Auf die afrikanischen Gene angesprochen, die sie so schnell machten wie sonst nur amerikanische und karibische Sprinterinnen, widerspricht er. Talent reiche nicht aus, sagt er, hinter Erfolg wie dem von Yasmin und Sosthene stecke harte Arbeit und kontinuierlicher Aufbau.
Yasmin Kwadwo und Sosthene Moguenara – „Sie haben einen unheimlichen Bums im Fuß“ – Michael Reinsch, Doha, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
12. März 2010 – Wenn das keine deutschen Tugenden sind: Fleiß, Disziplin und Zielstrebigkeit. Die beiden Wattenscheider Leichtathletinnen Yasmin Kwadwo und Sosthene Moguenara haben sie mitgebracht zur Hallen-Weltmeisterschaft in Doha an diesem Wochenende, besser: Diese Tugenden haben sie zu den Titelkämpfen ins Emirat Qatar gebracht.
Die 19 Jahre alte Sprinterin Kwadwo hat, um sich auf Abitur und sportliche Reifeprüfung vorbereiten zu können, eine Einladung zu den Olympischen Winterspielen nach Vancouver ausgeschlagen, die sie als „Eliteschülerin des Jahres“ gewonnen hatte.
Bei der deutschen Meisterschaft vor vierzehn Tagen in Karlsruhe machte sie mit dem Sieg über 60 Meter in 7,29 Sekunden deutlich, wohin sie wirklich will: in die deutsche Sprintstaffel. Die Weitspringerin Moguenara hat bei gleicher Gelegenheit ihren Titel mit 6,75 Meter verteidigt – einer Weite, die seit den Zeiten einer Heike Drechsler keine deutsche Weitspringerin mehr erreicht hat. Auch das ist kein Zufall. Die Zwanzigjährige ist gerade Profisportlerin mit Vertrag bei der Bundeswehr geworden.
“Wer keine Berufsausbildung macht oder nicht studiert, handelt verantwortungslos“: Yasmin Kwadwo
Hautfarbe und Namen der beiden verraten ihre afrikanische Herkunft. Yasmin Kwadwos Eltern stammen aus Ghana, ihr Vater, ein Schweißer, machte als Fußballspieler mit seiner Schnelligkeit von sich reden. Yasmin wurde in Dortmund geboren und kam, als sie beim Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ auffiel, mit elf Jahren nach Wattenscheid.
„Die beiden sind außergewöhnlich talentiert“
Bei der U-20-Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Novi Sad gewann sie im deutschen Nationaltrikot über hundert Meter und mit der Staffel die Goldmedaille. „Jetzt weiß ich, dass ich zu den Besten gehöre“, sagte sie in Karlsruhe nach ihrem ersten Sieg bei den Erwachsenen. „Der Grund dafür sind mein Training und mein konsequenter Glaube.“
Für Sosthene Moguenara war im vergangenen Jahr schon der Weg zur Weltmeisterschaft in Berlin bereitet. Es liege im nationalen Interesse, entschied das Bundesinnenministerium, dass sie deutsche Staatsbürgerin werde. Seit Juni 2009 hat sie den Pass. Sie war mit neun Jahren aus dem Tschad nach Essen zu ihrer Tante gezogen. Auch sie fiel beim Schulsport auf; der Adoptivvater meldete sie bei TuS Helene an. Mit zehn wechselte sie nach Wattenscheid.
Yasmin Kwadwo und Sosthene Moguenara stehen für die Chancen, die der Sport bietet. Slavomir Philipowski trainiert die beiden seit fünf Jahren. Auf die afrikanischen Gene angesprochen, die sie so schnell machten wie sonst nur amerikanische und karibische Sprinterinnen, widerspricht er. Talent reiche nicht aus, sagt er, hinter Erfolg wie dem von Yasmin und Sosthene stecke harte Arbeit und kontinuierlicher Aufbau. Aber, keine Frage: „Die beiden sind außergewöhnlich talentiert.“ Rüdiger Harksen, der Bundestrainer für den Sprint- und Laufbereich, sagt es so: „Sie haben einen unheimlichen Bums im Fuß.“
„Da ist noch Luft nach oben“
Am Persischen Golf sollen die beiden Debütantinnen „genießen und Erfahrung sammeln“, hat ihnen der Coach mit auf den Weg gegeben. Mit dieser Devise sind sie nicht allein in der deutschen Auswahl von nur 17 Teilnehmern. Sie gilt auch für Meike Kröger, die jüngste Zwei-Meter-Hochspringerin Deutschlands, und für den Jugend-Europameister im Kugelstoßen, David Storl. Ziel des Jahres ist die Europameisterschaft in Barcelona. Yasmin Kwadwo soll dann mit der Staffel eine Medaille gewinnen und den Endlauf im Sprint erreichen. Sosthene Moguenara hat ebenfalls gute Aussichten auf einen Medaillenrang. Dabei trainiert sie Weitsprung erst seit drei Jahren. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Philipowski über ihre Technik.
Die Abiturientin Yasmin Kwadwo kann sich mitreißend über die Gegenwart freuen. Doch sie denkt über den Sport hinaus. Sprintprofi will sie deshalb nicht werden. „Wer keine Berufsausbildung macht oder nicht studiert“, sagt sie, „handelt verantwortungslos.“ Dabei spricht sie vermutlich nicht nur für sich. Beim TV Wattenscheid trainiert eine Zehnjährige, von der Philipowski überzeugt ist: „Die wird schneller als Yasmin.“
Das Talent trägt denselben Familiennamen und gleiche Gene. Es ist Keshia Kwadwo, die kleine Schwester.
Michael Reinsch, Doha, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 12. März 2010