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28
09
2009

Auf dem Bildern war ein Junge mit einer großen Startnummer zu erkennen, der durch das Ziel (am 100 m Start) des Mommsenstadions lief. "Das bin ich vor 20 Jahren beim BERLIN-MARATHON" sagte Ralf Milke - und gab die Bilder unvorsichtigerweise aus der Hand.

Mit zwölf Jahren schon Teilnehmer des BERLIN-MARATHON – 30 YEARS OF RACING HISTORY – 30 Jahre BERLIN-MARATHON – 40 Jahre Berliner Cross-Country-Lauf! – Horst Milde berichtet

By GRR 0

Der BERLIN-MARATHON beginnt mit diesem Bericht aus der „Geschichtskiste“ die Entwicklung seiner erfolgreichen Läufe aus den letzten Jahrzehnten zu beleuchten. Wer sind die Menschen/Läufer/innen die mitgemacht haben, die gewonnen – oder verloren – haben.

Wie sind sie dazu gekommen, sind sie noch heute dabei. Mit einem ganz aktuellen Beispiel beginnen wir die Serie:

Beim „Kultlauf 1998“ beim 25-jährigen Jubiläum, dem Lauf „Noch eine Woche bis zum BERLIN-MARATHON“, mit dem Traditionsstart in der Waldschulallee 80, brachte ein Teilnehmer dem Veranstalter bei der Feier im Zielbereich vier Bilder zum „Angucken“.

Auf dem Bildern war ein Junge mit einer großen Startnummer zu erkennen, der durch das Ziel (am 100 m Start) des Mommsenstadions lief. „Das bin ich vor 20 Jahren beim BERLIN-MARATHON“ sagte Ralf Milke – und gab die Bilder unvorsichtigerweise aus der Hand.

Beim 25. Team-Marathon am 18. Januar 2003 gab es ein Wiedersehen mit Ralf Milke – und eine leichte Erinnerung durch ihn an die vier weggegebenen Bilder! Aus dem kleinen Jungen war inzwischen ein erfolgreicher Läufer geworden. Am Start des Team-Marathon stand ein Trio mit der Startnummer 1.

Mit der Startnummer 1 lief das Team vom Post SV mit Ralf Milke !, Dietmar Klocke und Günter Rennung, sie waren die Sieger des Jahres 2002 (2:29:23). In diesem Jahr wurden sie Zweite in 3:03:42.

Das Startbild zeigt genau, wie bestellt, in der Mitte Ralf Milke mit der Nummer 1, rechts neben ihm Herbert Steffny, links von ihm Dietmar Klocke.

Am 3. September 1978, beim 5. BERLIN-MARATHON, lief ein Junge mit etwas über 12 Jahren mit – die Regeln ließen das damals noch in Ausnahmefällen zu. Heute nicht mehr.

Meistens sind Kinder, die zu früh an langen Läufen teilnehmen – und manchmal auch nicht ganz freiwillig – ausgebrannt und sind später nicht mehr zum Laufen zu begeistern.

Ganz anders bei Ralf Milke. Hier ist sein eigener Bericht, wie er zum Laufen kam und dabei geblieben ist – im Grunde eine Erfolgsstory für das Laufen und ein schöner Rückblick auf die Geschichte des BERLIN-MARATHON:

„Ich bin Läufer seit 1977. Mein Vater hatte Mitte der 70er Jahre seinen ersten Marathon gelaufen. Ich war im Fußballverein und bin nur gelegentlich mal im Wald gelaufen. Im Sommer 1977 waren wir in den Ferien im Schwarzwald, als in der Nähe ein 10 km-Lauf nur für Schüler und Jugendliche stattfand. Durch diesen Zufall bin ich das erste mal so weit gelaufen. Von da an ging ich regelmäßig sonntagmorgens mit dem an unserem Ort neugegründeten Lauftreff auf eine 10er-Runde.

Damit fiel ich ziemlich auf, denn ich war noch keine 12 Jahre alt und war das einzige Kind, das sich sowas zutraute. Ich bin dann ungefähr 3 x die Woche gelaufen. Purer Dauerlauf im Wald. Etwa 6 bis 14 km. Einen Plan gab es nicht. Im Frühjahr 78 ging ich mit zu ein paar Volksläufen in der Umgebung meines südhessischen Heimatortes und lief, was eben angeboten wurde. So kam ich zu meinem ersten Halbmarathon und zwischen meinem Vater und mir entstand allmählich die Idee, daß ich auch einen Marathon laufen könnte.

Ich wurde nie dazu überredet. Ich habe schon damals das ruhige Laufen durch den Wald geliebt. Der Marathon als ehrgeiziges Ziel ergab sich von ganz allein. Faszinierend für mich, ist zu sehen, mit wie wenig Training ich mich in diesem Alter sprunghaft verbessern konnte. Um 100 km Dauerlauf im Monat. Daneben die vielen Stunden auf dem Bolzplatz. Die Wahl fiel schließlich auf Berlin. Mein Vater ist in Charlottenburg geboren und wir hatten Verwandte in der Stadt, bei denen wir übernachten konnten. 8 Wochen vorm Marathon begann mein spezielles Training. Im Schnitt 75 km/Woche (ich hatte von meinem Vater abgeschaut, daß er seine Laufkilometer notierte und hatte daraufhin meiner Mutter einen Taschenkalender abgeluchst, in den ich meine Kilometer notierte – diesem Schachzug verdanke ich inzwischen 25 Jahre komplette Aufzeichnungen). Der Marathon fand am letzten Sonntag der Sommerferien statt, ich hatte unheimlich viel Zeit.

Der 3. September 1978 war ein kühler, trüber Tag; ideales Marathonwetter. Mein Vater wußte, daß ich ihn unterwegs nicht brauchte. Ich lief ganz naiv nach Gefühl. Ein paar Bilder von der Strecke sind mir im Gedächtnis geblieben. Auf dem Rückweg der zweiten Runde hatte ich eine Gruppe mit einer Läuferin eingeholt und war froh, die letzten Kilometer nicht allein laufen zu müssen. Dann kam ein Verpflegungsstand, dem Erinnerungsbild nach müßte es am Hüttenweg gewesen sein, und plötzlich war ich wieder allein und die Gruppe hinter mir. Überholt wurde ich von keinem mehr. Auf der Bahn im Mommsenstadion fühlte ich mich zu einem Endspurt verpflichtet. So richtig explosiv war der vielleicht nicht mehr. Aber er kam von Herzen.

Ich beendete den Lauf nach 3:41:47, viel schneller als ich je erhofft hatte. Ich war immer noch 12. Und wog 36 kg. Da ich ja schon ein wenig ins Detail gegangen bin, will ich auch noch mal daran erinnern, daß ich ja für diesen Lauf keine Urkunde bekam, weil ich – aus Gründen, die ich nicht zu verantworten habe – noch keine 18 Jahre alt war. War mir übrigens ziemlich egal. Wahrscheinlich hat es mich nur angespornt, meinen eigenen Weg zu gehen und nicht auf die Anerkennung von außen zu warten. Obwohl ich diese bekam. Der Lauftreff lancierte einen Artikel in der Lokalzeitung. Der Marathonlauf ihres Torwarts war am folgenden Sonnabend das Thema der Jugendfußball-Zaungäste. Ich wurde zum Lauftreffleiter ehrenhalber ernannt.

In den folgenden Jahren startete ich auf allen Distanzen von 1000 m aufwärts, dabei auch 1-2 Marathons im Jahr. Mein sechster Marathon in 2:51 als 16-jähriger (1982) war vielleicht mein allerbester. Später entwickelte ich ein Faible fürs Bahnlaufen und konzentrierte mich eine Zeit lang auf die Strecken von 800 bis 5000 m. Mein Talent war freilich mäßig. Ich erreichte 2:04 über 800 m, 4:16 über 1500 m und 16:21 über 5000 m.

Läufer bin ich seither immer geblieben, auch wenn es Phasen mit geringer Laufaktivität gab. Ich habe das Glück gehabt, sehr früh den Sport zu finden, der meinen Nerv trifft. Er hat mich auf jeder Station meines Lebens begleitet. Am Montag nach meiner Marathon-Initiation reisten wir heim, am Dienstag war mein erster Tag auf dem Gymnasium. In der Oberstufe habe ich für mich den Mittagspausen-Lauf erfunden, weil der besser war als Abhängen und Karten spielen. Als Student in Tübingen wurde mir gemeinsam mit einem Lauf- und Studien-Kamerad das Benutzungsrecht für eine Dusche im Keller des Mineralogischen Instituts eingeräumt. An diesem Institut habe ich später als Geowissenschaftler promoviert. Auch meine Frau ist Läuferin. Die Trauzeugen waren unsere Trainingspartner. Wir haben den Tag mit einem gemeinsamen Lauf durch den Schönbuch bei Tübingen gefeiert. Die Familienfeier haben wir nachgeholt.

Zur Zeit arbeite und forsche ich als Geowissenschaftler an der TU Berlin und am GeoForschungsZentrum Potsdam. Unser Umzug nach Berlin 1998 war offenbar leistungsfördernd. Ich schloß mich dem Post SV Berlin an und leite inzwischen das gemeinsame Training. Das Zwischenresultat sind 33:55 auf 10 km (2002), 1:15:30 im Halbmarathon (1999) und 2:39:22 im Marathon (2002).

Interessant ist der Vergleich meiner Bestleistungen über die Jahre, wenn man sie mal in Relation zu den Weltrekorden betrachtet. Auf allen Distanzen von 800 m bis Marathon habe ich stets das gleiche Niveau erreicht. Ein Marathonsammler bin ich nicht, aber knapp 30 sind es mit der Zeit geworden.“

Den 5. BERLIN-MARATHON 1978 gewann übrigens Michael Spöttel (LG Verden) in 2:20:02, bei den Frauen siegte Ursula Blaschke (SCC) in 2:57:09. 256 Teilnehmer aus 5 Nationen waren am Start, 197 Läufer/innen im Ziel.

Start und Ziel befanden sich im Mommsenstadion in der Waldschulallee, die Laufstrecke war ein 2-Rundenkurs entlang der AVUS (Kronprinzessinnenweg) im Grunewald bis zur Wende – Ecke Havelchaussee und zurück zur Kiesgrube (Teufelsseechaussee).

PS: Die 4 Bilder bekommt Ralf Milke jetzt endgültig zurück – und auch eine Erinnerungs-Urkunde an 1978.

Horst Milde

author: GRR

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