Was die WM im Olympiastadion tatsächlich bewirkt hat, wird sich in der Tat erst in einigen Jahren herausstellen.
Das Sportereignis 2009 – Leichtathletik-WM: Auffrischung zur rechten Zeit – Hat die WM in Berlin der Leichtathletik geholfen? Und was hat sie der Sportstadt Berlin gebracht? Ein Blick zurück auf das wichtigste Sportereignis des Jahres 2009 – nicht nur für Berlin. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Die größten Sportveranstaltungen der Welt werden inzwischen auch an ihrem Vermächtnis gemessen, was sie als Erbe hinterlassen, ein paar hübsche Sportstätten oder millionenschwere Sponsorenverträge oder viele neue Vereinsmitglieder.
Das Wort Vermächtnis gefällt Clemens Prokop jedoch gar nicht. „Das hört sich so an, als wenn jemand gestorben wäre“, sagt der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
Die Leichtathletik-WM habe jedoch gerade das Gegenteil bewirkt, glaubt Prokop, eine Neubelebung oder zumindest eine Auffrischung. „Die WM hat in vielen Bevölkerungsgruppen die Popularität der Leichtathletik zurückgebracht. Sie hat mit den begeisterten Zuschauern im Stadion und an der Strecke Mut und Selbstvertrauen für die kommenden Jahre gegeben“, sagt der DLV-Präsident, der im November für vier weitere Jahre im Amt bestätigt wurde.
Was die WM im Olympiastadion tatsächlich bewirkt hat, wird sich in der Tat erst in einigen Jahren herausstellen. Aber es gibt schon kurzfristige Effekte und Nicht-Effekte. Mit Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius wurde eine Leichtathletin Sportlerin des Jahres, Diskuswurf-Weltmeister Robert Harting kam auf Platz drei.
Die WM konnte jedoch beispielsweise Asics, einen der bedeutendsten Laufschuhhersteller, nicht davon abhalten, sich mit Fördermaßnahmen aus der klassischen Stadionleichtathletik herauszuziehen und auf den Laufsport vor allem auf der Straße zu konzentrieren. Auch die finanziellen Sorgen einiger großer deutscher Leichtathletikvereine konnte sie nicht lösen.
LAZ Salamander Kornwestheim musste dadurch einige seiner besten Athleten ziehen lassen wie Sprinter Tobias Unger, der nun für die Stadtwerke München startet. „Wir müssen über neue Partnerschaften zwischen Verband und Vereinen nachdenken“, sagt Prokop daher. So könnte der DLV über seine Sponsoren künftig mehr Athleten selbst unterstützen.
In anderen Bereichen hat die Leichtathletik dafür ihren Status halten können, was angesichts der Talfahrt der vergangenen Jahre durchaus ein Erfolg ist. Ein Vertrag mit der SportA, dem Rechtevermarkter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, steht vor dem Abschluss, zu ähnlichen Konditionen wie bisher, auch wenn Prokop sagt: „Wir hoffen noch auf die ein oder andere Verbesserung.“
Wenn die SportA einen Vertrag mit dem Istaf abschließt, wird auch das größte deutsche Meeting erhalten bleiben. Es soll am 22. August im Berliner Olympiastadion stattfinden, nicht wie ursprünglich geplant im kleineren Jahn-Sportpark. Auch diese Entwicklung ist ein Erfolg. Der Verbleib des Istaf im Olympistadion vergrößert auch die Chancen einer deutschen Bewerbung für die Europameisterschaften. „Spätestens 2018 wollen wir die EM ausrichten“, sagt Prokop, vielleicht auch schon zwei oder vier Jahre früher, das Berliner Olympiastadion wäre die erste Adresse.
Das Verhältnis zwischen Berlin und der Leichtathletik scheint die WM gefestigt zu haben. Einige Wochen danach ehrten sich DLV-Präsident Clemens Prokop und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit gegenseitig. Prokop erhielt den Verdienstorden des Landes Berlin, Wowereit den DLV-Ehrenring.
20 Millionen Euro hatte Berlin zum Etat des WM-Organisationskomitees beigetragen, und es war schon vor der WM spekuliert worden, ob dieser Zuschuss ausreicht. „Es stehen noch eine Reihe von unwägbaren Positionen aus, aber ich denke, dass wir keinen Nachschlag brauchen“, sagt Prokop. Die wirtschaftliche Schlussbilanz will Wowereit im neuen Jahr vorstellen.
Ob die Leichtathletik auch Kinder und Jugendliche bleibend begeistert hat, werden die Vereine spätestens im Frühjahr spüren können, wenn die Leichtathletik wieder dort stattfindet, wo sie zu Hause ist, unter freiem Himmel.
Friedhard Teuffel im Tagespiegel, Montag, dem 28. Dezember 2009