Kurzfristig hat hingegen Jan Fitschen, der angekündigte 10.000-m-Europameister von Göteborg, auf einen Start verzichtet
Vier deutsche Läufer erreichen EM-Norm über 10.000 m in Ohrdruf – Mockenhaupt mit souveränem Start-Ziel-Sieg
„Das war nicht zu erwarten, dass heute gleich drei Männer die EM-Norm laufen. Bei den Frauen war es für Sabrina Mockenhaupt allerdings das erwartete Solorennen mit der Normerfüllung“, zog Langstrecken-Disziplintrainer Detlef Uhlemann ein Fazit bei den Deutschen 10.000-m-Meisterschaften in Ohrdruf.
Während Sabrina Mockenhaupt schon gleich nach dem Startschuss bei keineswegs idealen Bedingungen ihren Alleingang startete und die Zielzeit von 32:25 Minuten mit letztlich 32:10,31 Minuten deutlich unterbot, mobilisierten die Männer nach 8.000 m ihre letzten Kräfte, so dass mit Christian Glatting (28:40,18), Filmon Ghirmai (28:41,36) und Musa Roba-Kinkal (28:41,90) alle drei in der Spitzengruppe verbliebenen Läufer unter der vom DLV geforderten EM-Norm von 28:45 Minuten blieben.
Schon nach 5000 m schien das angestrebte Ziel für die Männer nicht zuletzt wegen dem wenig konsequenten Wechsel in der Führungsarbeit außer Reichweite. „Es ist zwar toll, wie die es immer wieder versuchen. Aber das wird nicht reichen“, meinte Uhlemann beim stetigen Blick auf die Zwischenzeiten. Doch der Disziplintrainer hatte nicht mit dem unbedingten Willen der Glatting, Roba-Kinkal und Co. gerechnet. Mit 2:45 und 2:40 für die beiden Schlusskilometer war plötzlich das außer Reichweite geratene Ziel wieder real. „Ich bin froh, dass es dann doch noch so gut geklappt hat, auch wenn ich so viel fürs Tempo machen musste. Die Beine haben mir auf der Zielgeraden ganz schön geschmerzt“, sagte ein überglücklicher Christian Glatting, der nach dem überraschenden Crosstitel in Stockach nun auch 10.000-m-Meister in Ohrdruf geworden war.
Dazwischen gewann der Wattenscheider aus dem schwäbischen Aalen übrigens noch die Bronzemedaille bei den Studenten-Crossweltmeisterschaften in Kingston (Kanada). Bei aller Genugtuung über die erreichte EM-Norm ist der 24-jährige Medizinstudent allerdings auch Realist genug, um die Steigerung seines Hausrekordes um 44 Sekunden entsprechend einzuordnen. „Mit dieser Zeit werde ich in Barcelona allenfalls im hinteren Drittel landen, vielleicht reicht es für eine Platzierung um Rang zehn. Wenn mir in den nächsten zwei, drei Jahren noch einmal ein derartiger Sprung gelingt, dann kannst du natürlich einmal vorne mitlaufen.“
Dank seiner exzellenten Spurtqualitäten wäre dem Titelverteidiger und Hindernis-Spezialisten Filmon Ghirmai fast ein erneuter Coup wie in Bremen gelungen, doch dabei war das Rennen in der Anlage auch gleich eine Minute schneller. „Mein Ziel ist natürlich die Hindernisnorm von 8:28 Minuten. Falls ich allerdings die Norm dann um vielleicht eine Sekunde verpassen sollte, dann habe ich auf jeden Fall schon einmal die über 10.000 m“, freute sich der Tübinger, der nach einem Erfolg versprechenden Trainingslager in Iten (Kenia) auf eine gute Saison blicken kann – über die Hindernisse.
Obwohl nach aufopferungsvoller Führungsarbeit letztlich geschlagen, zeigte sich Musa Roba-Kinkal mit seinem Resultat überaus zufrieden: „Das war heute der richtige Fingerzeig. Nach dem Paderborner Osterlauf ein weiteres gutes Ergebnis, das mir die Gewissheit gibt, dass ich mit meinem Trainer Alexander Mikitenko im Winter alles richtig gemacht habe.“ Als ,Trostpflaster’ gab es für ihn immerhin den Juniorenmeistertitel.
Unglücklicher Vierter im dramatischen Finale wurde Sebastian Hallmann, der nach 29:09,30 Minuten nun die EM-Norm über die halb so lange Distanz in Angriff nehmen möchte. „Da fühle ich mich eindeutig wohler.“ Mit Philipp Flieger (Fünfter/29:13,42), Zelalem Martel (Sechster/29:27,85), Richard Ringer (Siebter/29:30,41) und Rico Schwarz (Achter/29:57,82) konnten allesamt junge Läufer zwischen 21 und 24 Jahren auf sich aufmerksam machen.
Kurzfristig hat hingegen Jan Fitschen, der angekündigte 10.000-m-Europameister von Göteborg, auf einen Start verzichtet. „Jan hat sich eine Erkältung eingefangen, die auch keine Abschlussbelastung zugelassen hat, deshalb haben wir entschieden, hier nicht zu starten“, erklärte Fitschen-Trainer Tono Kirschbaum. „Er ist natürlich noch nicht der alte und hätte heute nicht in der ersten Reihe laufen können. Ich war in Flagstaff schon überrascht, wie gut er mit den anderen mithalten konnte. Jetzt wird er es Anfang Juni in Marseille versuchen.“
Sehr entspannt drehte Sabrina Mockenhaupt nach ihrem souveränen Start-Ziel-Sieg auf dem gepflegten Rasen im Stadion am Goldberg auf Strümpfen ihre Runden. „Mit Spikes zu laufen bin ich nicht mehr gewohnt. Für die Füße ist das sehr angenehm“, kommentierte sie das entspanntes Auslaufen nach dem 25-Runden-Pflichtprogramm. „Ich bin in Ohrdruf angetreten, um die Norm zu laufen. Schon nach 5.000 m hatte ich einen guten Zeitpuffer. Schon alleine aus dieser Sicht heraus fühle ich mich in aufsteigender Form.
Bis zum Saisonhöhepunkt mit der EM in Barcelona habe ich noch etwas Zeit. In den vergangenen Jahren war ich vielleicht auch zu früh in Form. Es ist schon gut so.“ Die kleine Siegerländerin übt derzeit den Spagat zwischen Straße und Bahn, um in Form zu kommen. So steht zunächst der AVON-Frauenlauf in Berlin über 10 km an, dann ein schnelles 5.000-m-Rennen in Hengelo.
Einen wesentlich stärkeren Eindruck als zuvor machte, sicherlich mit Abstand zu Sabrina Mockenhaupt, Simret Restle, die mit der Schweizer Berglauf-Europameisterin Martina Strähl eine überaus kampfstarke und temporesistente Konkurrentin bekommen hatte. „Das war ein ideales Laufen, wir konnten uns super abwechseln“, gab sie im Ziel ein Kompliment an die Schweizerin. Dem stetigen Führungswechsel jedenfalls ist es zu verdanken, dass die Neu-Kasselerin mit 33:08,84 und die Berglauf-Spezialistin mit 33:11,21 Minuten starke Resultate abliefern konnten.
Für die Schweizerin war das sogar die Norm für Barcelona, die der Leichtathletik-Verband der Eidgenossen exakt auf die internationale Norm von 33:25 Minuten fixiert hat. Auf Rang drei steigerte sich Ingalena Heuck zwei Wochen nach dem Gewinn der Halbmarathonmeisterschaft auf 33:30,25 Minuten. „Ich musste mein Rennen laufen, weil Simret und Martina doch etwas stärker waren als ich.“ Im Kampf um den Juniorentitel setzte sich die frühere Jugendmeisterin Christina Kröckert nach langer Durststrecke in 34:07,43 gegen die Cross-Vizemeisterin Anna Hahner (34:48,62) überraschend klar durch.
Eine Parallele zu Sabrina Mockenhaupt gab es bereits zu Beginn der Meisterschafts-Wettbewerbe, als Corinna Harrer mit einem Start-Ziel-Sieg den A-Jugend-Titel über 5000 m in 16:47,04 mit dreißig Sekunden Vorsprung gewann. „Klar, ich wäre gerne einige Sekunden schneller gelaufen, aber am Donnerstag beginnt für mich das Abitur. Und das hat klare Priorität“, freute sich die U19-EM-Zweite über 800 m über die erfolgreiche Titelverteidigung.
race-news-service.com/Wilfried Raatz