Die Forderung, sich mit den Werten der Leichtathletik zu befassen, richtete er an den gesamten DLV: „Ich lege Wert darauf, dass jeder der Übungsleiter ebenso wie der Trainer bis hinauf zum Präsidenten weiß, worin die kulturelle Bedeutung der Leichtathletik liegt.“
Ehrenkolloquium für Prof. Helmut Digel – Dr. Wolfgang Killing/Helmar Hommel
Unter dem Thema „Der Hochleistungssport in Deutschland – Aktuelle Standortbestimmung, Erfordernisse für Gegenwart und Zukunft“ fand am 16. und 17. Juni ein Ehrenkolloquium für Prof. Helmut Digel anlässlich seiner Emeritierung an der Trainerakademie Köln des DOSB statt.
Prof. Helmut Digel – Vordenker, Querdenker, Chefdenker (Foto: Bohlscheid)
Vor etwa 50 Gästen, zu denen sich am zweiten Tag noch 30 aktuelle Trainerstudenten gesellten, hielt DLV-Ehrenpräsident Theo Rous in gewohnt brillanter Manier die Laudatio „Prof. Dr. Helmut Digel – Sportwissenschaftler und Funktionär“ mit Fokussierung auf Prof. Helmut Digels Funktionärslaufbahn. Den Part bezüglich seiner Wissenschaftskarriere sollte Ommo Grupe halten, der aber am Veranstaltungsmorgen absagen musste.
Theo Rous beschrieb den ehemaligen DLV-Präsidenten so: Prof. Helmut Digel gehört zu den bekanntesten Sportwissenschaftlern der Gegenwart, spielt aber gleichzeitig in der Champions League der Sportfunktionäre. Von Haus aus ist er Handballer, war aber Präsident der Leichtathleten. Verwurzelt in seiner schwäbischen Heimat, gleichzeitig Prototyp des Weltbürgers.
Er war der „Vordenker, Querdenker, Chefdenker“, als Präsident des DLV für die Leichtathletik, als Vizepräsident des NOK für den deutschen Sport und später, als Vizepräsident der IAAF, auch international.
In hohem Maße verdient gemacht
Ein solches Etikett ist unzureichend und auch irreführend, wenn man es isoliert stehen lässt. Er hat die Praxis des Deutschen Leichtathletik-Verbandes auf der Basis einer breiten Palette wissenschaftlicher Forschungen und Kenntnisse, nicht nur der eigenen, maßgeblich beeinflusst und gestaltet, bis in die Details des Alltagshandelns. Er hat sich, ob nun Wissenschaftler oder Funktionär, Philosoph oder Handwerker, Handballer oder Leichtathlet, Schwabe oder Weltbürger, um die Leichtathletik und die Leichtathleten in hohem Maße verdient gemacht.
Die Forderung, sich mit den Werten der Leichtathletik zu befassen, richtete er an den gesamten DLV: „Ich lege Wert darauf, dass jeder der Übungsleiter ebenso wie der Trainer bis hinauf zum Präsidenten weiß, worin die kulturelle Bedeutung der Leichtathletik liegt.“ Und beschwor, erläuterte und präzisierte immer wieder das moralische Fundament sportlichen Handelns: Fair Play, Chancen- und Regelgerechtigkeit.
Paul Schmidt stellt Forderungen
Neben Beiträgen aus den Bereichen der Sportwissenschaft und der Sportverbände war ein nicht geplantes Statement vom ehemaligen DLV-Bundes- und Cheftrainer Paul Schmidt ein Höhepunkt der Veranstaltung, in denen er Forderungen zur Stellung der Trainer, aber auch zur Weiterbildung der für den Leistungssport Verantwortlichen formulierte: Wiederbelebung des Trainerbeirats im DOSB (möglichst ab Herbst 2010), Beseitigung des Trainermangels durch 1. langfristige Bedarfsanalyse und 2. spezifische Vorbereitung geeigneter Kandidaten.
Hinzu kam die rhetorische Frage: Wer bewertet die Führungskompetenz von Spitzenfunktionären? Antwort: Niemand. Vorschlag: 1. Ziele für das eigene Aufgabenfeld formulieren, 2. nach angemessener Frist ihre Realisierung überprüfen, 3. Evaluation der Eignung für Führungsaufgaben, 4. gegebenenfalls Nachschulung. Um sportliche Ziele zu realisieren, muss man nicht nur die Bedingungen dafür schaffen, sondern auch geeignete Mitarbeiter auswählen und weiterbilden
Viele Widerstände gegen höhere Professionalisierung
Prof. Helmut Digel selbst formulierte zum Abschluss der Veranstaltung: Im Sport gibt es vielerlei Widerstände gegen eine höhere Professionalisierung, einerseits das Ehrenamt mit hoher Entscheidungsmacht bei eher zufälliger Selektion und Qualifikation, andererseits ist auch die Hauptamtlichkeit unzureichend auf die Aufgaben im Spitzensport vorbereitet. Nicht zuletzt ist der Föderalismus ein Hemmschuh schneller, sachorientierter Entscheidungen für den Spitzensport.
Er weist jedoch darauf hin, dass die Traineroffensive in mehreren wichtigen Punkten nicht umgesetzt sei, es fehlen Arbeitsrecht, Weiterbildungssystem, systematischer internationaler Austausch und das Coach-Net.
Fazit: Es war eine gute Veranstaltung mit vielen interessanten Vorträgen, die dem Wirken Prof. Helmut Digels für den deutschen Sport im Allgemeinen und die Leichtathletik im Besonderen gerecht wurde.
Dr. Wolfgang Killing/Helmar Hommel