Kein Kenia-Wetter, aber wie im Vorjahr ein dreifacher Kenia-Triumph: Bei neun Grad Celsius hält ein Trio schwarzer Laufgazellen die Konkurrenz in Schach
Die 35. Nacht von Borgholzhausen 2010 – Oloisinga verlängert die Serie/Kipsoi bei den Frauen – Haller Kreisblatt v. 21.6. – Claus-Werner Kreft – Sechs Meilen der Männer: Einziger Kenianer im Feld mit Vorsprung – Sansar Fünfter, Dirk Strothmann Achter
Borgholzhausen (cwk). Dem engen Duell des vorletzten Jahres, als eine einzige Sekunde über den Sieg entschied, folgte 2009 der Triumph des Jugendtalents Josphat Kutto mit 26 Sekunden Vorsprung. Und an diesem kalten Juni-Abend 2010 »toppt« Favorit Benson Oloisunga diese Überlegenheit noch, deklassiert das Feld geradezu und bringt volle fünfzig Sekunden Vorsprung ins Ziel.
Als einziger Starter aus Kenia trägt Oloisunga die Bürde, die Siegesserie der ostafrikanischen Läufernation zu verlängern. Als wolle er gar kein Risiko eingehen, setzt er sich mit lockerem, aber energischem Schritt sofort entschlossen ab – seine erste Runde wird mit 6:42 Min. auch die schnellste bleiben. Dann lässt er 6:50 und in den beiden letzten Runden jeweils genau sieben Minuten folgen. „Er musste ja so laufen“, erklärt sein Betreuer Rainer Wagner, „wenn man nicht eingeladen wird, holt man die Prämie nur über den Sieg.“
Der Detmolder findet, dass Oloisunga in diesem Rennen unterfordert und deshalb eher fehl am Platze war. „Die »Nacht« hat ja abgespeckt, vielleicht hätten wir für ihn eine Alternative bei einem stärker besetzten Lauf suchen sollen.“ Der Manager weist auf eine vielschichtige Problematik hin: In Deutschland sterben die gut dotierten Straßenläufe, Profis müssen aber Geld verdienen. Und Manager, die zunächst hohe Investitionskosten haben, sind darauf angewiesen, realistische Angaben zum Leistungsvermögen der nach Europa drängenden Läufer zu erhalten.
Benson Oloisunga, der erstmals in Europa läuft, zählt zu den sympathischen, bescheiden und etwas scheu wirkenden Kenianern: „Der Lauf und die Atmosphäre haben mir sehr gefallen.“ In gebührendem Abstand (der nach Runde 1 freilich erst acht Sekunden beträgt), aber keineswegs enttäuschend machen die lange zusammen laufenden Ukrainer Anton Pototskyy und Sergiy Marchuk die weiteren Medaillenplätze unter sich aus; am Ende trennen sie neun Sekunden. Mit ähnlicher Differenz läuft ein kleiner Mitfavorit, der Marokkaner Charai Abderazzak, als Vierter ein. Er ist stundenlang per Bahn aus Wiesbaden angereist und spricht ein wenig Deutsch. „Ich bin mit meinem Lauf zufrieden“, sagt er.
Ostwestfalens Trumpf, der Vorjahrsdritte Elias Sansar, liegt nach der Auftaktrunde zehn Sekunden hinter dem ukrainischen Routinier Oleksandr Holovnytskyy. Dann aber eröffnet er seine Verfolgungsjagd, schließt auf und nimmt dem Konkurrenten um Rang 5 noch fast hundert Meter ab. Als zweitbester Deutscher im Feld überrascht der Meller Axel Keil, der ein couragiertes Rennen zeigt und Dirk Strothmann klar auf den 8. Rang verweist.
Doch auch der Solbader ist hochzufrieden, zumal er den schon 2009 in den Top Ten platzierten Bielefelder Volkmar Rolfes hinter sich gelassen hat. „Erst an der letzten Steigung wurden die Beine schwer“, berichtet er, „das heißt, dass ich meine Möglichkeiten voll ausgeschöpft habe.“ Respektabel erneut der Auftritt seines 50-jährigen Vereinskollegen Bernd Nedderhoff, auch wenn er als Elfter knapp hinter seinem Hauptrivalen im Nightcup, Torsten Krüger, einläuft.
Kipsoi hat das bessere Ende für sich – FRAUEN-HAUPTLAUF: Kenia-Triple und starke Lokalmatadorinnen
(cwk). Kein Kenia-Wetter, aber wie im Vorjahr ein dreifacher Kenia-Triumph: Bei neun Grad Celsius hält ein Trio schwarzer Laufgazellen die Konkurrenz in Schach. Die deutlich differierenden Zielzeiten lassen nicht erkennen, dass der Zweikampf zwischen Gladys Kipsoi (24) und Mercy Tanui (26) lange völlig offen schien.
Noch nach der »Halbzeit« kleben beide förmlich aneinander; dann löst sich Kipsoi und läuft einen unerwartet klaren Vorsprung von 48 Sekunden heraus – wohl auch, weil ihre Kontrahentin Tanui resigniert und sich auf die Absicherung des zweiten Platzes beschränkt. Der aber ist mit mehr als einer Minute Differenz zu Kipsois Kollegin aus der Gruppe des holländischen Managers Martijn Venhuizen, Rebby Koech, völlig ungefährdet.
Venhuizen, zu dem die ursprünglich im Detmolder Wagner-Camp trainierende Siegerin vor einiger Zeit wechselte, zeigt sich mit den Plätzen 1 und 3 insgesamt zufrieden. „Allerdings hat Rebby ihre Möglichkeiten heute nicht ausgeschöpft“, schränkt er ein. Die an diesem Abend erfolgreichere Gladys Kipsoi, die sich bislang auf Strecken zwischen 5 und 10 km konzentriert, ist mit viel Selbstbewusstsein angetreten: „Ich habe mir vorher etwas ausgerechnet, weil ich Mercy in dieser Saison schon bezwungen habe.“
Trotz oder gerade wegen der kühlen Temperaturen: Mit 32:08 Min. kann sie die Streckenbestzeit ihrer Namensvetterin Gladys Otero (31:38/2008) nicht angreifen. Dafür wachsen hinter der viertplatzierten Russin Elena Bolkhovitina einige Läuferinnen aus der Region über sich hinaus. Die 41-jährige Mellerin Anja Bitter knüpft nahtlos an ihren überraschenden 2. Rang vom Hermannslauf an und avanciert als Fünfte zur besten deutschen Starterin. „Es ist toll für mich gelaufen, ich bin sehr zufrieden“, freut sie sich.
Allen Grund zur Freude haben auch die Lokalmatadorinnen vom LC Solbad: Victoria Willcox-Heidner, zweimal Fünfte bei einer DM, wird auf ihrem Weg zum »Comeback« Gesamtsechste und Klassensiegerin in der W35. Hinter ihr bestätigt W40-Seniorin Sabine Engels mit einem Leistungssprung von 39:01 (2009) auf 38:34 Min. einmal mehr ihr verbessertes Niveau. Und in der W55 ist die unverwüstliche Marianne Niemann erneut eine Klasse für sich.
Claus-Werner Kreft im Haller Kreisblatt v. 21.6.2010
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