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11
2009

Mark sagte: "Ihr macht da in Berlin Revolution und ich sitze hier in der Provinz"!

Der 26. BERLINER CROSSLAUF am 12. November 1989 – „20 JAHRE MAUERFALL“ – Der erste Lauf in Deutschland mit Läufern aus Ostberlin und der DDR – Horst Milde berichtet.

By GRR 0

Heute vor 20 Jahren, am 12. November 1989, war es eine Sensation. Beim traditionellen Berliner Crosslauf am Teufelsberg nahmen zum ersten Mal Läufer und Läuferinnen aus dem Osteil Berlins und der damaligen DDR statt.

Am 9. November 1989 fiel in Berlin die Mauer, am 10. November 1989 schrieb ich in einer Pressemitteilung die Überschrift "Kostenlose Teilnahmemöglichkeit für DDR-Läufer beim Crosslauf". "Ohne große Formalitäten kann man sich direkt am Teuifelberg an der Rodelbahn einfinden und seine Meldung abgeben".

Am 5. November 1989 nahm ich mit Sohn Mark am 20. New York City Marathon teil, Mark ging zu dieser Zeit als Austauschschüler in Billings/Montana zur Schule. In New York sahen wir in unserem Hotel im Fernsehen was in Deutschland und Ungarn passierte. Er flog danach nach Billings zurück, ich nach Berlin und war am 9. November. Am Abend sah ich dann übermüdet – mit jet-lag – , was  Schabowski in Fernsehen sagte, ohne zu begreifen, was sich daraus entwickeln könnte.

Am nächsten Morgen um 7.00 Uhr klingelte das Telefon und Mark sagte: "Ihr macht da in Berlin Revolution und ich sitze hier in der Provinz"!

Etwa um 9.00 meldete sich Michael Coleman aus London, der seit Jahren als Times-Journalist nach Berlin zum Marathon kam, und erklärte mir, ich müsste unbedingt einen Neujahrslauf am 1.1.1990 vom Olympiastadion zum Roten Rathaus organisieren, wobei ich nur meinte, eigentlich habe ich jetzt gerade etwas anderes im Kopf. Wenig später meldete sich Heinz Schild vom Schweizer Rundfunk und machte mit mir ein Interview über den Berlin-Marathon 1990, als einen sensationellen und einzigartigen Lauf.

Bekanntlicherweise hatte ich eine Bäckerei und Konditorei in Tempelhof und wurde nachmittags in den Laden gerufen, weil mich "einige Leute" sprechen wollten. Im Laden stand die Familie Roland Winkler. Die hatten am 10. November sinnigerweise eine Postkarte von meiner Frau erhalten, auf der sie schrieb: "Wann setzt Ihr Euch in die U-Bahn und kommt zu uns – Quartier vorhanden?" Eigentlich ein frommer Wunsch, da die Karte einige Tage vor dem 9. November geschrieben wurde. Jetzt standen die vier Winklers im Laden und schwenkten die Postkarte (siehe dazu die Fotos).

Roland Winkler – Marathonläufer und Organisator – lief als "Ost-Berliner" 1988 "illegal" beim Berlin-Marathon mit und wurde beim Start von Manfred Steffny von SPIRIDON fotografiert. Das Bild wurde auf der Titelseite publiziert – Manfred Steffny schrieb dazu:

"Groß ist die Freude des Berliner Läufers mit der Startnummer  X 348, daß er in seiner Heimatstadt 42 km Straße unter die Füße nehmen darf" – wohl wissend, daß er den Namen des Läufers nicht nannte. Roland Winkler und einige andere DDR Läufer lernte ich anschließend bei der Abschlußfeier in der Kongresshalle kennen.

Mit etwa 45 Läufern aus Ost-Berlin und der DDR nahm Roland Winkler dann am 12. November 1989 am Crosslauf teil. Der SFB brachte von diesem Lauf eine längere Reportage über die erste Teilnahme von Läufern aus der DRR und Berlin-Ost.* Es nahmen übrigens insgesamt 2.128 Läuferinnen und Läufer am Crosslauf teil, Andrzey Nowak (SCC) und Anna Rybicka (AZS Warschau) gewannen.

Nach dem Lauf lud ich Roland Winkler, Dr. Detlef Dalk (Frankfurt/Oder) und Gerd Engel (Stendal) zum Kaffeetrinken  zu mir nach Hause am Tempelhofer Damm ein.

Hier wurde beschlossen den Berlin-Marathon 1990 durch Ost- und West-Berlin zu führen, als "Aufgalopp" für diese Initiative sollte ein Neujahrslauf durch beide Teile der Stadt führen.

Die "Initiativgruppe Ost" schrieb diesen Text am 12. November an den Oberbürgermeister Erhard Krack – Berlin-Haupstadt der DDR, während ich einen entsprechenden Antrag an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper stellte.

Diese Absprache wurde dann mit einem Glas Sekt besiegelt – ohne zu ahnen, daß der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – drei Tage vor der Wiedervereinigung – ein Weltereignis werden würde.

 

Horst Milde

PS: * Es gibt leider keine  Photos von diesem Lauf, sofern Leser noch Photos in ihren Unterlagen haben, würde ich mich über Duplikate freuen.

Mauerspechte und freudetrunkene Läufer – Manfred Steffny in SPIRIDON – "20 JAHRE MAUERFALL" – Teil I

"20 JAHRE MAUERFALL I – in SPIRIDON

 

author: GRR

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