«Unbeschreiblich!» – Renate Wyss bringt es auf den Punkt, wenn sie von den Schönheiten des Hallwilerseelaufs spricht. Die Solothurnerin aus Beinwil kam letztes Jahr im aargauischen Beinwil nicht nur darum zu einem prägenden Erlebnis.
Die Vorstellung der schönsten Schweizer Läufe aus dem Heft \“Swiss Runners 2010\“ – See, Schilf und Schloss – 36. Hallwilerseelauf am 16. Oktober 2010
Als sich Renate Wyss letzten Oktober an die Startlinie in Beinwil am See stellte, wusste sie: «Ich bin fit, ich kann schnell laufen.» Weil zudem die Temperatur stimmte, schöpfte sie Hoffnung auf eine gute Zeit. Diese Vorgabe verleitete sie aber nicht zu falscher Euphorie. Sie hielt sich zurück, drosselte ihren Rhythmus auf den ersten zwei abfallenden Kilometern von Beinwil nach Mosen.
Das war die richtige Taktik. Eine Tücke des Hallwilerseelaufs ist der Auftakt. Er ist prädestiniert für einen Schnellstart. Und dieser kann die Aussicht auf ein befriedigendes Endergebnis früh zerstören. Renate Wyss aber fand die Balance. «Ich nahm diesen kräfteschonenden Auftakt zum Hineinkommen, zum Einrollen, zum Sehen, wo ich stehe», sagte sie. Und sie blieb ruhig, hielt sich zurück. «Das musst du ganz bewusst tun», sagte sie, «du darfst dich nicht verrückt machen lassen durch die davonziehende Konkurrenz.»
Renate Wyss konzentrierte sich auf sich selber. Das fiel leicht. An der Umgebung fand sie Gefallen. Sie empfand das Rennen als abwechslungsreich und schön. «Die Natur, der See, diese ‹Wägli› – unbeschreiblich», sagt sie. Weil das Wetter letztes Jahr regnerisch war, bildeten sich «Pfützen». «Anfänglich machte ich Bogen und übersprang sie», sagte die 24-Jährige. Die Füsse wurden dennoch nass. Bald nahm sie keine Rücksicht mehr und lief durch die kleinen Seen – «ein besonderes Erlebnis». Und die Strecke bot weitere Highlights.
Das Schloss als Höhepunkt
Als Stimmungshoch empfand sie die Passage des Schlosses Hallwyl und dessen Park. «Da herrschte eine einzigartige Atmosphäre, da feuerten uns viele Zuschauer an und sorgten für einen Motivationsschub. Renate Wyss nutzte diesen. Wenig später lief sie zur vor ihr laufenden Äthiopierin Geshagne Addis auf. Und sie staunte: «Sie ist mir zu langsam.» Sie überholte und widersetzte sich der warnenden inneren Stimme, die fragte: «Übernimmst du dich nicht, ist es nicht zu früh für diesen Angriff?»
War es nicht. Renate Wyss kam durch und lief nach starken 1:16:48 Stunden als überraschende Zweite im Ziel ein. Die Beobachter staunten ebenso wie sie selber. Fünf Monate zuvor war sie in Neuseeland ihren ersten Halbmarathon in 1:21 Stunden gelaufen. Das Unterbieten der 1:20 hatte sie sich vorgenommen. Das Erfolgserlebnis des Hallwilerseelaufs vermittelt ihr neue Zuversicht. Die einstige mehrfache Nachwuchs-Meisterin auf der Bahn und der Strasse hat nach drei Semestern Biomedizin-Studium in Melbourne – in Down Under gewann sie den Studenten-Cross-Meistertitel – in der Schweizer Szene wieder eine Duftmarke hinterlassen. «Internationale Wettkämpfe sind mein Ziel, Europa- und Weltmeisterschaften, Olympische Spiele», betont sie.
Markante Entwicklung
Der Hallwilerseelauf hat sie auf ihrem Weg sogleich bestätigt und eine weitere Entwicklung eingeleitet. Bereits stark entwickelt hat sich der Hallwilerseelauf in den letzten beiden Jahren so wie kaum ein anderer Schweizer Volkslauf-Klassiker. Nachdem 2007 noch 5301 Klassierte gezählt worden waren, waren es 2008 5821 und letztes Jahr 6403. Das sind mehr als doppelt so viele Startende im Vergleich zur Einwohnerzahl des Start- und Zielortes Beinwil am See. Den Gefahren, die sich durch dieses Wachstum ergeben, sind sich die Organisatoren durchaus bewusst. «Wachsen ist schön, darunter leiden darf aber niemals die Qualität», sagt OK-Präsident Roland Müller. Denn, der Hallwilerseelauf soll seinen Reiz durch die Naturnähe und seine Überblickbarkeit nicht verlieren.
Mehr Informationen zum 36. Hallwilerseelauf 2010 unter www.hallwilerseelauf.ch.