Im Januar wird die Kipkeino Secondary School via Internet die internationale Verbindung herstellen.
Robert Hartmanns E-Mail aus dem Läuferland Kenia – Keinos Schule mit einer 400-m-Bahn aus Asche – Gerd Himmelreich aus Glashütten im Taunus und seine persönliche Note – Teil II
Die Kipkeino Secondary School wird mit beginn des nächsten Schuljahrs am 5. Januar 2011 einen neuen weit gereisten Kollegen erhalten. Es ist Gerd Himmelreich aus Glashütten im Taunus. Er ist 69 Jahre alt und war Lehrer mit den Fächern Geographie und Sport.
Er hatte schon im Januar 2010 der jungen Cornelia Schattenberg aus Bitterfeld in Sachsen-Anhalt unter die Arme gegriffen, die siebzig Schülern die deutsche Sprache näher brachte. Himmelreich wird ihr nachfolgen und auch noch Verwaltungsarbeiten übernehmen.
Als seine persönliche Note möchte er den täglichen „Wachauf“-Lauf vor dem Frühstück einführen. Auf freiwilliger Ebene. Sehr schnell fiel ihm der große Wissensdurst der Jugendlichen auf. Es falle sehr leicht, sie zu ungterrichten. Er sagt: „Ich will mal raus aus unserer verwöhnten Gesellschaft. Und hinein in ein einfaches afrikanisches Leben.“
Bis zu seiner Abreise organisiert er noch zuhause den Erwerb von gebrauchten Unterrichtsbüchern. Er habe als Pensionär schon immer „irgendetwas in der Entwicklungshilfe“ tun wollen. „Jetzt stimmt die Mischung.“ Tief in der kenianischen Provinz ist er fündig geworden. In Kenia eingeführt wurde er mit einer Gruppe aus Fulda, die sich auf Keinos Farm für zwei Wochen einquartiert hatte.
Himmelreich staunte über die Fortschritte der Schul-Idylle jenseits einer der typisch roten Erdstraßen, auf denen sich an jedem Morgen pünktlich um sechs Uhr bei Sonnenaufgang eine kleine Prozession von Läufern die Müdigkeit aus den Beinen schüttelt. Unser Hesse trabte bei seinem jüngsten November-Aufenthalt ebenfalls ein paar Mal durch den frühen Morgen, und er berichtete über die lautlos ihn überholenden menschlichen Gazellen.
Einmal aber kam ihm ein neun Jahre altes Mädchen entgegen, und Himmelreich war hin und weg. Sofort hatte sie sich ihm angeschlossen, und mühelos hielt sie seine Tempoverschärfungen mit. Diese Leichtigkeit!
Am nächsten Tag fing er sie ab, und weil ihre ältere Schwester dabei war, gingen die beiden mit Himmelreich zur Kazi-Mingi-Farm, wo er ihr – er wollte seinen Überschwang gar nicht verhehlen – ein paar neue Laufschuhe schenkte. Das schüchterne Mädchen war natürlich barfuß unterwegs gewesen. Sie sagte ihm, er sei der erste Weiße, der sie ansprach und dem sie die Hand schüttelte. So erfuhr er auch ihren Namen, Catrin. Vielleicht müsse man ihn merken, dachte er. Wenig später stellte er sich ihrer Mutter vor, einer Lehrerin.
Die Familie lebe, erzählte er, ganz in der Nähe in einem geschmackvoll eingerichteten geräumigen Steinhaus. Es ist offensichtlich, dass sie dem aufstrebenden, noch kleinen Mittelstand Kenias angehört. Ein Sohn hat gerade seinen Universitätsabschluss bestanden, eine ältere Schwester studiert an der nahen Moi-Universität. Himmelreich wird allmählich einer von ihnen. Er lebt sich ein.
Er wunderte sich über das Bautempo auf dem Schulgelände, das der Bauherr Keino vorlegte. In weniger als einen Jahr entstand der neue Schlafsaal der Boarding School (Internat). „Es gab unwahrscheinliche Fortschritte. Als ich vor zehn Monaten kam, standen nur die Grundmauern.“ Afrika kann auch anders: Es wartet nicht ab, sondern legt selbst Hand an. Auch solche Menschen gibt es. Man muss sie nur finden.
Selbstredend erhält die Schule eine 400-m-Bahn aus Asche. „Sie ist mit Stöcken schon abgesteckt.“ Keino zeigte ihn das Stück Land, auf dem ein 25-m-Schwimmbecken entsteht. Gerade wird eine Bibliothek eingerichtet, und eine Besonderheit ist das Klassenzimmer, in den die olympische Geschichte gelehrt wird. Die Chemie- und Physikräume sind von hohe Qualität. Aber der Computer-Raum verschlägt einem die Sprache.
Er ist der modernste Arbeitsplatz auf dem Schulgelände. Hier stehen dreißig Computer einer japanischen Firma.
Besorgt hatte sie – selbstverständlich eine Spende – ein kenntnisreicher Langstreckler, der übrigens um Mainz studiert hatte. Keino wusste zu berichten, dass auch Bill Gates seinen baldigen Besuch angekündigt hätte. Gates, der Gründer der US-amerikanischen Computerfirma Mikrosoft, ist einer der reichsten Menschen der Welt. In Afrika und Asien bekämpft seine Stiftung die Malaria und Kinderlähmung. Kip kennt sie alle. Als ich ihn einmal fragte, ob er auch Nelson Mandela schon kennengelernt habe, bestätigte er ein Zusammentreffen mit der südafrikanischen Politiker-Ikone und sagte: „Ja. Und stell’ dir vor, er kannte auch meinen Namen.“ Ich schweife ab.
Im Januar wird die Kipkeino Secondary School via Internet die internationale Verbindung herstellen. Dann können die Schüler endlich auch mit den Mädchen und Jungen der Europaschule von Bitterfeld über E-Mails kommunizieren. Während der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin war Keino im August 2009 von dem Veranstalter des Goitzsche Marathons, Peter Junge, eigens nach Bitterfeld gefahren worden, um dort eine Partnerschaft zwischen seiner Schule und dem Walter-Rathenau-Gymnasium, einer Europa-Schule, feierlich zu etablieren.
Der Schulleiter Tirop hat von Keino den erklärten Auftrag, die beste Secondary Schule von Kenia einzurichten. Sein Vorbild ist dabei das Starehe Boys Centre in Nairobi, einer Secondary School, die der kürzlich verstorbene Engländer Griffin im Jahr 1952 nach dem Mau-Mau-Aufstand (Freiheitsbestrebungen gegen die damalige Kolonialmacht England)) gründete. Die Idee dabei war, arme einheimische Kinder und solche von wohlhabenden und reichen Eltern in den gemeinsamen Klassen zu unterrichten.
Seitdem teilen Straßenkinder, Waisen sowie Minister- und Geschäftsleutekinder die gleiche Schulbank. Was allein zählt, ist die akademische Begabung. Ist Bildung. „Starehe“ (das Wort in der Suaheli-Sprache bedeutet „Frieden“, „Ruhe“, „Entspannung“) ist seit Jahrzehnten die beste Schule Kenias und ein Vorbild, dem auch Keino nacheifern möchte. Er verfolgt das gleiche Prinzip. Die Besitzenden finanzieren die Schulgebühren für die kleinen Mittellosen. Der bekannteste Absolvent von „Starehe“ war Paul Ereng, der 800-m-Olympiasieger von Seoul 1988. Ich vergaß, zu erwähnen, dass in Kenia die besten Schulen Privatschulen sind.
Jemand sagte, mit seinen Schulen und ihrer angestrebten Qualität, bleibe Keinos Name auch der Nachwelt erhalten. Kipchoge Keino, der „Junge, der nahe am Schuppen geboren wurde, in dem Getreide lagerte“. Sein Wahlspruch heißt: „Wir kommen mit nichts, und wir gehen mit nichts.“ Jetzt kann er sagen, dass doch etwas bleibt, die „school of excellence“.
In Afrika fällt es leicht, vom Hundertsten zum Tausendsten zu kommen. Als der Name Tirop fiel, war plötzlich der Name Tegla Loroupe ganz nahe. Er hatte bei unserem Treffen auf dem Schulgelände gesagt, früher habe er die junge Tegla trainiert. Sie es ja weit gebracht hatte, zu zwei Marathon-Weltrekorden in Rotterdam und Berlin (2:20:42 Stunden)
Robert Hartmann aus Kenia