungsmittelkonzernen über Elektronikkonzernen und Automarken hatten sie weltweit vorgefühlt, sogar die Biografie des 23 Jahre alten Athleten war angeblich im Angebot.
Offenbar bereitet Peart auch die Neuverhandlung des Ausrüstervertrages vor, der vermutlich im August ausläuft. Das chinesische Angebot, das der Anza-Vorstandsvorsitzende Anjani Williams öffentlich machte, erinnert auffällig an den Vertrag zwischen dem aufstrebenden chinesischen Sportartikel-Unternehmen des Turn-Olympiasiegers Li Ning und der russischen Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Isinbayewa.
Die seit diesem Jahr gültige Vereinbarung hat bei einer Laufzeit von fünf Jahren angeblich ein Volumen von 7,5 Millionen Dollar (gut 5 Millionen Euro). Li Ning hat bereits eine Handvoll amerikanischer Basketballprofis unter Vertrag, deren bekanntester Shaquille O'Neill ist, sowie die spanische Basketball-Nationalmannschaft, die gerade in Polen Europameister geworden ist.
Bolts Markenzeichen
Peart macht in seiner Erklärung deutlich, dass Puma lediglich Schuh-Ausrüster sei. Das ist in bemerkenswert, da Bolt in Jamaika bereits Bekleidung herstellen lässt, auf deren Brust eine Figur, die wie er vor und nach seinen Starts, die Haltung eines Bogenschützen einnimmt. Dieses Markenzeichen, mindestens so auffällig wie das Selbstportrait von Michael Jordan auf dessen Bekleidungslinie bei Nike, wartet nur darauf, weltweit vermarktet werden.
Jochen Zeitz, der Vorstandsvorsitzende von Puma, hatte im Hinblick auf die Aufmerksamkeit, die Bolt mit seinen drei Weltrekorden und seinen Show-Einlagen – darunter auch die Präsentation seiner Schuhe während der Direktübertragung – im Peking erregt hatte, dessen Werbewert auf 250 Millionen Euro geschätzt; so viel würden Anzeigen und Spots mit einem entsprechenden Effekt kosten. Angeblich will auch das amerikanische Unternehmen Nike Bolt für sich gewinnen.
Vierspurige Autobahn nach Bolt benannt
Welche Begeisterung Bolt in seiner Heimat auslöst, zeigt seine Auszeichnung mit dem Order of Jamaica, dem höchsten Orden des Landes, durch Premierminister Bruce Golding vor zehn Tagen im Parlament. Die Ehrung ist verbunden mit Bolts Ernennung zum Botschafter des Landes – „Ambassador The Honorable Usain St. Leo Bolt, Order of Jamaica, Ambassador-at- Large“ – einschließlich der Verleihung eines Diplomatenpasses.
Ausgerechnet das Stück des vierspurigen Autobahn außerhalb von Kingston, auf dem Bolt im vergangenen Winter seinen BMW M3 zu Schrott fuhr, wird außerdem ihm zu Ehren in „Usain Bolt Highway“ umbenannt.
Puma hat den damals sechzehn Jahre alten Bolt vor gut sieben Jahren unter Vertrag genommen. Peart, Steuerprüfer aus Montego Bay, hatte dem jungen Athleten ursprünglich als Mentor vor allem Nachhilfe für die Schule geben sollen. Das nächste Ziel hieß, ihm ein Stipendium in den Vereinigten Staaten zu verschaffen. Als die ersten Angebote kamen, lehnten Bolt und seine Eltern ab. Seit vier Jahren trainiert Bolt bei Glen Mills in Kingston.
Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 24. September 2009