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24
08
2010

Bei der WM 2009 leichtfertig das Finale verpasst, nun mit Weltrekord ein neues Maß über die 800 Meter gesetzt. Der Kenianer unterbietet in 1:41,09 Minuten die 13 Jahre alte Bestmarke von Wilson Kipketer.

ISTAF Berlin – Weltrekord in Berlin – David Rudishas triumphale Rückkehr – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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Für David Rudisha war die Rückkehr ins Olympiastadion von Berlin eine ganz besondere: Vor einem Jahr hatte der 21 Jahre alte Kenianer dort bei der Weltmeisterschaft den Einzug ins Finale verbummelt. Nun kehrte er mit einer neuen Herausforderung auf die blaue Bahn zurück: Wie bestellt und wie versprochen lief er vor 46.000 Zuschauern Weltrekord über 800 Meter.

In 1:41,09 Minuten unterbot er eine der ältesten Bestzeiten der Leichtathletik. Am Dienstag wäre der Rekord dreizehn Jahre alt geworden; der für Dänemark startende Wilson Kipketer stellte ihn beim längst untergegangenen ASV-Sportfest im Müngersdorfer Stadion von Köln auf.
 
„Ich wusste, dass ich schnell rennen würde“, sagte der stille, lange Läufer in Berlin. „Als ich nach der ersten Runde gesehen habe, dass ich 49,6 Sekunden gelaufen war, dachte ich: nicht schlecht. Lass mich versuchen, noch ein bisschen schneller zu laufen.“ Vor fünf Wochen war Rudisha in Heusden (Belgien) 1,41,51 Minuten gelaufen, Afrika-Rekord und drittschnellste 800-Meter-Zeit.

Spätestens seitdem galt der Junioren-Weltmeister von Peking 2006 nicht nur als kommender Mann auf der Strecke, sondern als erster, der Kipketers Leistung unterbieten kann. „Mach Platz, Kipketer!“, titelte am Samstag die kenianische Zeitung The Nation. „Rudisha will dir deinen Rekord abjagen.“
Kipketer hat Rudisha ermutigt, hart zu trainieren

Auch Rudisha war und ist von seinem außergewöhnlichen Leistungsvermögen überzeugt. Seit Heusden habe er sich darauf vorbereitet, den Weltrekord anzugreifen, erzählte er. Falls er in Berlin nicht erfolgreich gewesen wäre, hatten er und sein Tempomacher Sammy Tangui auch schon Rieti gebucht. „Ich werde jetzt trotzdem nicht locker lassen“, sagte Rudisha wenige Minuten nach dem Rennen. „Vielleicht kann ich irgendwann 1:41 unterbieten.“

Im vergangenen Jahr ermutigte ihn bei einem Treffen in Ostrava Kipketer, hart zu trainieren für den Weltrekordversuch. „Das hat mich gefreut“, erzählte Rudisha in Berlin. Von besonderem Stolz, just diese Bestmarke unterboten zu haben, wollte er nicht sprechen. „Rekorde sind dazu da, unterboten zu werden“, sagt er. Im nächsten Jahr die Weltmeisterschaft von Daegu, 2012 die Olympischen Spiele von London, das sind Rudishas nächste Ziele. „Rekorde und Titel sind wichtig für eine Karriere“, sagt er. Wenn er nicht träumt, wie 2009 in Berlin, sollte der junge Mann in den nächsten Jahren unschlagbar sein.

Caster Semanya lief unter zwei Minuten

Meeting-Direktor Gerd Janetzky hat mit der Verpflichtung von Rudisha eine gute Hand bewiesen. Er hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass er, im Gegensatz zu den Sportfesten der Diamond League, freie Hand bei seinen Disziplinen und seinen Verpflichtungen habe. „Wir sind mit unserer Entscheidung, nicht der Diamond League beizutreten, zufrieden“, wiederholte Janetzky gern und häufig. Er hat das Istaf, das er in den vergangenen Jahren gemeinsam mit dem Berliner Unternehmer Werner Gegenbauer veranstaltet hatte, zu einem Sportfest des Berliner Leichtathletik-Verbandes gemacht, dessen Präsident er ist.

Das Istaf findet so weiterhin am Sonntag statt, während die Diamond League versucht, den Freitagabend als Leichtathletik-Termin zu etablieren. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Leichtathletik-Serie habe, behauptet Janetzky, von der Leichathletik-Serie Golden Four über die Golden League bis zur Diamond League mit ihren 14 Sportfesten kontinuierlich abgenommen. In Erwartung seiner 46.000 Zuschauer hatte Janetzky das Istaf schon vorab zum „zuschauerstärksten Meeting der Welt“ gekürt. Und tatsächlich erreichte es eine Dimension, in die sonst nur das Grand Prix Meeting von Dakar in Senegal vordringt.

Ostern, Weihnachten und Geburtstag für Christina Obergföll

Auch die weiteren Verpflichtungen schlugen ein. Caster Semanya, die Weltmeisterin über 800 Meter, siegte leicht in 1,59:90 Minuten, ihrem ersten Rennen unter zwei Minuten seit Ablauf ihrer Sperre. Bei der WM 2009 hatte die 19 Jahre alte Südafrikanerin im Olympiastadion den Titel über 800 Meter in 1:55,45 Minuten geholt, anschließend wurden jedoch Zweifel an ihrer Weiblichkeit laut. Erst nach einem Geschlechtstest und einer elfmonatigen Wartezeit erhielt sie im Juli ihre Starterlaubnis vom Weltverband IAAF zurück.

„Natürlich war die lange Pause nicht gut für meine Karriere. Aber ich hatte diesmal ein gutes Gefühl. Ich danke allen Menschen in Deutschland, dass sie mich hier so empfangen haben“, sagte Semenya. Wie schwer die Zeit während der Sperre für sie wirklich war, machte ihr Manager Jukka Härkönen deutlich. „Es war keine gute Zeit für sie. Wichtig ist jetzt, dass eine solch junge Athletin nicht zu deprimiert ist “, sagte der Finne.

Siege auch für Friedrich Harting, Heidler und Reif

Ariane Friedrich gewann den Hochsprung-Wettbewerb. Ein Jahr nach ihrem deutschen Rekord (2,06) im Olympiastadion reichten der 26 Jahre alten EM-Dritten 1,97 Meter zum Sieg vor der höhengleichen Italienerin Antonietta di Martino. Mit einer Weite von 68,24 Metern siegte Weltmeister Robert Harting im Diskuswerfen. Tags zuvor hatte Barcelona-Siegerin Betty Heidler mit ihrem Erfolg im Hammerwerfen (75,35 Meter) bereits für eine erstklassige Einstimmung des deutschen Teams gesorgt.

Und Weitsprung-Europameister Christian Reif sparte sich seinen Siegsprung von 8,06 Meter für den sechsten und letzten Versuch auf – da hatte er das Riesenpublikum beim Jubeln ganz für sich.

„Wie Ostern, Weihnachten und Geburtstag zugleich“ gar fühlte sich Christina Obergföll, als sie das Speerwerfen mit 67,57 Metern deutlich gewonnen hatte; 26 Zentimeter weiter als bei ihrem Erfolg in Zürich am Donnerstag. In der Nacht auf Sonntag hatte sie zu Hause in Offenburg die Hochzeit ihrer besten Freundin gefeiert und war erst um vier Uhr morgens aufgebrochen zu dem Wettkampf, der ihr bester des Jahres werden sollte.

In Berlin hatte sie dann mehr zu feiern als die Tatsache, dass sie nun 29 Jahre alt ist.

 Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen  Zeitung, Sonntag, dem 22. August 2010

author: GRR

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