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2010

Uns kann in dieser Situation nur ein Umdenken helfen, das natürlich auch begleitet werden muss von Maßnahmen des Fachverbandes!“

Darmstadt Cross – Lichtblick nur beim Nachwuchs – Der Darmstadt-Cross gilt als der bestbesetzte Crosslauf hierzulande, doch schwache Präsenz bei Männern und Frauen müssen stark auftrumpfende Nachwuchsläufer wettmachen – 800 Meldungen beim Traditions-Cross auf der Lichtwiese

By GRR 0

Der Darmstadt Cross auf der Lichtwiese bleibt für die deutschen Läufer neben dem Cross in der holländischen Grenzstadt Tilburg das wichtigste Rennen im Kampf um die Startplätze bei den Europameisterschaften, die heuer am 12. Dezember im portugiesischen Albufeira stattfinden.

Doch die Bestandsaufnahme in Sachen Cross fiel drei Wochen vor dem Crosshöhepunkt an der portugiesischen Algarve ernüchternd aus. Um es präzise zu formulieren, bei den Männern als auch bei den Frauen darf einer deutschen Mannschaft keine Anwesensheitsverpflichtung auferlegt werden. Denn es stellt sich nämlich die Frage nach dem (leistungsorientierten) Personal!

Alleine ein Steffen Uliczka genügt internationalen Ansprüchen, bei den Frauen dürfte dieses, wenngleich mit größeren Abstrichen, für Verena Dreier gelten. Beide überzeugten zumindest in merklich ausgedünnten Startfeldern.

 

Debakel bei den Frauen: Vier Läuferinnen am Start!

 

Lang ist die Liste derer, die eigentlich in Deutschland Cross laufen könnten, es aber aus den unterschiedlichsten Gründen heraus nicht taten. Vor allem bei den Frauen. Vorjahressiegerin Julia Viellehner (LG Passau) verzichtet in diesem Jahr auf die Cross-Saison, da sie ihrem Fuß die Belastungen auf dem schweren Gelände noch nicht zumuten will. Sie war im vergangenen Jahr auf der Lichtwiese umgeknickt und hatte bei spärlichen Auftritten in der Laufsaison 2010 wenig überzeugen können. Alleine ein 10 km-Lauf im Rahmen des München Marathon macht Hoffnung auf eine bessere Saison 2011. Auch die Vorjahreszweite Ingalena Heuck (LG Stadtwerke München) verzichtete heuer auf den Darmstadt-Cross und damit auf die komplette Cross-Saison. Nach einem unter Trainingsbedingungen absolvierten Marathon in Frankfurt möchte sie im kommenden Jahr diese Strecke ernsthaft ins Auge fallen.

Die stets Cross orientierte Susanne Hahn ist vor wenigen Wochen erst Mutter geworden, Marathon-Europameisterin Ulrike Maisch sieht Mutterfreuden zum Jahreswechsel entgegen. Auch Heike Bienstein (LGO Dortmund), in den vergangenen Jahren Stammgast in Darmstadt und Cross-EM-Sechste der U 23-Kategorie im Jahr 2008, befindet sich erst im Aufbau nach längerer Krankheit.

Die deutsche 10 km-Meisterin Simret Restle (PSV GW Kassel) hatte sich beim Pforzheim-Cross das Sprunggelenk verletzt und fällt für die weitere Querfeldeinsaison aus. Während Irina Mikitenko keine Crossambitionen (mehr) hat und ihre Chancen ausschließlich auf der Straße sucht, ist Sabrina Mockenhaupt eher diejenige, die sowohl Bahn- und Crossläufe als auch Straßenläufe absolviert und aus nahe liegenden Gründen alle Anstrengungen unternimmt, international stärker in den Fokus zu rücken – und somit für nationale Aufgaben nur noch bedingt zu interessieren ist.

 

Verena Dreier als Einzelstarterin nach Albufeira?

 

Doch zurück zum Darmstadt-Cross. Verena Dreier kam dann auch zu einem ungefährdeten Sieg. Sie lief von Anfang an der Spitze und lief sich über die 8.500 Meter mit 33:25 Minuten einen Vorsprung von 19 Sekunden heraus. Zweite wurde die nach über eineinhalbjähriger verletzungsbedingten Abstinenz erstmals wieder startende Katharina Becker (LAV Asics Tübingen) vor Friederike Kallenberg (LAC Pliezhausen). Das war es praktisch aber auch schon, denn

Im Ziel waren jedoch nur vier Läuferinnen! „Leider war unser Lauf sehr dünn besetzt, ich dachte, es kommen noch ein paar mehr“, war Dreier im Ziel über die Resonanz enttäuscht. Sie sieht sich aber nach ihrem langwierigen Muskelfaserriss in der Wade im Sommer wieder auf dem Weg zu alter Form und will die komplette Crosssaison mit dem Deutschen Cross Cup laufen. „Ich hoffe natürlich, dass es für die EM in Albufeira reicht, denn der DLV will keine Mannschaft schicken. Bleibt abzuwarten, ob ich als Einzelkämpferin dabei sein kann“, blickt sie in die Zukunft.

 

Einziger Lichtblick: Steffen Uliczka

 

Zumindest zahlenmäßig stärker besetzt war das Feld bei den Männern, doch zu einer Leistungsüberprüfung mit Blick auf eine EM-Mannschaft kam es auch hier nicht. Hindernismeister und Vorjahressieger Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/ Kieler TB) war am Start. Arne Gabius (LAV asics Tübingen), beim Auftakt des Deutschen Cross Cups zwei Wochen zuvor in Pforzheim noch siegreich, hatte seine Teilnahme kurzfristig wegen Krankheit abgesagt, so dass ein Duell Uliczka-Gabius in letzter Minute platzte. So kam Uliczka zu einem völlig ungefährdeten Sieg. Er setzte sich von Anfang an die Spitze und löste sich bereits auf der zweiten von acht Runden über insgesamt 10.500 Meter von den Konkurrenten. „Ich hatte gedacht, es gibt mehr Spannung. Die Form stimmt aber, wenn ich auch nicht an meine Grenzen gehen musste“, so sein Fazit nach 33:57 Minuten.

Sein Ziel ist die Teilnahme bei den europäischen Titelkämpfen, danach soll auch ein Start bei der Weltmeisterschaft in Spanien im März folgen. „Da die Meisterschaften in den Bahnwettbewerben 2011 später liegen, passt der Termin im März gut und stört die Saisonplanung nicht.“ Zweiter wurde auf der Lichtwiese der Marokkaner Younes Ammouta mit derzeitigem Wohnsitz Frankfurt vor dem nahe Stuttgart lebenden Iren Cian McLoughlin.

Fast achtzig Sekunden hinter Steffen Uliczka folgten weitere Deutsche: Der in Potsdam lebende Stefan Hubert wurde Vierter vor dem Kasseler Julian Flügel, der sich sogar vor dem Rennen noch Gedanken über eine mögliche EM-Chance gemacht hatte. Noch weiter zurück Marathonmann Martin Beckmann, der 10 km-Spezialist Sven Weyer oder der Berglaufmeister Timo Zeiler.

Erfreuliches beim Nachwuchs

 

Nach diesen für die deutsche Laufszene mehr als ernüchternden Resultaten doch zum Erfreulichen auf der Darmstädter Lichtwiese: Wesentlich besser besetzt als die Felder bei Frauen und Männern waren diejenigen in den Junioren- und Jugendklassen. Bei den U20-Läuferinnen war Corinna Harrer, Vierte der EM 2009 und vierfache deutsche Meisterin, die erklärte Favoritin. National wurde sie dieser Rolle mit einem couragierten Rennen auch gerecht – aber im Ziel „lediglich“ Zweite. Die spät angekündigte Österreicherin Jenny Wenth jubelte im Ziel am meisten, denn die U20-WM-Siebte mit einer 3000 m-Bestmarke von 9:09 Minuten, war vor Darmstadt als Crossläuferin noch nicht sonderlich in Erscheinung getreten. „Bei der letzten EM in Dublin war ich 41., weil ich nach gutem Beginn völlig eingegangen bin!“

Corinna Harrer und Jenny Wenth lieferten sich über 4.400 Meter ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, lange noch mit der Frankfurterin Gesa-Felicitas Krause als Dritter im Bunde. Auf der letzten Runde setzte sich die Österreicherin Meter um Meter ab und kam zum sicheren Erfolg. „Ich wusste um die Stärke der Deutschen, wollte aber unbedingt unter die Top Drei und habe es auf der letzten Runde dann gegen Corinna probiert und bin weggekommen“, meinte Jenny nach dem Rennen.

Für Corinna Harrer war diese Niederlage keineswegs ein Beinbruch, sondern sie war mit ihrer Leistung zufrieden: „Ich hatte vor drei Tagen noch einen Schwellentest auf dem Laufband. Letztes Jahr war ich hier auch Zweite, vielleicht ist dies ein gutes Omen.“ blickt sie auf die EM. Mit Corinna Harrer und Gesa-Felicitas Krause hat der DLV zwei Topläuferinnen sicher für die Reise nach Portugal, wenn auch die endgültige Entscheidung erst nach dem Cross in Tilburg am kommenden Wochenende fallen wird. Beide gehörten übrigens zur Mannschaft, die in Dublin überraschend Dritte wurde. Gute Chancen für eine Nominierung dürften die B-Jugendliche Maya Rehberg (Vierte/ SC Rönnau 74), Jannika John (Siebte/ LAC Quelle Fürth) und weitere Läuferinnen bis hin zur zehntplatzierten Fabienne Amrhein (MTG Mannheim) haben.

 

Supertalent Marcel Fehr ungefährdet

 

Bei der männlichen Jugend zeigte Marcel Fehr (LG Limes-Rems) eine beeindruckende Leistung im Rennen über 6.700 Meter. Er setzte sich früh an die Spitze, in der zweiten Runde vom Feld ab und lief zu einem klaren Sieg vor dem B-Jugendlichen Simon Boch (FC Alemannia Unterkirnach). Das Podium vervollständigte Karsten Meier (SG TSV Kronshagen/Kieler TB). „Ich wollte Druck machen, um den Sprintern zu entgehen. Am Ende war ich aber ziemlich platt“, sagte Fehr nach seinem Erfolg. Seine Chancen für die EM sind nach dem überzeugenden Rennen sehr gut, wenn er auch ohne besondere Ziele dorthin fährt. „Ich werde mein Bestes geben. Ich bin schon dreimal beim Cross gestürzt, daher bin ich sehr vorsichtig, was Prognosen angeht.“

Hahner-Twins fast im Gleichschritt

 

Im gleichen Rennen mit den starken A-Jugendlichen waren auch die U23-Juniorinnen. Hier bestimmten (einen Tag nach ihrem 21. Geburtstag) die Hahner-Zwillinge vom PSV GW Kassel das Rennen. Am Ende war Anna Tagesbeste, ihre Schwester Lisa wurde dichtauf Zweite, den dritten Platz sicherte sich die Kölnerin Ursula Gatzweiler. Die drei waren fast gleichauf unterwegs und wechselten sich in der Tempoarbeit ab. Nun wollen alle ihre Leistungen am Sonntag in Tilburg bestätigen, bei Bundestrainer Uhlemann hinterließen sie auf jeden Fall einen starken Eindruck: „Sie haben sich hier deutlich gezeigt. Doch wir müssen und werden Tilburg abwarten.“

 

Florian Orth und Richard Ringer gleichauf

 

Das spannendste Rennen mit einem Schlussspurt nach 8.500 Metern erlebten die Zuschauer in Darmstadt im Rennen der U23-Junioren. Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg), Richard Ringer (VfB Friedrichshafen) und Fynn Schwiegelshohn (LGO Dortmund) bestimmten das ganze Rennen über das Tempo, viel Arbeit leistete hier der Dortmunder. In der sechsten von sieben Runden musste er dafür Tribut zahlen, denn Orth und Ringer lösten sich von ihm. „Ich hätte vielleicht nicht so lange Tempo machen sollen“, sah Schwiegelshohn einen leichten taktischen Fehler. „Es war aber läuferisch in Ordnung ein guter Fingerzeig für Albufeira.“

Orth und Ringer blieben zusammen und am Ende hatte der 1.500 Meter-Läufer Orth ganz knapp die Nase vorn. „Ich bin sehr zufrieden. Ich wollte keinen ganz kurzen Spurt, deshalb ich schon früh angezogen. Nun hoffe ich auf den DLV, denn ich werde nicht in Tilburg starten“, sagte Orth. „Ich studiere in München, da ist eine Reise nach Tilburg mit einem großen Aufwand verbunden und auch finanziell nicht einfach.“ Nun hofft er auf eine positive Entscheidung des Verbandes und ein starkes Team, das dann auch in den Kampf um die Mannschaftsmedaillen eingreifen kann.

Neben den Qualifikationsläufen für die europäischen Titelkämpfe zeigen auch die anderen Nachwuchsläufe wie alljährlich eine gute Resonanz. Die Cross-Sprints werden von den zahlreichen Mittelstrecklern für Formtests genutzt und die Schülerläufe auf der Lichtwiese werden nicht nur von den Eleven Darmstadts sondern auch überregional nachgefragt. In diesem Jahr kamen mehr als 800 Teilnehmer nach Südhessen und sorgten auch bei der 26. Auflage für gute Teilnehmerzahlen.

Über 100 ASCer für ihre Schulen aktiv

 

Mit einem Großaufgebot stellte sich der ASC Darmstadt als Veranstalter in den leistungs- und zahlenmäßig stark besetzten Schülerrennen in Szene, wenngleich der Gastgeber diesmal alle Schüler für ihre jeweilige Schule im Rennen um die Schulmeisterschaften der Stadt Darmstadt und des Landkreises Darmstadt-Dieburg gemeldet hatte.

Zufriedene – und dennoch nicht glückliche Veranstalter

 

Zwiespältig wie selten zuvor fällt das erste Fazit des Darmstadt-Cross-Chefs Wilfried Raatz aus. Mit nahezu 800 Meldungen aus über 200 Vereinen und Schulen konnte der Darmstadt-Cross einmal mehr seine führende Rolle in Sachen Crosslaufen in Deutschland unterstreichen. Im U23- und U20-Bereich haben wir ein starkes Niveau, im Schülerbereich sind die Wettbewerbe längst keine regionale Angelegenheit mehr. Das sind die Stärken beim Darmstadt-Cross“, zeigte sich der im September als Cross-Berater des DLV zurück getretene Wilfried Raatz überaus zufrieden.

Dann jedoch kommt die Negativseite, die er allerdings auch unverblümt anspricht: „Die Starterfelder bei den Männern und Frauen sind ein Desaster, leider ein Spiegelbild unseres aktuellen Leistungsvermögens im Aktivenbereich. So schlecht hat der Crosslauf noch nie ausgesehen! Es kann einfach nicht sein, dass sich die regionalen Größen nur auf kleinen, unbedeutenden Läufen feiern lassen, anstatt sich bei den wenigen Topveranstaltungen, die wir heutzutage noch haben, zu messen. Mit einer derartigen Einstellung werden wir immer weiter in Rückstand geraten.

Uns kann in dieser Situation nur ein Umdenken helfen, das natürlich auch begleitet werden muss von Maßnahmen des Fachverbandes!“  

WM/wira

 

Alle Ergebnisse unter www.darmstadt-läuft.de

 

author: GRR

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