Einen starken Auftritt zauberte auch Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) auf die blaue Bahn des am Mittwochabend zuschauerseitig wesentlich besser gefüllten Olympiastadions.
Licht und Schatten in Barcelona für die deutschen Leichtathleten bei den Europameisterschaften – Wolfram Marx berichtet
Mit zwei Ausrufezeichen begann der zweite Tag für die deutsche Mannschaft in Barcelona. Melanie Seeger ist wieder zurück in der Weltspitze. Die Geherin errang in Barcelona einen glänzenden vierten Platz hinter drei Russinnen und zeigte ein taktisch starkes Rennen. „Eine glanzvolle Rückkehr“, lobte sie DLV-Cheftrainer Track Rüdiger Harksen.
„Das war das Rennen meines Lebens. Dies ist keine Holzmedaille. Ich wollte unbedingt unter die ersten Sechs kommen, damit ich wieder die A-Kader-Förderung erhalte. Wir haben es als Geher sehr schwer und ich wüsste nicht, wie es ohne den A-Kader-Status weiter gehen könnte.“ Sie ging ein taktisch kluges Rennen, zeigt sich mit sich wieder im Reinen und plant nun für die Olympischen Spiele in London 2012. „Ich will endlich eine internationale Medaille.“
Das zweite Ausrufezeichen setzte Sprinterin Verena Sailer (MTG Mannheim) in den Vorläufen über 100 Meter. Sie präsentierte sich in bestechender Form. Die deutsche Meisterin gewann nicht nur ihren Vorlauf souverän, sie beendete die erste Runde sogar als Vorlaufschnellste in 11,27 Sekunden. „Es hat sich gut angefühlt. Für einen Vorlauf war es in Ordnung, aber auch nichts außergewöhnliches. Ich wollte unbedingt unter die ersten drei kommen, die sich direkt fürs Halbfinale qualifizieren.“
Dabei ließ Sailer mit der Französin Christine Arron auch eine der arrivierten Sprinterinnen früherer Tage hinter sich. „Es ist etwas Besonderes neben ihr zu laufen, ein tolles Gefühl“, meinte sie. Ins Halbfinale am Donnerstagabend begleitet wird Sailer von ihrer Vereinskameradin Anne Möllinger. Diese qualifizierte sich über die Zeitregel, da sie in ihrem Lauf Vierte wurde. „Ich bin im Halbfinale, das ist das Optimum und ich bin super-glücklich. Die Norm zu schaffen, war schon super, nun noch das Halbfinale, klasse. Nun hoffe ich auf einen guten Lauf mit einer guten Zeit.“
Nicht nur aufgrund des positiven Vormittags am zweiten Wettkampftag, auch die Stabhochspringerinnen erreichten in toto das Finale, zogen die Verantwortlichen des DLV eine positive Zwischenbilanz. „Die Positionen neun, zwölf und 15 waren über 10.000 Meter nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Wir haben hier sehr zufriedenstellende Ergebnisse und ein gutes Mannschaftsergebnis“, bilanzierte Rüdiger Harksen. „Auch Claudia Hoffmann hat mit ihrer Zeit eine Hundertstel über ihrer persönlichen Bestzeit ein gutes Resultat erzielt. Sie ist ja noch relativ neu auf den 800 Metern, dies war ihr erstes internationales Turnier auf dieser Strecke.“
Ihren guten Auftritt aus dem Vorlauf bestätigte Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt) im Halbfinale über 400 Meter Hürden. Zwar reichte es für die 20-Jährige nicht zum Finaleinzug, doch sie lief mit 55,49 Sekunden erneut eine neue persönliche Bestleistung und verbesserte ihre erst am Vortag aufgestellte Rekordmarke um zwei Zehntel.
Auch Harksens Kollege Herbert Czingon, DLV-Cheftrainer Field, zeigte sich trotz „indiskutabler Leistungen“ der Hammerwerfer Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Kathrin Klaas (Eintracht Frankfurt) mit den bisherigen Leistungen zufrieden. „Einzelne sind weit unter ihren Erwartungen geblieben, doch die Gesamtbilanz ist okay. Mehr als die Hälfte der Athleten hat ihre Leistung erbracht. Unsere Erwartungen sind immer, dass wir unser Leistungsvermögen abrufen.“ Daher sollten diese Erwartungen auch nicht überfordert werden.
Kugelstoßerin Nadine Kleinert habe schon viele wichtige Medaillen für den DLV gewonnen und auch Esser sei und bleibe auf jeden Fall bis 2012 ein wichtiger Leistungsträger. „Insgesamt ist die Mannschaft auf einem sehr guten Weg“, so seine klare Ansage. Dies war aber Czingons Analyse vor dem abendlichen Diskuswettbewerb der Frauen, in dem die Weltjahresbeste Nadine Müller (Hallesche LF) nur mit Mühe den Endkampf erreichte und sich nach sechs schwachen Würfen mit dem achten Platz (57,78 Meter) begnügen musste. So folgte den Lichtmomenten des Vormittags am Abend doch noch Schatten und das ausgerechnet von den in den vergangenen Jahren erfolgsverwöhnten Werfern.
Im Gegensatz zu Müller war Sabrina Mockenhaupt (Kölner Verein für Marathon) über 10.000 Meter bereits im Vorfeld ohne Medaillenchance, doch sie zeigte ein gutes Rennen und erreichte mit dem sechsten Rang (32:06,02 Minuten) am Ende ihr bestes internationales Ergebnis bei einem Bahnwettkampf. Das Rennen bestimmte von Beginn an die Türkin Elvan Abeylegesse, die sich nach 5.000 Metern von den Verfolgerinnen lösen konnte und ein einsames Rennen lief. Dies tat auch Mockenhaupt, deren Abstand auf die vor ihr laufenden Hilda Kibet (Niederlande) und die Russin Inga Abitova zu groß war, um noch einmal zu forcieren und von hinten drohte der Siegerländerin auch keine Gefahr. „Ich musste die ganze Zeit alleine laufen und durch den Wind war es sehr schwierig. Ich hatte auch einen trockenen Mund und musste viel trinken.“
Im Ziel zeigte sie sich aber mit der Platzierung zufrieden. „Ich bin gegen zwei Äthioperinnen und eine Kenianerin gelaufen. Was soll ich da machen“, bezog sie sich auf Abeylegesse, die zweite Türkin Meryem Erdogan und Kibet. Die Medaillen gingen am Ende an Abeylegesse (31:10,23), Abitova (31:22,83) und die Portugiesin Jessica Augusto (31:25,77). „Es war sehr schwer angesichts des Feldes, aber ich habe alles richtig gemacht. Die anderen waren stärker und ich hätte ihr Tempo nicht mitgehen können.“
Sie will ihren EM-Auftritt auch als Lebenszeichen für die deutschen Läufer verstanden wissen. „Ich stelle mich immer der Herausforderung. Es ist nicht fair, auf den Läufern herum zu hacken. Deutschland ist ein Läuferland, das sieht man an den gut besuchten Straßenläufen und den vielen Hobbyläufern. Der Bezug zu ihnen ist mir wichtig, wir können ihnen auch eine Motivation sein“, so ihr Plädoyer für die Läufer und gegen eine zu starke Fokussierung auf Medaillen.
Einen starken Auftritt zauberte auch Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) auf die blaue Bahn des am Mittwochabend zuschauerseitig wesentlich besser gefüllten Olympiastadions. Schlangen zeigte sich in seinem Vorlauf über 1.500 Meter von Anfang an der Spitze, bestimmte das Tempo und zog letztendlich ohne Probleme mit 3:41,65 souverän ins Finale ein. „Ich habe mir noch ein bisschen fürs Finale aufgehoben, das waren noch keine 100 Prozent. Ich bin so gut durch die Saison gekommen und konnte mich von Rennen zu Rennen steigern.“
Besonders augenfällig ist seine Stärke auf den letzten 400 Metern, die der Berliner wesentlich schneller läuft als im vergangenen Jahr, so dass er auch in einem Spurtrennen nicht völlig chancenlos ist. Weniger Glück hatte Moritz Waldmann (LG Hannover) im zweiten Semifinale. Bis 250 Meter vor Schluss sah es für ihn sehr gut aus, doch dann fühlte er sich, als ob „ihm jemand den Stecker herausgezogen habe“. „Es ging gar nichts mehr. Mir hat plötzlich alles weh getan, die Oberschenkel, sogar die Arme. Ich befürchte, ich habe mir hier in Barcelona etwas eingefangen. Ich habe seit dem Vortag etwas Druck auf den Ohren. Irgendetwas stimmt nicht.“
Dabei hatte er erst zwei Wochen zuvor mit 3:36 Minuten in Barcelona gezeigt, was für ihn möglich ist. „Es ist so ärgerlich, denn ich hätte hier gut ins Finale kommen können. Vierter in meinem Vorlauf, das war definitiv drin. Nun muss ich wieder zwei Jahre warten, denn bei der WM wird es ungleich schwerer.“
Wolfram Marx