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09
11
2010

Am 9. November 1989 konnte man wieder am Brandenburger Tor passieren. Heute gibt es keine Grenze mehr, keine Wachtposten sind mehr zu sehen.

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick X. – Das Brandenburger Tor – Von Michael S. Cullen

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Heute, vor 21 Jahren,  am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Nichts passt dazu besser als der Beitrag von Michael S. Cullen über das Brandenburger Tor im Programmheft des Berlin-Marathon 1990.

20 Jahre Deutsche Einheit sind am 3. Oktober 2010 in Berlin und in vielen anderen Städten Deutschlands feierlich begangen worden. Am 30. September 1990 – drei Tage vor der Wiedervereinigung – gab es schon die "sportliche Wiedervereinigung" auf den Straßen Berlins, als der BERLIN-MARATHON zum ersten Mal seit 45 Jahren seine Laufstrecke wieder durch das Brandenburger Tor von West nach Ost und über den Potsdamer Platz zurück in den Westteil legen konnte.

Dieser 17. BERLIN-Marathon war mit seiner Rekordbeteiligung von 25.000 Läufern und Läufern aus aller Welt ein sportliches "Jahrhundertereignis" und ein Medienerereignis zudem. Aus dem Programm- und Ergebnisheft des BERLIN-MARATHON von 1990 werden hier – in loser Reihenfolge – Beiträge übernommen, die nichts an ihrer Aktualität verloren haben und gleichzeitig die Erinnerung an eine einmalige Laufveranstaltung in unser Gedächtnis zurückholen sollen.

Horst Milde

 

Wenn am 30. September 1990 in Berlin die 25.000 Läufer und Läuferinnen sich auf die 42,195 Kilometer vorbereiten, haben sie vielleicht diesen sagenhaften ersten Lauf jenes griechischen Soldaten vor Augen, der die Nachricht des Sieges der Athener über die Perser von Marathon nach Athen brachte.

Berlin wird seit langer Zeit auch "Spree-Athen" genannt. Ein Grund dafür ist gewiß das Brandenburger Tor. Der Architekt Karl Gotthard Langhans entwarf es 1789 nach dem Vorbild der Propyläen auf der Akropolis. Da Langhans aber nie in Athen gewesen war, wußte er nicht, daß die Propyläen nicht das Athener Stadttor sind, sondern der Eingang zur "Bergstadt", der Akropolis, dem religiösen Zentrum der Athener. Dessen ungeachtet findet mit dem BERLIN-MARATHON 1990 durch das Brandenburger Tor eine Weltpremiere in der Geschichte des Marathon statt.

Am 6. August 1991 begeht Berlin den 200. Jahrestag der Einweihung des Brandenburger Tors. An diesem Tag im Jahre 1791 befahl der König von Preußen, Friedrich Wilhelm II., das Tor unverzüglich und ohne Zeremonie für Fahrzeuge und Personen zu. öffnen.

An der Stelle des Brandenburger Tors war früher ein älteres Tor, gebaut um 1735 als Öffnung in der neuen Zollmauer, die von König Friedrich Wilhelm I. errichtet worden war. Nach dem Tod von Friedrich II. (dem Großen) 1786 beschloß man, die Zollverwaltung zu reorganisieren und das Tor zu erneuern. Einer der besten Architekten Preußens, Langhans, erhielt den Auftrag, einen Entwurf vorzulegen und Preußens größter Bildhauer entwarf die Quadriga. Der offizielle Name des Tores war "Tor des Friedens".

1789 wurde mit dem Bau begonnen und im Sommer 1791 abgeschlossen. Die kupferne Quadriga, in Potsdam gegossen, wurde nicht rechtzeitig fertig, erst 1794 konnte sie auf das Tor gehoben werden.

Die Geschichte des Brandenburger Tors beginnt erst mit seiner Vollendung. Seit 1793 war es Schauplatz triumphaler Einmärsche, besonders für jungvermählte Mitglieder der königlichen Familie. 1806 wurde es zum Symbol der Niederlage Preußens gegen Napoleon: Bonaparte ließ die Quadriga nach Paris bringen, wo sie in den Louvre gestellt wurde. Dort entdeckten sie preussische Offiziere nach der Niederlage Napoleons und brachten sie zurück nach Berlin. Die Rückführung sollte geheim bleiben, aber es war unmöglich, einen ganzen Zug aus vielen Wagen und Pferden zu verbergen.

Als der Konvoi die preußische Grenze erreichte, wurde er von Scharen patriotischer Deutscher bejubelt und mit großer Freude begrüßt. Am 9. Juni 1814 erreichte der Wagenzug Berlin. Die durch Vernachlässigung und die lange Reise entstandenen Schäden wurden repariert, Preußens größter Architekt, Karl Friedrich Schinkel, versah es mit seinem Eisernen Kreuz und am 7. August desselben Jahres wurde das Tor im Beisein des Königs enthüllt.

Mit der Rückkehr der Quadriga aus Frankreich wurde das Brandenburger Tor, einst Symbol des Friedens, zu einem Siegessymbol. Von dieser Zeit an diente es als Ort staatlicher und königlicher Zeremonien. Heimkehrende Truppen aus Kriegsfeldzügen, wie 1864, 1866 und 1870/71, wurden hier begrüßt. Leichenzüge, wie der zum Begräbnis von Kaiser Wilhelm I., zogen durch das Tor. Viele Monarchen wurden am Brandenburger Tor begrüßt: Queen Victoria, König Humbert von Italien, Kaiser Franz Joseph von Österreich usw.

Und als deutsche Truppen von den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges heimkehrten, marschierten sie ebenfalls durch das Tor.

Die Nazis kannten die Symbolik des Brandenburger Tores sehr gut und machten es deshalb zum Ort zahlreicher Aufmärsche. Vom Siegesmarsch in der Nacht der Nazi-Machtergreifung bis hin zu Jahrestagsaufmärschen der SS und der SA, das Tor wurde ständig symbolisch entstellt. Zu Kriegsende nutzte die Rote Armee die Symbolkraft des Tores und hißte die rote Fahne. Die Quadriga war in den letzten Kriegstagen erheblich zerstört worden. Mehrere Jahre nach dem Krieg war das Brandenburger Tor ein Übergang zwischen beiden Stadtteilen. Dave Brubeck schritt 1958 durch das Tor und schrieb daraufhin sein berühmtes Stück "Brandenburg Gate".

Eine Zeitlang überlegten die Kommunisten, ob sie das Tor abreißen bzw. die Quadriga durch ein anderes Symbol ersetzen sollten. Schließlich bauten sie es wieder auf und Westberlin beteiligte sich 1958 mit einer neuen Quadriga. Im Sommer 1961, gerade als Billy Wilder seinen Film "Eins, zwei, drei" in Berlin drehte, wurde die Mauer gebaut, und Wilder mußte seinen Film vor einer Attrappe des Brandenburger Tores in München zu Ende drehen. Das Brandenburger Tor wurde geschlossen und befestigt. Am 12. Juni 1987 forderte Präsident Reagan Michail Gorbatschow auf, die Mauer abzureißen.

Am 9. November 1989 konnte man wieder am Brandenburger Tor passieren. Heute gibt es keine Grenze mehr, keine Wachtposten sind mehr zu sehen.

Aufgrund der Schäden vom Silvesterabend werden das Brandenburger Tor und die Quadriga derzeitig in einem "Jointventure" restauriert. Für den BERLIN-MARATHON wird ein Großteil des Baugerüsts vor dem 30. September abgebaut werden. Die Quadriga wird voraussichtlich im Frühjahr 1991 fertig und wieder auf das Tor gesetzt.

Erst dann wird das Brandenburger Tor wieder komplett sein.   

Michael S. Cullen

 

 

Das BERLIN-MARATHON Programmheft vom 30. September 1990:

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick IX. – Die britische Laufszene von Michael Coleman

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick VIII. – Einen Schritt vor – und zwei zurück? Zickzackkurs der bundesdeut­schen Langstreckenszene – Wilfried Raatz

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick VII. – Von Pheidippes bis – Zur Geschichte des Langstreckenlaufes und seiner Heroen – Prof. Dr. Gertrud Pfister

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick VI. – Läufer lesen vor. Ein literarisches Marathon – von Detlef Kuhlmann

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick V. –  Laufkunst — Überlebenskunst" – Das sportmedizinische Motto des Berlin-Marathons 1990 – von Dr. Willi Heepe

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick IV. – Joan Benoit Samuelson – First Lady des Marathon – Von John McGrath und Marc Bloom

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick III. Die Nordafrikaner sind Spitze auf der Bahn und im Gelände – Die Europäer auf der Straße – Wilfried Raatz

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick II. Durch das Brandenburger Tor – Ein Traum wird wahr! Von Andrea Schlecht

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick I.

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Horst Milde berichtet

 

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