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15
12
2009

Im Breitensport ist es meiner Meinung nach noch schlimmer. Einem Leistungssportler geht es mehr um die eigene Leistungsfähigkeit. Bei vielen Breitensportlern geht es nur darum, schneller zu sein als der Nachbar oder eine bestimmte Distanz in einer gewissen Zeit zu schaffen.

Studie: Sieben Prozent der jungen Leistungssportler dopen – Interview mit dem Mainzer Sportmediziner Prof. Perikles Simon und Jochen Dick

By GRR 0

Die Statistik der Nationalen Anti-Doping- Agentur (NADA) weist für den Zeitraum von 2003 bis 2005 bei 25.000 Tests 205 Doping-Fälle aus – das entspricht 0,81 Prozent. Doch in Simons Studie gaben 6,8 Prozent der Nachwuchsleistungssportler an, schon einmal gedopt zu haben.

Herr Professor Simon, wie beunruhigend sind diese Ergebnisse?

Wir sind schockiert. Es handelt sich immerhin um Sportlerinnen und Sportler mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren. Wir hatten die leise Hoffnung, dass die Zahl niedriger liegt. Der US-amerikanische Gutachter, der sich mit dem Thema bestens auskennt, wollte uns die Zahl nicht glauben. Er sagte, dass sie mit Sicherheit
viel höher als bei sieben Prozent liegt. Jedenfalls sind wir nicht so naiv zu glauben, dass die restlichen 93 Prozent der Sportler sauber sind. Die Frage ist wie immer: Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Lassen sich diese Zahlen auch auf den Leistungssport im Erwachsenenbereich übertragen?

Das Problem ist, dass man im Spitzensportbereich keine solche Studie durchführen kann. Kein Spitzensportler hat Interesse daran, wenn so etwas publik werden würde. Oder meinen Sie, dass auch nur einer von 300 Olympiateilnehmern in einer Umfrage zugeben würde, dass er dopt?

Dann würde die Sportförderung gestrichen werden usw. Dass hier ehrlich geantwortet wird, dafür sehe ich keine Chance. Warum sollen ausgerechnet die Nachwuchsleistungssportler ehrlich geantwortet haben? Vielleicht haben sich ein paar junge Leute ja auch einen Scherz erlaubt.

Wir haben 480 Bundes- und Landeskaderathleten zwar in einem stark anonymisierten Testverfahren befragt, aber in so offiziellen Institutionen wie der Universität in Tübingen und dem Olympiastützpunkt in Stuttgart. Wir
gehen auf jeden Fall davon aus, dass die Athleten ernsthaft geantwortet haben. Parallel haben wir einen anonymen Fragebogen für 1.400 Sportler mitlaufen lassen. Dort hat nur einer Doping angegeben. Somit ge- hen wir davon aus, dass auch keiner Doping einfach einmal so zum Spaß und ohne ernsthaften Hintergrund vorgibt.

Sollten nicht alle Warnungen vor gesundheitlichen Schäden gerade junge Sportler vor Doping abschrecken?

Ich denke, dass der Athlet eher von seinem Umfeld zum Doping gebracht wird. Ein Athlet ist fasziniert von seinem eigenen Körper und seiner Leistungsfähigkeit. Es ist also die größte Demütigung, wenn er zu Do- pingmitteln greift. In diesem Moment gibt er so viel von sich auf, er muss sich eingestehen, dass er von sich aus nicht mehr der Beste sein kann. Wenn er aber spürt, dass die Konkurrenz ohnehin dopt, ist er schon fast
dazu gezwungen, auch zu anderen Mitteln zu greifen.

Wie sollte der Anti-Doping-Kampf Ihrer Meinung nach aussehen?

Die Anti-Doping-Bemühungen im Leistungssport sind so insuffizient, dass sie scheitern müssen. 5,6 Millionen Euro gibt in Deutschland der Staat für den Anti-Doping-Kampf aus. Das ist gerade mal so viel, wie ein guter
Profifußballer im Jahr verdient.
Und man erwartet, dass diese Summe alles ab deckt: Dopinglaboratorien, Test verfahren, die Infrastruktur der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, Chemikalien, Mitarbeiter etc. Das alles soll mit 5,6 Millionen bezahlt
werden?

Haben Sie Hoffnung, dass das sich in nächster Zeit ändern wird?

Die Hoffnung habe ich. Aber das Problem ist, dass sich keiner richtig zuständig fühlt. Soll die Ausgaben der Steuerzahler tragen, soll das die Sportförderung leisten zulasten ihrer Athleten, sollen die Verbände dafür aufkommen?
Wirklich zuständig sind eigentlich nur die Athleten, die ein Interesse daran haben, ihren Sport sauber zu betreiben.
Aber allenfalls Fußballer könnten sich das leisten, Ruderer beispielsweise nicht.

Sie haben vor einem halben Jahr bei einer Anhörung im Sportausschuss des Bundestages mehr Geld für die Forschung eingefordert.

Da bin ich weitgehend auf taube Ohren gestoßen. Vertreter des Bundesinnenministeriums haben immerhin noch vernünftig argumentiert: Im internationalen Vergleich stehe Deutschland nicht schlecht da.
Allerdings gibt Frankreich immerhin 17 Millionen für den Anti-Doping-Kampf aus, und auch da gibt es viele positive Fälle. Aber die Franzosen sind führend im Kampf gegen Doping. Nicht umsonst haben sie als erste eine Nachweismöglichkeit für EPO entwickelt.

Sie haben die Studie im Leistungssportbereich durchgeführt. Ziehen Sie irgendwelche Rückschlüsse für den Breiten-und Freizeitsport?

Im Breitensport ist es meiner Meinung nach noch schlimmer. Einem Leistungssportler geht es mehr um die eigene Leistungsfähigkeit. Bei vielen Breitensportlern geht es nur darum, schneller zu sein als der Nachbar
oder eine bestimmte Distanz in einer gewissen Zeit zu schaffen.
Oder aber, es geht allein um die Verschönerung des eigenen Körpers.
Nehmen wir mal die aktuellen Zahlen. Laut einer Umfrage unter männlichen Besuchern von Fitnessstudios
haben 20 Prozent zugegeben, schon mal gedopt zu haben
.

Bei einer Umfrage bei beiden Geschlechtern kam eine Zahl von 13,5 Prozent heraus.

Das Gespräch führte Jochen Dick

 

author: GRR

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