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17
08
2010

Gays Reaktionszeit betrug 0,231 Sekunden, der 45 Jahre ältere Hary verursachte einen Fehlstart. "Das war Absicht", sagte der Deutsche lächelnd.

Weltklasse Zürich – 50 Jahre nach dem 10,0-Weltrekord im Letzigrund

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Zwei Tage vor dem Samsung-Diamond-League-Meeting von Zürich trafen die deutsche Legende Armin Hary (73) und der 100-m-Jahresschnellste von 2010, Tyson Gay (28), im Rahmen der Ausstellung "50 Jahre Faszination Sprint" im Zürcher HB Rail City aufeinander.


Hary: Das ist Mann, der vor 50 Jahren, am 21. Juni 1960, im Zürcher Letzigrund als erster Mensch die 100 m offiziell in 10,0 Sekunden lief und im gleichen Jahr Olympiagold in Rom gewann. Gay: Das ist der 100-m-Dominator der Saison, der Jamaicas Weltrekordler und Olympiasieger Usain Bolt kürzlich in Stockholm besiegte und am letzten Freitag in London mit 9,78 Jahres-Weltbestzeit erzielte.

Das illustre Duo sah sich die Ausstellung im Zürcher Hauptbahnhof an, befühlte die eigens aufgestellte Piste mit je einem kurzen Stück Aschen- und Kunsstoffbahn, und vergnügte sich beim Test der Reaktionszeiten am Omega-Stand.

Gays Reaktionszeit betrug 0,231 Sekunden, der 45 Jahre ältere Hary verursachte einen Fehlstart. "Das war Absicht", sagte der Deutsche lächelnd.
Keine Absicht und noch heute umstritten war Harys "Fehlstart" vor 50 Jahren im ersten Lauf. Unter Beifallsstürmen und Pfiffen der 14'122 Zuschauer wurder damals zunächst die Weltrekordzeit von 10,0 bekannt gegeben. Handgestoppte 9,9, 9,95 und 10,0 hatten die Uhren der Zeitnehmer angezeigt, das ergab eine offizielle Zeit von 10,0.

No title

Doch Hary, damals 23 Jahre alt, sollte einen Fehlstart begangen haben; die Jury weigerte sich, das Rekordprotokoll zu unterschreiben. Der für den an Krücken gehenden Starter Albert Kern eingesprungene Ersatzstarter erklärte, vor Aufregung nicht zurückgeschossen zu haben. 35 Minuten später wurde das Rennen wiederholt — Kern legte die Krücken weg und schoss selbst. Mit nur zwei Gegnern und bei 0,9 m/sec Rückenwind wurde Hary in 10,0, 10,0 und 10,1 gestoppt — jetzt gabs keinen Zweifel mehr.

Der Winterthurer Heinz Müller egalisierte dabei in 10,3 seinen Schweizer Rekord. Er und der deutsche Jugendmeister Jürgen Schüttler hatten sich sofort zu einer Laufwiederholung bereit erklärt, als Hary mindestens zwei Konkurrenten für eine "rekordfähige" Wiederholung suchte. Die Idee und der Anstoss dazu war vom heute legendären deutschen Leichtathletik-Journalisten Gustav Schwenk (86) gekommen.

Tyson Gay, der in seinem Leben noch nie auf einer Aschenbahn gelaufen war, sagte am Dienstag zu diesem geschichtsträchtigen Rennen: "Ich wäre nicht in der Lage, zweimal eine Spitzenzeit in so kurzem Abstand zu laufen. Nach einem Rennen fährt bei mir der Körper total herunter." Hary seinerseits erklärte die mentale Stärke so: "Ich hatte alles dafür getan, einmal der schnellste Mann der Welt zu werden. Zürich erschien mir als letzte Gelegenheit, 10,0 zu laufen." Im Rückblick allerdings würde Hary nicht noch einmal zu einer Laufwiederholung antreten: "Wenn ich in 10,1 gestoppt worden wäre, hätten alle gesagt, der kann eben doch nicht 10,0 laufen."

Ein Jahr nach dem Zürcher Doppel-Weltrekord seines deutschen Landsmanns Martin Lauer (110 und 200 m Hürden) hatte Hary den Ruf der "Piste magique" im Zürcher Letzigrund gefestigt. Von den Briten hatte er den Übernamen "White Lightening", der weisse Blitz, erhalten, weil er mit seiner phänomenalen Reaktion die Starter jener Zeit immer wieder in Verwirrung stürzte. Ein Autounfall führte bereits im Winter 1961 das Ende der kurzen Karriere von Hary herbei.

Peter Frei

Weltklasse Zürich

author: GRR

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