Methodisch betrachtet handelt es sich bei diesem soziologischen Forschungsprojekt um eine bundesweit angelegte schriftliche Befragung mit 1.812 Trainern und weiteren 616 Funktionsträgern
Was wissen wir über Trainer im Spitzensport und ihr Berufsfeld? – Tübinger Forschergruppe legt Ergebnisse einer umfassenden Studie vor – Die Rezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Trainerinnen und Trainer im Sport sind wesentlich für den Erfolg ihrer Athletinnen und Athleten verantwortlich. Insbesondere Trainer im Spitzensport stehen unter einem enormen Erfolgsdruck. Ihre Arbeit findet in aller Öffentlichkeit statt und wird medial kritisch beleuchtet.
Trainerpositionen sind permanent instabil … aber ohne Trainer gäbe es keinen Wettkampfsport. Was wissen wir eigentlich (noch nicht) über das „Berufsfeld Trainer im Spitzensport“ (Buchtitel)? Dieser wichtigen Frage ist jetzt ein Team von Tübinger Sportwissenschaftlern mit den Sportsoziologen Prof. Dr. Helmut Digel und Prof. Dr. Ansgar Thiel an der Spitze in einer empirischen Analyse nachgegangen, die erstmals umfassende Informationen zu den Arbeits- und Anstellungsbedingungen einschließlich der Karrierewege von Trainern und Traine-rinnen im deutschen Spitzensport wissenschaftlich erhoben und ausge-wertet hat.
Wie werden die Ergebnisse der Studie, die aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert wurde, in der vorliegenden Publikation präsentiert? Das Buch besteht nach der Einführung vorn (Teil I) und dem Fazit am Ende (Teil V) aus insgesamt drei großen inhaltlichen Teilen, in denen zunächst das theoretische Konzept für die Untersuchung (Teil II) skizziert wird, bevor das Forschungsdesign (Teil III) und die wichtigsten Ergebnisse (Teil IV) kompakt und verständlich vorgestellt werden. Für eilige Leserinnen und Leser bieten die vier Autoren zwischendurch immer wieder kurze Abschnitte mit Zusammenfassungen von Teilergebnissen an.
Methodisch betrachtet handelt es sich bei diesem soziologischen Forschungsprojekt um eine bundesweit angelegte schriftliche Befragung mit 1.812 Trainern und weiteren 616 Funktionsträgern vornehmlich aus den Mitgliedsorganisationen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) einschließlich der Olympiastützpunkte.
Darüber hinaus wurden sog. qualitative Interviews mit Experten aus diesem Adressatenkreis und mit weiteren Repräsentanten des DOSB und des für den Spitzensport zuständige Bundesministeriums des Innern zum Forschungsthema geführt sowie bereits vorliegende und somit nicht eigens für das Projekt erhobene schriftliche Dokumente (z.B. Tagungsberichte und Sitzungsprotokolle, ferner Rahmenvereinbarungen etc.) zum Berufsfeld Trainer im Spitzensport herangezogen.
Versucht man ausgewählte Ergebnisse zur Figur des Spitzensport-Trainers ein wenig zu bündeln, dann könnte man ihn nun auf der Grundlage der Daten sehr vereinfacht etwa so beschreiben: Der „durchschnittliche“ Trainer im Spitzensport ist männlich (87,09%) und war zum Untersuchungszeitpunkt 45,5 Jahre alt. Er ist meist verheiratet (63,5%) und hat zudem auch Kinder (72,7%).
Die Mehrzahl der Trainer arbeitet im Angestelltenverhältnis (76,27%), wobei eine sog. Arbeitgebervielfalt vorliegt, die statistisch angeführt wird von den Landesfachverbänden (29,4%) vor den nationalen Spit-zenverbänden (20,54%).
Ein Großteil der derzeit im Spitzensport tätigen Trainer verfügt selbst über eine Karriere als Spitzensportler (81,49%). Das Abitur ist der dominierende Schulabschluss unter den Trainern (77,14%), häufig (61,81%) haben sie sogar ein Studium abgeschlossen. Die meisten von ihnen haben dies in der Fachrichtung Sportwissenschaft absolviert (78,87%).
Mehr als die Hälfte der angestellten Trainer (59,6%) besitzt eine Trainer-Lizenz auf der höchsten Ausbildungsstufe, wobei auffällt, dass „B-Lizenzen in weniger Fällen vorliegen, als das für die A-Lizenzen der Fall ist, C-Lizenzen entsprechend weniger als B- und A-Lizenzen“ (S. 123). Das Autorenteam vermutet, dass Erfahrungen im Spitzensport unbehelligt zum „Auslassen“ von Lizenzausbildungen in den Verbänden führen kann, wodurch eine Benachteiligung anderer Traineraspiranten entsteht.
Am Ende ihrer Studie bringen die Autoren zentrale Probleme noch einmal thesenartig auf den Punkt. Es sind insgesamt sogar 16 (!), zu denen sie dann jeweils konkrete Handlungsempfehlungen formulieren – am Beispiel: Ein Ergebnis der Studie lautet, dass Frauen im Trainerberuf in unserem Land unterrepräsentiert sind, obwohl es keine Zugangsbeschränkungen zum Trainerberuf gibt. Es könnte sogar sein, dass sich Frauen gar nicht für ihn interessieren, weil traditionelle Rollenbilder mit den angenommenen Erwartungen an die Trainerrolle kollidieren.
Diesem wahrgenommenen Problem soll mit einer Handlungsempfehlung begegnet werden, die einprägsam dann lautet: „Stärkere Einbeziehung von Frauen in höhere Trainerämter“. Dies könnte z.B. dadurch forciert werden, dass Verantwortliche in Vereinen und Verbänden vor allem Athletinnen frühzeitig auf ihre nachsportliche Karriere vorbereiten und dabei auch den Trainerberuf als eine nahe liegende Option einbeziehen.
Zum Schluss: Das Ziel dieser Studie war, aktuelle empirische Wissensfundamente zum Berufsfeld Trainer im Spitzensport zu schaffen und zwar insbesondere zu der „Verankerung des Trainerberufs in den Spitzensportorganisationen“ und zu den „Karrieren von Trainern“.
Dieses Ziel – soviel als ein knappes, aber eindeutiges Fazit – ist in hervorragender Weise erreicht wor-den. Jetzt kommt es darauf an, sich mit den Ergebnissen der Studie kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen, damit Trainerinnen und Trainer ihre Arbeit zukünftig noch „besser“ machen können … und Athletinnen und Athleten noch erfolgreicher sind.
Helmut Digel, Ansgar Thiel, Robert Schreiner & Sven Waigel: Berufsfeld Trainer im Spitzensport. Schorndorf 2010: Hofmann. 340 S.; 34,90 Euro.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann