Ineffektiv und teuer: Der Forscher Perikles Simon wirft der Nationalen Antidopingagentur eine verfehlte Dopingbekämpfung vor. Statt teure, klassische Kontrollen durchzuführen, sollte mehr Geld in die Forschung gesteckt werden, empfiehlt Simon dem Sportausschuss des Bundestags.
Doping-Bekämpfung – Forscher wirft Nada „miserable Erfolgsquote“ vor – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die Dopingbekämpfung im Sport ist in höchstem Maße ineffektiv. Um einen dopenden Athleten zu überführen, muss dieser im Schnitt 150 Mal auf klassische Weise getestet werden. Dies verursacht Kosten von gut 215.000 Euro.
Diese Zahlen, die sich mit den Angaben der amerikanischen Sprinterin Marion Jones und des österreichischen Radprofis Bernhard Kohl decken, welche jahrelang gedopt Wettkämpfe bestritten, wird an diesem Mittwoch der Mediziner und Sportwissenschaftler Perikles Simon von der Gutenberg-Universität Mainz dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages vortragen. Er nennt das eine „miserable Erfolgsquote der Analytik“.
Einen Doper nicht durch den direkten Nachweis mit Urin- oder Bluttests, sondern durch Indizien oder mit polizeilichen Mitteln zu überführen, koste nach amerikanischen Berechnungen rund ein Zehntel, umgerechnet etwa 22.000 bis 36.000 Euro. Simon ist einer von vier Experten, die der Ausschuss nach ihren Erkenntnissen über die Entwicklung bei Proben und Nachweis von Doping gebeten hat. Simon hat Anfang September ein Verfahren vorgestellt, mit dem Gendoping nachgewiesen werden kann.
„Wie misst man Erfolg?“, erwidert Anja Berninger, die amtierende Geschäftsführerin der Nationalen Antidopingagentur (Nada), auf die Vorwürfe. „Auch um abzuschrecken, ist es wichtig, regelmäßig zu kontrollieren.“ Im Übrigen friere die Nada Proben ein, zurzeit rund 1400, um sie später neu entwickelten Tests unterziehen zu können. Die Effektivität solle durch verbesserte Taktik, den indirekten Nachweis mit Blut- und Steroidprofilen sowie die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden gesteigert werden.
„Fast 300 Millionen Dollar (215 Millionen Euro) werden pro Jahr weltweit für Tests ausgegeben. Weit mehr als die Hälfte dieser Summe sind reine Abnahme- und Transportkosten“, heißt es in dem Schreiben Simons an die Abgeordneten. „0,3 Prozent der Tests führen letztlich zu einer Sperre.“ „Mit Kollegen in den USA und Kanada bin ich mir einig, dass eine vernünftige Expertenschätzung für Doping unter Eliteathleten im Erwachsenenbereich über alle Sportdisziplinen hinweg bei rund 40 bis 60 Prozent liegen sollte“, schreibt Simon. Es gebe für Athleten genügend Möglichkeiten zu dopen, ohne überführt werden zu können.
Simon: Interessenkonfilkte und mangelnde Transparenz
Daraus leitet Simon die dringende Notwendigkeit ab, mehr Geld für die Entwicklung von Analytik aufzuwenden. Der Forschungsetat der Welt-Anti-Doping-Agentur beträgt lediglich sechs Millionen Dollar (4,3 Millionen Euro), zwei Prozent der in der Dopingbekämpfung eingesetzten Mittel. Er empfiehlt, die konventionelle Analytik um 30 bis 40 Prozent zu reduzieren und das Geld in die Forschung zu stecken. Simon beklagt auch, ihm seien keine Statuten und Maßnahmen der Nada bekannt, wer festlege, wann und wer welchen Athleten auf was teste und wie diese Entscheidung „intelligent“ getroffen werde.
„Für die Konzeption von zentralen Abiturprüfungen gibt es in den jeweiligen Bundesländern klare Regelungen, wer Geheimnisträger ist und was die Verpflichtungen sind, die einzuhalten wären. Im Anti-Doping-Kampf ist mir Vergleichbares nicht bekannt.“ Im Übrigen wirft Perikles Simon der Nada Interessenskonflikte dadurch vor, dass Vertreter des Sports in ihren Gremien säßen.
Anja Berninger entgegnet, ein Merkmal intelligenter Tests von Risikogruppen sei gerade, dass es kein öffentlich zugängliches Schema gebe. Die rund 9000 Trainingskontrollen pro Jahr veranlassten drei Personen in der Nada; außer ihnen und den Kontrolleuren erfahre niemand davon.
Den Vorwurf der Interessenverquickung wies Hanns Michael Hölz, Vorsitzender des Kuratoriums der Nada, mit den Worten zurück: „Es würde überhaupt keinen Sinn machen, wenn Leute ohne Ahnung vom Sport in den Gremien säßen. Wichtig ist, dass sie nicht im Hochleistungssport engagiert sind.“
Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 10. November 2010