Großereignissen im offenen und öffentlichen Raum wie Stadtmarathons, Radrennen oder Fanfeste mit hunderttausenden Zuschauern bergen schwerer zu kalkulierende Risiken
Der DOSB KOMMENTAR von Prof. Hans-Jürgen Schulke- Lernen aus Duisburg
Nur schwer vermag der Zuschauer Abstand von den schrecklichen Ereignissen in Duisburg zu finden, wo eine fröhliche „Love-Parade“ jäh 21 Menschen in den Tod riss und hunderte Verletzte zurückließ. Schmerz, Trauer, Wut, Fassungslosigkeit lassen erst allmählich Fragen nach größeren Zusammenhängen und neuen Risiken bei Großveranstaltungen zu.
Eine Diskussion, der sich auch der Sport als permanenter Organisator von vielfältigsten Events stellen muss.
Großereignissen im offenen und öffentlichen Raum wie Stadtmarathons, Radrennen oder Fanfeste mit hunderttausenden Zuschauern bergen schwerer zu kalkulierende Risiken. Und weltweit werden Massenveranstaltungen immer mehr und größer: Papstbesuche, Musikkonzerte, Obama-Inthronisation, Schlager-Contest, Stadtgeburtstage, Maritime Wochen, Fanfeste und Marathonbegeisterte führen Hunderttausende, gelegentlich Millionen an einem Ort zusammen.
Erleichtert wird das durch Videotechnik auf Großbildwänden und Kommunikationsmöglichkeiten per Handy oder Internet. Riesige Screens geben allen Zuschauern das ersehnte Gefühl, bei einem besonderen Ereignis in Echtzeit mit vielen anderen gemeinsam dabei zu sein – Neugier und Gemeinschaftserlebnis bilden ihre Symbiose. Und es bedarf nur weniger Handygriffe kurz vor einer Veranstaltung, um Gleichgesinnte zu finden und sich mit ihnen zu verabreden.
Die Folgen für die Veranstalter sind fatal: Erst mit Beginn und manchmal noch später erkennen sie die tatsächliche Besucherzahl, können entsprechend schwer die organisatorischen Erfordernisse planen. Zugleich drängen die Städte und Metropolregionen, sich durch einzigartige Mas-senveranstaltungen Aufmerksamkeit und finanzielle Wertschöpfung zu holen. Sie treffen auf Menschen, die sich aus virtuellen Arbeitsprozessen und anonymer Kommunikation lösen möchten, zumindest für einige Stunden möglichst unreglementiert Menschen leibhaftig erleben, das Gefühl der großen Gemeinschaft verspüren wollen.
Insofern ist es wenig aussichtsreich, den weltweiten Trend zu spontan-offenen Massenveranstaltungen bremsen zu wollen. Die Informationstechnologie wie auch die menschliche Neugier würde politische und administrative Restriktionen unterlaufen. Erfolgversprechender wäre, in das Management solcher Veranstaltungen moderne Kommunikationsformen einzubringen. Das reicht von aktiver Beteiligung in den Chatrooms und Facebooks, SMS-Hotlines zu Staus bei Einlassstellen über elektronische Zählsysteme, Ausweichflächen für ein Public Viewing bis zu aktuellen Hinweisen auf den Fahrplandisplays – um nur einige Beispiele zu nennen.
Selbstverständlich muss die Planung angesichts neuer organisatorischer Herausforderungen noch sorgfältiger, die Ausbildung der Veranstaltungsmanager noch professioneller werden. Auch die Sportorganisationen sind hier gefordert, sollten das zu einem besonderen Schwerpunkt etwa in der Vereinsmanagerausbildung machen.
Und den regelmäßigen Austausch mit Großveranstaltern aus anderen Bereichen suchen – Duisburg war kein unabwendbares Schicksal. Derartige Katastrophen in Zukunft zu verhindern, ist eine Gemeinschaftsaufgabe.
DOSB Presse: Prof. Hans-Jürgen Schulke