Blog
05
12
2010

Das Ganzlicht setzte diesmal neben der vorbildlichen Organisation ein „Oldie“, der Japaner Yoshihisa Hosakaya. Der Mann ist 61 und schafft immer noch die Qualifikation für einen Elite-Marathon, auch in Fukuoka in 2:45:16.

Fukuoka-Marathon 2010 – Ein übereifriger Tempomacher – Eine ungewöhnliche Tempoverschärfung nach 15km bestimmt den Verlauf des 64. Fukuoka-Marathons 2010 – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Nicht die Topathleten und deren Leistungen, sondern ein Tempomacher schrieb die Schlagzeilen bei der 64. Ausgabe des Fukuoka-Marathons. Sieger von ca. 500 Teilnehmern beim traditionsträchtigen Elitelauf in den südjapanischen Hafenstädten Fukuoka und Hakata wurde der mit der Startnummer 1 auch ins Rennen geschickte Marokkaner Jaouad Gharib in 2:08:24 vor dem überraschend starken Russen Dmitry Safronov in 2:10:12, eine Verbesserung seiner Bestzeit um 1 ½ Minuten und eine Zeit im Spitzenbereich der europäischen Rangliste für 2010.

Dritter dann der erste Japaner, Takayuki Matsumiya in 2:10:54. Und nur noch der Nächstplatzierte, Chiharu Takada – ebenfalls Japan – schaffte mit 2:12:44 noch eine Zeit unterhalb des internationalen Qualifikationsstandards von 2:13. Das ist für die Ansprüche Fokuokas und im Vergleich zu den aktuellen internationalen Läufen eher bescheiden.

Dabei spielte das wunderschöne Frühlingswetter (im japanischen Winter) sicherlich auch eine Rolle, denn nach dem Start bei 15°C stiegen bei strahlendem Sonnenschein die Temperaturen bis auf 19°C. Der sonst in Fukuoka so gefürchtete Wind blieb diesmal aber aus und blies nur mit Windgeschwindigkeiten von 1 bis 2 m/sec.

Zunächst übernahm von den vier Tempomachern der Japaner Matsumura das Kommando, wie sich später herausstellte keine sehr glückliche Wahl. Denn nach noch akzeptablen 3 Minuten für den ersten km und 15:07 für die ersten 5 km, konnte das Tempo einer recht großen Spitzengruppe nicht gesteigert werden und führte über 30:18 bei 10km zu 45:27 bei 15 km.

Für eine Zeit unter 2:07 war man damit deutlich zu langsam. Doch anstatt behutsam das Tempo zu steigern, hatte einer der Tempomacher, der Kenianer Eluid Kiptanui, die Aufforderung nach einer Erhöhung des Tempo sehr wörtlich genommen, und steigerte das Tempo derart scharf und abrupt, dass die 15-köpfige Spitzengruppe sofort auseinander fiel.

Dabei irritierte jeden Betrachter dieses Schauspiels, denn bei einer Beschränkung des Kenianers auf die Aufgaben eines Tempomachers war die Aktion völlig widersinnig. Als einziger konnte mit einigem Anstand nur noch Gharib diese Jagd mitgehen, bei der die kommenden 5 km in aberwitzigen 14:15 (!) zurückgelegt wurden, fast eine Minute schneller als die beiden Abschnitte zuvor. Das kompakte Feld fiel durch diese Aktion völlig auseinander, die zwei anderen verbliebenen Tempomacher reihten sich nun irgendwo in die versprengten Kleingruppen ein und man hatte den Eindruck, dass jetzt alle auf eigene Rechnung Richtung Ziel strebten.

Auch der Abschnitt zur 25 km Marke wurde unter 15 Minuten zurückgelegt (14:55) und mit einer Zeit von 1:02:58 lag Kiptanui plötzlich auf Kurs zu einer Zeit von unter 2:06, Gharib folgte in 1:03:14. Dann betrugen die Rückstände auf die weiteren Läufer bereits eine Minute und mehr. Irritierend an der ganzen Aktion war der Umstand, dass der erst 21jährige Kiptanui – der vom deutschen Manager Wagner betreut wird – beim Prag-Marathon im Frühjahr dieses Jahres gleichfalls einen beeindruckenden Sololauf hinlegte; das Ergebnis war auch dem Verfolger Gharib bekannt: 2:05:39!

Doch bevor weitere Spekulationen auf ein Durchlaufen des Kenianers angestellt werden konnten, wurde diesem Schauspiel durch den Akt eines japanischen Kampfrichters unmittelbar hinter der 30 km Marke ein jähes Ende bereitet. Mit einer roten Fahne versperrte er dem Führenden den Weg und der musste das Rennen einstellen. Woher der Mann die rote Fahne so schnell hervorholte, wird wohl ein Geheimnis der japanischen Organisationskultur bleiben.

Die Technik erscheint aber eher ungewöhnlich, Tempomacher an die vertraglich vereinbarten Dienste zu erinnern. Wie Kiptanui später versicherte, hatte er nie vorgehabt, durchzulaufen, obwohl er sich noch bestens fühlte. Aber ohne die endlose Diskussion über den Einsatz von Tempomacher hier aufzurollen, sollte jeder Läufer der mit einer guten Zeit zusätzlich ins Ziel kommt, der Wunsch jeden Veranstalters sein. Und da hat Fukuoka, insbesondere auch nach den diesjährigen Ergebnissen gegenüber der Weltspitze weiter verloren.

Gharib war nun allein auf weiter Front, gab sich noch redlich Mühe mit einer akzeptablen Zeit ins Ziel zu kommen, aber die Tempojagd im Mittelzeit hatte nicht nur bei ihm Spuren hinterlassen. Nachdem in 15:16 und 15:18 die Abschnitte nach 30km und 35 km noch akzeptabel waren, brach er am Ende deutlich ein; 15:45 für den 5km-Abschnitt nach 40 km zeigen das deutlich. Und den Schlusspart lief er sogar nur noch in 7:17, da sind sogar viele Frauen schneller.

In der Jahres-Weltbestenliste reicht das nicht für einen Platz unter die ersten 60 Zeiten. In der Breite ist das diesjährige Ergebnis noch schwächer einzuordnen. Hinter Gharib „bröselte“ das Feld förmlich auseinander, wobei am Ende der Russe Dmitry Safronov und vor allem auch Takayuki Matsumiya durch eine vernünftige Tempogestaltung die folgenden Ränge belegten. Wie schon angedeutet, auch in der Breite „läuft“ die Weltspitz dieser Veranstaltung davon, fast 2:18 für Platz 10 ist bestenfalls  zweitklassig.

Natürlich kann man in Fukuoka so weiter machen, bei der Sturheit der Japaner, Traditionen zu folgen, ist das sogar zu befürchten, wobei allerdings organisatorisch diese Veranstaltung im weltweiten Vergleich ganz oben anzusiedeln ist. Die Frage ist nur, ob das langfristig reicht. Die internationale Marathonszene hat sich mittlerweile auf ein einderartiges Niveau geschraubt, dass man nur noch durch ein hohes Leistungsniveau die Topathleten binden kann. Die Globalisierung lässt auch hier grüßen. Dass diese Entwicklungen schon deshalb mit Aufmerksamkeit analysiert werden sollten, erfordern bereits die hohe Akzeptanz für den Laufsport und die fast unerschöpflichen Ressourcen an viel versprechenden jungen Nachwuchsathleten in Japan.

Fukuoka 2010 zeigte, dass da viel Arbeit wartet, das Ganzlicht setzte diesmal neben der vorbildlichen Organisation ein „Oldie“, der Japaner Yoshihisa Hosakaya. Der Mann ist 61 und schafft immer noch die Qualifikation für einen Elite-Marathon, auch in Fukuoka in 2:45:16.

Dabei ging aber das kollektive Nachlassen auf der zweiten Hälfte auch an ihm nicht vor, den Halbmarathon passiert er noch in 1:18:09. Und das mit 61!

Helmut Winter

Leading Results(lt. IAAF)


Weather at the start:  Sunny; Temperature: 16 C; Humidity: 47%; wind: South East 1.7m/s

Results:   JPN unless otherwise noted

 1. Jaouad Gharib (MAR)  2:08:24
 2. Dmitriy Safronov (RUS)  2:10:12
 3. Takayuki Matsumiya     2:10:54
 4. Chiharu Takada     2:12:44
 5. Masato Imai      2:13:23
 6. Dmytro Baranovskyy  (UKR)  2:13:40
 7. Tekeste Kebede (ETH)  2:14:44
 8. Tomoya Shimizu    2:16:22
 9. Satoshi Irifune      2:16:42
10. Yuki Kawauchi    2:17:54

Splits:
5Km   15:06   Kohiei Matsumura
              Eliud Kiptanui
              Nicholas Kiprono
      15:07  Jaouad Gharib

10Km  30:17 (15:11)   Kohei Matsumura
                      Eliud Kiptanui
      30:18      Nicholas Kiprono
                 Dmytro Baranovskyy

15Km  45:26 (15:10)    Kohei Matsumura
      45:27      Eliud Kiptanui 
                 Nicholas Kiprono
                 Tekeste Kebede

20Km   59:42  (14:15)    Eliud Kiptanui  
       59:59      Jaouad Gharib
       60:22      Nicholas Kiprono
       60:24      D Baranovskyy 

Half  1:02:58     Eliud Kiptanui  
      1:03:14    Jaoud Gharib
      1:03:46    Nicholas Kiprono
      1:03:47    Tekeste Kebede

25Km   1:14:37 (14:55)  Eliud Kiptanui
       1:14:48    Joaud Gharib
       1:15:52    Nicholas Kiprono
       1:15:55    Baranovskyy
       1:15:55    Tekeste Kebede

30Km  1:29:56 (15:19)  Eliud Kiptanui
      1:30:04 (15:16)  Jaoud Gharib
      1:31:27    Nicholas Kiprono
      1:31:28    Tekeste Kebede
      1:31:45    Masato Imai
      1:31:57    Dmitriy Safronov

35Km  1:45:22 (15:18)  Jaoud Gharib
      1:47:36    Dmitriy Safronov
      1:47:36    Tekeste Kebede
      1:47:55    Masato Imai
      1:48:55    Takayuki Matsumiya

40Km   2:01:07 (15:45)  Jaoud Gharib
       2:03:31    Dmitriy Safronov
       2:04:13    Takayuki Matsumiya
       2:05:07    Masato Imai     

author: GRR

Comment
0

Leave a reply