Die pädagogische Herausforderung auch für die Vereine sieht Digel in wachsenden sozialen Problemen, Individualisierung Vereinsamung und gestiegener Armut.
Die Wertegemeinschaft vorleben – Professor Helmut Digel skizziert beim FK-Herbstseminar in Bad Homburg pädagogische Herausforderungen des Wertewandels im Sport
„Die schöne alte Welt des Sports, die gibt es nicht mehr. Die klassische Pyramide, sie wurde abgebrochen.“ Professor Helmut Digel (Uni Tübingen) macht Wertewandel im Spitzen- wie im Breitensport an einer eigenständigen Logik fest, die der sich ständig wandelnden Wertwelt entspricht.
Fünf Säulen entwarf der Sportsoziologe beim Herbstseminar des Freiburger Kreises, der Arbeitsgemeinschaft größerer deutscher Sportvereine in Bad Homburg, das Wertewandel und Werte-Erziehung in den Mittelpunkt rückte.
Digel beschrieb den organisierten Wettkampfsport nach Regeln, Sport ohne organisierten Wettbewerb (freie Gruppen), instrumentellen Sport (soziale Dienstleistung, Erziehung, Rhea Prävention), Berufssport (eigene Inszenierung) und Alternativsport. Dieser trägt ständig neuen Bedürfnissen, vor allem der Jugend, Rechnung. Im Wandel der Werte gerät vor allem der Hochleistungssport – auf Erfolg, Geschäft und Gewinn programmiert – in eine Legitimationskrise.
Doping, Betrug, Korruption. Manipulation: „Die Risiken erhöhen sich meines Erachtens er-heblich.“ Aber auch an der Basis wackeln die Träger. Ehrenamtlichkeit wird in Frage gestellt. „Der Generationenvertrag scheint brüchig zu werden.“ Authentizität geht verloren. Funktionen die der Sport vorgibt, werden tatsächlich nicht erfüllt.
Die pädagogische Herausforderung auch für die Vereine sieht Digel in wachsenden sozialen Problemen, Individualisierung Vereinsamung und gestiegener Armut. Doch auch Diskriminierung von Frauen (Sexismus, Ungleichbehandlung), Rassismus, Gewalt, nicht kindgemäßes Training im Hochleistungssport, Drogen und Doping sowie Umweltrisiken nannte der Sportwissenschaftler als selbst zerstörerische Gefahren. „Der Sport lebt ganz offensichtlich mit erheblichen Wieder-sprüchen. Höher, schneller, weiter wird um reicher erweitert. „Der Gigantismus ist im Sport zum brennenden Problem geworden.
Klassische Werte verkommen zur schönen Rhetorik: Ethik, Moral, Fairplay, Toleranz. „Es geht um ein gelebtes Fairplay“, rückt der Professor die Vorbildfunktion von Übungsleitern und Trainern in den Vordergrund. Nicht Ritualisierung von Fairplay. „Im Alltag positive Beispiele müssen positiv herausgestellt werden. Darin sehe ich die Chance für Vereine.“ Das heißt: Betreuungspersonal braucht die Fähigkeit und Fertigkeit, sich mit den Problemen zu be-schäftigen und darf sich nicht allein auf sportliche Arbeit konzentrieren. Damit sind andere Ausbildungsakzente und Sozialkompetenz verlangt. „Die jungen Menschen sind für diese Diskussion durchaus offen.“
Schrankenloser Individualismus verliert an Wert. Das Gemein-schaftserlebnis bringt die Vereine bei der Generation 16 bis 30 wieder in Spiel. Nicht mehr nur der Dienstleister ist gefragt, sondern das Netzwerk für Geborgenheit und Wohlbefinden. Das Megathema Altersversorgung („Dazu kann der Verein einiges bieten“) eröffnet ebenfalls Legitimations- und Existenzgrundlagen für die Sportclubs.
„Wir dürfen nicht mehr voraussetzen, dass der Bewegungsbedarf da ist. Wir müssen Anreize schaffen.“ Doch sieht der Sportsoziologe die Vereine als Reparaturwerkstatt überfordert: „Der Sport kann nicht besser sein als die Gesellschaft. Aber er ist anders, weil er sich anders definiert hat. Er hat sich selbst ausgegrenzt (Regeln gegeben). Das ist Kultur, Sport ist ein Kulturgut.“ Modernisierung erreicht jeden Lebensbereich. Mit dem Aufstieg von der Industrie- in eine Informations- und Wissensgesellschaft, gingen Individualisierung, Rationalisierung, Ökonomisierung, Verrechtlichung, Verwissenschaftlichung und Globalisierung einher.
Daran zerbricht die Solidargemeinschaft. „Gesellschaftlicher Wandel, das heißt immer auch Wertewandel.“ Im Sport bildet er sich in der Ausdifferenzierung der Sportarten und im Hedonismus ab „Genuss wird immer wichtiger.“ Aber auch Erfolg und materieller Gewinn. Der Freizeitsektor entfaltete sich zu einem eigenen Wertesektor. „Der Sport war zuletzt ein Wachsturmsektor erster Güte. Vereine haben ihr Allenstellungsmerkmal verloren.“
Kommerzialisierung und Medialisierung verzerren die Darstellung des Sports und verändern zugleich die Wahrnehmung Arm und Reich beschreibt auch die Verknappung des Sportbildes auf wenige hochprofitable Sportarten.
Die breite Wirklichkeit ist ausgeblendet. Hier ist derzeit kein Wertwendel in Sicht.
Quelle: Hans-Peter Seubert im DOSB Sport
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