Wettlauf der Kandidaten: Sportminister? Austauschvorsitzender? Der Machtkampf um den Sport steckt vor der Wahl im Endspurt
Vor der Bundestagswahl – Der Machtkampf um den Sport – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
26. September 2009 So leicht soll es keiner mehr haben mit den Schlagzeilen. Die politischen Rivalen und die Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sind der ständigen Präsenz des Peter Danckert in den Medien überdrüssig. Der Strafverteidiger aus Berlin war der gegenwärtigste Vorsitzende des Sportausschusses, seit der 6. Deutsche Bundestag das Gremium mit Blick auf die Olympischen Spiele von München 1972 gründete.
Sosehr Danckert sich als parlamentarische Opposition, als Ein-Mann-Institution und als ständiges Ärgernis des organisierten Sports etablierte, so sehr hat er auch dafür gesorgt, dass Resonanz und Bedeutung der Sportpolitik von der Wahl 2005 bis zur Wahl 2009 an diesem Sonntag gewachsen sind. Damit hat ausgerechnet Danckert, der Buhmann, dafür gesorgt, dass nicht mehr hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird, was er einfordert: ein Bundesministerium allein für den Sport.
„Wenn ich die Chance bekäme, würde ich gerne weitermachen als Ausschussvorsitzender“, sagt Danckert. Das ist womöglich so bescheiden gemeint, wie es klingt. Denn selbstverständlich weiß der 69 Jahre alte Politiker, dass Union und Liberale sich einig darin sind, eine zweite Amtszeit von Danckert zu verhindern. Selbstverständlich ist ihm auch bekannt, dass die sportpolitische Sprecherin seiner Fraktion, Dagmar Freitag, in den Auswärtigen Ausschuss wechseln wird, wenn er dieses Amt noch einmal einnimmt. Das aber wird die SPD wohl nicht wollen, hat doch Kanzlerkandidat Steinmeier die Abgeordnete aus Iserlohn, Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, in sein Kompetenzteam berufen.
Hatte es leicht mit den Schlagzeilen: Peter Danckert, Ein-Mann-Institution und ständiges Ärgernis des organisierten Sports
Deshalb macht Danckert keinen Hehl aus seinem Plan, sollte ihn der Wahlkreis Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming III, Oberspreewald-Lausitz I zum vierten Mal direkt in den Bundestag wählen – was nicht ernsthaft in Frage steht – sich um die Mitgliedschaft im Haushaltsausschuss zu bemühen.
Meinungsfreudig und bisweilen unsachlich
Die Ära Danckert im Sportausschuss wird dann Geschichte sein. Er war es, der den Sportausschuss als ersten und einzigen des Deutschen Bundestages öffentlich tagen ließ. Mit der tagesaktuellen Reaktion auf die großen und kleinen Themen des Sports machte er das Parlament zum Zentrum der sportpolitischen Debatte. Es gab Tage, an denen Danckert von Interviews auf dem Flur in die Sitzung des Sportausschusses eilte, sich donnernd zu sportpolitischen Themen äußerte – er tat das stets, indem er die Leitung der Sitzung seinem Stellvertreter und Vorgänger Peter Rauen von der CDU übertrug und ankündigte, er spreche nun als Abgeordneter. Er habe niemals eine Pressemitteilung zum Sport veröffentlicht, antwortet Danckert, da ihm Eitelkeit und Missbrauch des Amtes vorgeworfen werden. Er habe stets nur Fragen beantwortet.
Meinungsfreudig und bisweilen unsachlich ging Danckert jeden und alles an. Der Strafverteidiger, der Steffi und Peter Graf sowie Alexander Schalck-Golodkowski vertrat, gab seinen sportpolitischen Einstand kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, acht Wochen nachdem er den Vorsitz des Sportausschusses übernommen hatte. Da griff er die Kritik der Stiftung Warentest an den Sicherheitsmaßnahmen der deutschen Stadien auf und berief die erste einer Reihe von öffentlichen Anhörungen ein. Franz Beckenbauer verlangte daraufhin, die Stiftung möge sich auf Gesichtscreme, Olivenöl und Staubsauger konzentrieren. Danckert hielt dagegen – und war schlagartig in ganz Deutschland bekannt.
Stets im Mittelpunkt der Debatte: Peter Danckert
Ob er dem DOSB vorwarf, zu früh die Option eines Olympiaboykotts in China aufgegeben zu haben; ob er verlangte, Doping gesetzlich unter Strafe zu stellen, und dann gemeinsam mit seinem Unionskollegen Klaus Riegert nur eine lauwarme Novelle des Arzneimittelgesetzes zustande brachte; ob er den Sportorganisationen vorwarf, nicht wirklich gegen Doping aktiv zu sein; oder ob er, wie jüngst, forderte, die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) solle die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein in Quarantäne nehmen, um ihr zu helfen, in einem Dopingverfahren ihre Unschuld zu beweisen – stets stand im Mittelpunkt der Debatte: Peter Danckert. Das war ihm nicht unrecht.
In einer Aussprache über Schulsport und Prävention im Plenum berichtete er, dass er in einem halben Jahr 26 Kilo abgenommen habe und auf die Einnahme von Medikamenten verzichten könne. „Es tritt ein ganz erstaunlicher Effekt ein, wenn man sich gesünder ernährt, sich mehr bewegt und sich mehr dem Sport zuwendet“, sagte er.
Auch CDU und FDP streben den Ausschussvorsitz an
Nun wollen sich andere mit Macht dem Sport zuwenden. „Der Sportausschuss bleibt im Blick der FDP“, sagt der scheidende Abgeordnete Detlef Parr. Ihn kostete der Griff seiner Fraktion nach dem Kulturausschuss 2005 den Vorsitz im Sportausschuss. Nun soll Joachim Günther, FDP-Abgeordneter aus dem Vogtland, zum Zuge kommen. „Die Union will den Vorsitz im Ausschuss“, sagt aber auch Klaus Riegert, deren sportpolitischer Sprecher.
Mit der Aussicht auf eine große Koalition wächst die Wahrscheinlichkeit auf eine Karriere des Sportpolitikers Danckert. „Ich bin für ein Ministerium für Jugend und Sport“, sagt er, „einschließlich der Themen Ernährung, Prävention und Integration.“ Über die Besetzung des Postens schweigt er.
„Alles, was den Sport aufwertet, ist zu begrüßen“
Überraschend stößt Norbert Barthle, Abgeordneter der CDU aus Schwäbisch Gmünd, leidenschaftlicher Skilehrer, Präsidiumsmitglied des Deutschen Skiverbandes und Mitglied des Haushaltsausschusses, ins gleiche Horn. „Ein Sportministerium ist eine alte Forderung der Sportpolitiker“, sagt er. „Es wäre viel gewonnen, wenn wir ein Amt wie den Kulturstaatsminister hätten.“ Es fehle eine koordinierende Stelle, die die verschiedenen Interessen des Bundes und die sportlichen Belange der Länder zusammenbringe.
„Die Rolle von Bernd Neumann als Staatsminister für Kultur im Bundeskanzleramt war ausgesprochen positiv“, sagt Barthle. „So etwas schwebt mir auch für den Sport vor. Mit dem Kollegen Riegert bin ich mir einig, in dieser Sache auf die Kanzlerin zuzugehen.“ Mit einem Staatsminister für Sport könne sich, sagt Parr, auch die FDP anfreunden. „Ich glaube, dass man damit bei Westerwelle offene Türen einrennt.“ In seiner Partei sei bereits zustimmend der Posten eines Sportbeauftragten der Bundesregierung diskutiert worden. „Alles, was den Sport aufwertet, ist zu begrüßen“, sagt Parr.
„Ein dummer Gedanke!“
Innenminister Wolfgang Schäuble verhehlt seinen Ärger über solche Pläne nicht. „Grober Unsinn!“ sagt er und vergleicht sie mit der Idee, Franz Beckenbauer zum Sportminister zu ernennen. Der Sport gehöre in ein großes Ministerium mit Durchsetzungskraft, sagt Schäuble. Er vertritt die Überzeugung, dass allein ein Sport-Staatsminister auch nicht zur Verfassung passe. Das Argument, dass ein Minister oder Staatssekretär die Zuständigkeit für die Sportetats in einem halben Dutzend Ressorts bündeln könne, verfängt beim Innenminister nicht. „Eine abenteuerliche Vorstellung, dass ein Sportminister für einen Teil der Bundeswehr zuständig sein soll!“, sagt er. „Ein dummer Gedanke!“
Die Idee einer solchen sportlichen Integration greift nicht nur weit über das hinaus, was der Bund bisher an Sportförderung im Wert von reichlich 220 Millionen Euro leistet. Sie entlarvt die Hilfskonstruktion, er tue das ausschließlich zur nationalen Repräsentation, als Krücke. Zwar gibt es keinerlei gesetzliche Regelung, die dem Bund aufgibt, Sport zu fördern. Doch allein der Spitzensport erhält aus dem Hause Schäuble rund 150 Millionen Euro. Auch die rund 55 Millionen Euro der Bundeswehr für die Planstellen von mehr oder weniger 750 Spitzensportlern und die etwa drei Millionen für die Sportgruppe des Zolls vom Finanzminister kann man dem Ziel zuordnen, dass weltweit die deutsche Flagge gehisst und die deutsche Hymne gespielt werden sollen.
Aber die Entwicklungsprojekte vor allem in Afrika, für die Außenminister Steinmeier einen Sportetat von rund fünf Millionen Euro eingerichtet hat, die sportlichen Engagements, für die Familien- und Bundesjugendministerin Ursula von der Leyen auf sechs Millionen Euro zugreifen kann, der Sportetat von Sozialminister Scholz von 1,2 Millionen Euro und von Umweltminister Gabriel (300.000 Euro) belegen, dass die sportpolitische Realität längst auch jenseits von Medaillen und Nationaltrikots liegt. Gut möglich, dass die nächste Regierung auch den Ministerien für Gesundheit und für Entwicklungshilfe wieder Sportbudgets zugesteht.
Bach ist gegen den Staatsminister Sport
„Der Sport käme nur ins Kanzleramt, wenn die Kanzlerin das will“, sagt ein Insider. „Das wäre keine Schwächung.“ Thomas Bach ist Anhänger der Schwergewichtstheorie. „Ein Minister, der den Sport vertritt, sollte am Kabinettstisch etwas zu sagen haben“, fordert er. Ein Staatsminister allein für Sport „wäre gegen die Interessen des Sports“. Bach ist überzeugt: „Das Amt hätte nicht die ihm entsprechende Position im Kabinett. Ein Ministerium mit 200 bis 250 Millionen Euro Etat hätte eine sehr beschränkte Zuständigkeit.“
Doch Bach weist auch den Zugriff der Politik auf sportpolitische Inhalte zurück. „Gestaltet wird in den Sportorganisationen und Verbänden“, sagt er und beruft sich auf die von der Verfassung garantierte Vereinigungsfreiheit: „Wir haben keinen Staatssport, und wir wollen keinen Staatssport.“ Dem ambitionierten Abgeordneten, der nicht müde wird zu sagen, dass die Autonomie des Sports beim Annehmen von Steuergroschen aufhöre, schreibt er dies ins Stammbuch: „Dass Herr Danckert gern auch noch die Nationalmannschaft aufstellen würde, dafür habe ich Verständnis. Aber das ist kein politisches Programm.“
„Ich bin Sportpolitiker“, sagt der Abgeordnete Barthle mit Fug und Recht, obwohl er sich im Sportausschuss nie sehen lässt. „Was mit Geld zu tun hat, landet auf meinem Tisch.“
Deutlicher wird das auch ein Haushaltspolitiker Danckert nicht sagen können.
Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 26 September 2009
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