An den Konflikten um Damsgaard kann man sehen, wie wenig harmonisch es zugeht im Kampf gegen Sportbetrug. Trotzdem: Damsgaards Einlassung beweist, was jedem Olympia-Beobachter klar sein muss: dass die Spiele nicht so sauber sind, wie sie wirken.
Olympia: Doping Trügerische Sauberkeit – Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung – Der dänische Anti-Doping-Kämpfer Rasmus Damsgaard weiß von gedopten Läufern bei den Olympischen Spielen in Vancouver. Belangen kann sie niemand.
Rasmus Damsgaard sieht etwas, was andere nicht sehen. Er ist beim internationalen Skiverband Fis zuständig für die Dopingtests im Langlauf und hat schon manchen Athleten im Wettkampf erlebt, obwohl er nach seinen Erkenntnissen wegen Leistungsmanipulation gesperrt gehörte.
Vor knapp einem Jahr hat Damsgaard öffentlich gemacht, dass er verdächtige Urinproben mit nachgebesserten Tests nachträglich als positiv hätte ausweisen können, wenn das zuständige, von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada akkreditierte Labor ihm die B-Proben zum Neutest überlassen hätte.
Jetzt schreibt Damsgaard auf SZ-Anfrage via Email: "Zusätzlich zu den fünf Athleten kamen noch ein paar mehr hinzu, nicht nur wegen abnormer Blutprofile, sondern auch wegen Epo-Urin-Profilen. Sie konnten nicht gesperrt werden, weil ein Wada-akkreditiertes Labor die B-Proben zerstört hatte. Die meisten dieser Athleten konnten danach in Folge-Kontrollen positiv getestet werden. Ein paar der Läufer bleiben, sie sind immer noch am Start, auch bei den Olympischen Winterspielen, und sie sind gut."
Umstrittender Kämpfer
Rasmus Damsgaard ist nicht unumstritten in der Anti-Doping-Szene. Das liegt zum Beispiel daran, dass er sich als frei schaffender Doping-Bekämpfer vom siebenmaligen Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong als privater Anti-Doping-Kämpfer hat einkaufen lassen. In der Debatte um die wegen anormaler Blutwerte gesperrte Claudia Pechstein hat er Partei für die Athletin ergriffen. Und zumindest die ersten fünf verschlampten Proben hat der eigenwillige Damsgaard selbst zu verantworten, weil er nicht rechtzeitig beantragte, die B-Proben länger als drei Monate aufzubewahren.
An den Konflikten um Damsgaard kann man sehen, wie wenig harmonisch es zugeht im Kampf gegen Sportbetrug. Trotzdem: Damsgaards Einlassung beweist, was jedem Olympia-Beobachter klar sein muss: dass die Spiele nicht so sauber sind, wie sie wirken.
Am Dienstag hat Mark Adams, Kommunikationsdirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), zur aktuellen Kontroll-Situation der Spiele verlautbart: "Vor-Wettkampf total: 888. Urin 637 und Blut 251. Nach-Wettkampf, 776 total, 657 Urin und 119 Blut. Nichts anderes zu berichten." Seine Botschaft: Es wird getestet, was das Zeug hält, die Athleten sind nach aktuellen Erkenntnissen und vorhandenen Testmöglichkeiten sauber. Kein Positiv-Fall stört die olympische Idylle, kein Affären-Spektakel wie 2006 in Turin, als die Polizei auf Anzeige des IOC wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen Italiens Anti-Doping-Gesetz Dopingmaterial bei österreichischen Langläufern und Biathleten fand.
Zwar durchsuchte die kanadische Polizei kürzlich ohne klare Angaben von Gründen das Athletendorf – fand aber nichts Verdächtiges. Auch die Zahl der Schutzsperren wegen erhöhter Hämoglobin-Werte, die offiziell ein Gesundheitsrisiko wegen zu dicken Blutes, inoffiziell einen Verdacht auf Blutdoping anzeigen, ist bei diesen Spielen geringer. Für den Fis-Bereich waren es in Turin zwölf, eine betraf die Deutsche Evi Sachenbacher-Stehle. In Kanada zählt Damsgaard drei: der Kombinierer Nijaz Nabejew (Russland) sowie die Langläufer Kaspar Kokk (Estland) und Benjamin Koons (Neuseeland) mussten fünf Tage pausieren. Lauter unbekannte Leute.
"Ich kriege sie früher"
Aber die Wahrheit ist eben auch, dass es zum Beispiel reichlich Epo-ähnliche Substanzen gibt, die Athleten sorglos anwenden können, weil sie gar nicht nachweisbar sind. Nachdem diese Woche endlich der erste Positiv-Test auf Wachstumshormone beim britischen Rugby-Profi Terry Newton bekannt wurde, sagte IOC-Mann Adams eilig: "Ja, wir testen auf HGH." Jedoch nicht mit dem aussichtsreichen Bluttest, den der deutsche Mediziner Christian Strasburger entwickelt hat, sondern mit einer schwächeren Methode, wie vor den Spielen Montreals Antidoping-Labor-Chefin Christiane Ayotte sagte – diese müssen professionelle HGH-Doper kaum fürchten.
Dass die Wada vor der Eröffnungsfeier den Eindruck erweckte, bei vorolympischen Tests seien über 30 Teilnehmer aufgeflogen, ehe sich herausstellte, dass sie damit Tests aus dem vergangenen halben Jahr meinte, hat ihre Glaubwürdigkeit ohnehin nicht befördert. Das IOC darf bester Hoffnung sein, dass sein Spektakel von Skandalen unbehelligt bleibt und es allenfalls positive Nachtests gibt – dann, wenn die Bilder der Spiele längst versendet sind. Nur täuschen darf man sich davon nicht lassen.
"Die Hämoglobin-Werte sind allgemein viel niedriger als bei früheren Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften, das zeigt ein saubereres Feld an", sagt Damsgaard. Aber: "Es gibt physiologische Variationen unterhalb der Wada-Grenzwerte, die verdächtig sein könnten. Mit Rücksicht auf die Rechte der Athleten verfolgt die Fis diese sehr wenigen Läufer aufmerksam."
Für Sportromantik gibt es keinen Grund, auch wenn Damsgaard warnt: "Wenn sie betrügen, kriege ich sie früher oder später."
Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung, Donnerstag, dem 25. Februar 2010