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2010

Diesmal werden die ausgewählten Bücher in ungewöhnlicher Form präsentiert: in Lese-Listen.

Laufbücher für den Weihnachtstisch – Porträts von 24 neuen Laufbüchern in acht Listen – Von der historischen Liste bis zur alternativen Liste – Köstliches und Kriminelles als Lektüreempfehlungen – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in LAUFZEIT

By GRR 0

Laufen und lesen – diese offene Zweierbeziehung funktioniert und floriert nun schon seit Jahrzehnten unaufhörlich ohne absehbares Ende. Jedes Jahr kommen wieder weitere neue Buchveröffentlichungen hinzu, die irgendetwas von dem reichhaltigen Stoff enthalten, aus dem die Läufe sind: Interessierte kommen kaum noch nach mit der Lektüre all der Werke über das Laufen.

Die Themen, denen sich die vielen Autoren und die wenigen Autorinnen dabei widmen, werden immer facettenreicher – werden sie auch interessanter? LAUFZEIT verfolgt das Thema Laufliteratur seit Gründung in der regelmäßig in jeder Ausgabe erscheinenden Rubrik (im Mosaik), wo mittlerweile knapp 200 Titel (!) rezensiert wurden.

Seit einigen Jahren stellt Literatur-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, im Hauptberuf Hochschullehrer am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und seit über 20 Jahren ehrenamtlicher Ressortleiter für Kultur beim Berlin-Marathon mit Zuständigkeit für den Literatur-Marathon, in der Dezember-Ausgabe  eine aktuelle Auswahl von neueren laufliterarischen Produktionen vor – passend für den Wunschzettel bzw. zum Verschenken zu Weihnachten.

Wer wollte da nicht schnell noch zugreifen … und mitlesen?

Diesmal werden die ausgewählten Bücher in ungewöhnlicher Form präsentiert: in Lese-Listen. Diese Listen haben den Vorteil, dass sich thematisch ähnliche Bücher darauf besser bündeln lassen. Die Listen selbst können jedoch so oder so keinen Anspruch auf Vollständigkeit leisten. Sie enthalten ohnehin nur verlagsneue oder neu wiederentdeckte Titel. Es wurden allerdings immer nur drei Bücher zu insgesamt acht sog. „Top-Three-Lese-Listen“ zusammengeführt. Zugegeben – die jeweiligen Bezeichnungen der Listen mögen manche komisch finden.

Zum Schmunzeln laden sie allemal ein, und das Leseinteresse sollen sie erst recht wecken.

Die kurzen Texte zu jeder Liste verstehen sich als Appetithäppchen zu den Büchern … und wer Lust auf mehr hat, der kann mit Hilfe der bibliografischen Angaben bzw. der Coverseite gleich mühelos das betreffende Buch ordern.

 

Die historische Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine historische Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die zeitgeschichtlich von großer Bedeutung sind. In diesen Büchern wird Laufgeschichte geschrieben, und zwar in ganz unterschiedlichen Facetten: In diesem Jahr feiern wir den 2.500 Geburtstag der Schlacht bzw. der Legende von Marathon. Deswegen darf ein historisches Marathonbuch in dieser Liste nicht fehlen. In diesem Jahr hat Haile Gebrselassie (für viele sicher überraschend) seinen Rücktritt erklärt. Deswegen lässt sich seine Laufbiografie jetzt in historischer Perspektive betrachten. Und schließlich ist in diesem Jahr Alain Sillitoe im Alter von 82 Jahren gestorben. Das ist ein Grund, an seinen klassischen Text zu erinnern, dessen Titel längst zum geflügelten Wort (nicht nur in Läuferkreisen) geworden ist.

Heiner Boberski: Mythos Marathon. Schicksale – Legenden – Höhepunkte. 2500 Jahre Langstreckenlauf. (St. Pölten 2004: Niederösterreichisches Pressehaus. 208 S.; 21,90 €)

Alain Sillitoe: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. (Zürich 2008: Diogenes. 96 S.; 7,90 €)

Klaus Weidt: Der Wunderläufer Haile Gebrselassie. Auf den Spuren einer Legende. (Böttingen 2008: acasa Werbung & Verlag. 192 S.; 9,90 €)

 

Die tragische Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine tragische Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die laufend tief greifende persönliche Schicksale behandeln: Bei dem einen (Hermann Wenning) ist es die Drogensucht, die den staatlich geprüften Landwirt in eine Lebenskrise führt. Bei dem anderen (Johann Maria Lendner) sind es der Alkohol und ein unverschuldeter Unfall, bei dem er fast ums Leben gekommen wäre.

Und bei Ruth Heidrich schließlich lautet die Diagnose: Brustkrebs. Allen tragischen Schicksalen ist jedoch eines gemeinsam: Über das Laufen haben Ruth, Johann Maria und Hermann wieder zurück ins Leben gefunden: Viel Stolz und große Dankbarkeit lassen sich mindestens zwischen den Zeilen in allen drei Büchern entdecken und nachempfinden:

Ruth Heidrich: Der Lauf meines Lebens – im Kampf gegen den Krebs zur Ironwoman. (Betzenstein 2008: Sportwelt Verlag 208. S.; 19,90 €)

Johann Maria Lendner: Mein Marathon zurück ins Leben. (München 2010: Knaur Taschenbuch Verlag. 350 S.; 9,95 €)

Hermann Wenning: Lauf zurück ins Leben. Bericht einer Lebenskrise. (Berlin 2010: University Press. 284 S.; 19,90 €)

 

Die köstliche Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine köstliche Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die sehr wohl vom Laufen handeln, uns das Laufen aber in geradezu köstlicher Weise nahe bringen – sei es im wörtlichen oder mehr im übertragenden Sinne. Der Vorschlag lautet daher: selber kosten! Da gibt es nämlich tatsächlich ein weiteres Laufkochbuch, das erste mit dem Prädikat „Gourmet“.

Und da gibt es schließlich zwei weitere Titel, die – lesen kann zuweilen auch Geschmacksache sein – den Laufstoff recht appetitlich kredenzen, und zwar „mit einem geistreichen Augenzwinkern“ (bei Lothar Koopmann) oder als köstliche Liebes-Klamotte in Kassel, wo sich „Der Halbmarathon-Mann“ (bei Rolf Bläsing) in Julia verliebt, die eigentlich eine Nummer zu groß für ihn ist.

Achim Achilles: Der Lauf-Gourmet. Schlanker, schneller, satter. (München 2010: Heyne. 192 S.; 7,95 €)

Rolf Bläsing: Der Halbmarathon-Mann. Roman. Berlin 2008: Aufbau Verlagsgruppe. 268 S.; 8,95 €)

Lothar Koopmann: Mission Marathon. Oder: Wie ich kein Superläufer wurde. (Betzenstein 2010: Sportwelt Verlag. 252 S.; 8,95 €)

 

Die kriminelle Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine kriminelle Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die das Laufen auf höchst spannende Weise mit einer kriminellen Auseinandersetzung verweben – egal, ob dabei als Schauplatz der Boston-Marathon herhalten muss, wo Brian Harding ein neues Dopingmittel ausprobiert, das angeblich beim Überqueren der Ziellinie nicht mehr nachweisbar ist, oder ob die Hermannsläufer Weidinger und Mehlbaum sich eine Schlacht im Teutoburger Wald mit tödlichen Ausgang liefern. Und der Oberschwaben-Krimi beginnt damit, dass plötzlich ein Läufer vermisst wird …

Klaus Eckardt: Der Lauf des Todes. Oberschwaben-Krimi. (Tübingen 2010: Silberburg-Verlag. 200 S.; 9,90 €)

Frank Lauenroth: Boston Run. Der Marathon-Thriller. (Betzenstein 2010: Sportwelt Verlag. 218 S.; 8,95 €)

Renée Pleyter: Tödlicher Hermannslauf. (Bielefeld 2009: Pendgragon Verlag. 224 S.; 9,90 €)

 

Die kalendarische Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine kalendarische Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die entweder als Kalender zum Laufen gelten oder etwas Kalendarisches z.B. in Form von Tagebucheinträgen aufweisen: Der Achilles Laufkalender ist zugleich ein Rechenbuch, wo man seine Laufleistungen in Punkten über das ganze Jahr addieren kann.

Der US-Amerikaner Dean Karnazes ist tatsächlich in 50 Tagen 50 Marathons gelaufen, den letzten übrigens beim New York City Marathon, wie in seinem irren Tagebuch genauer nachzulesen ist. Und Stierhof könnte eine Empfehlung mindestens für diejenigen sein, die kalendarisch bald das Rentenalter erreichen bzw. fit in die Rente laufen wollen:

Achim Achilles: Der Achilles Laufkalender 2011. Kilometer sammeln, Motivation tanken, Tricks probieren. (München 2010: Heyne. 158 S.; 6,95 €)

Dean Karnazes: Wie ich in 50 Tagen 50 Marathons lief. Ein außergewöhnliches Tagebuch. (München 2009: riva Verlag. 278 S.; 19,90 €)

Leo Stierhof: Laufe fit in deine Rente. Betrachtungen eines passionierten Läufers. (Berlin 2010: Frieling. 160 S.; 8,90 €)

 

Die internationale Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine internationale Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die das Laufen über die Grenzen Deutschlands hinaus betrachten. Dies geschieht freilich auf höchst unterschiedliche Weise: Da heißt es in einem Buch von internationalen Stars lernen: Thomas Steffens, kennt sie alle und hat sie porträtiert (von Waldemar Cierpinski über Charlotte Teske bis Dieter Baumann auf deutscher Seite und von Lasse Viren über Ingrid Kristiansen bis Ron Hill auf internationaler Seite).

Und da sind dann noch die eindrucksvollen Bildbände von internationalen Laufveranstaltungen wie beispielsweise dem Grand Canaria Marathon und dem Swiss Alpine Marathon in Davos, der in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feierte:

Thomas Steffens: Laufen lernen von den Stars. Trainingstipps & -Geheimnisse von Haile Gebrselassie, Irina Mikitenko und vielen anderen. (Aachen 2010: Meyer & Meyer. 182 S.; 16,95 €)

Thomas Wenning: Gran Canaria Marathon 2010. (Norderstedt 2010: Books on Demand. 52 S.; 29,95 €)

Peter Wirz: Swiss Alpine – Erlebnis pur! (Zürich 2010: Wirz Verlag. 200 S.; 52,- €)

 

Die bunte Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine bunte Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die sich den anderen Listen nicht auf Anhieb und zweifelsfrei zuordnen lassen. Sie thematisieren das Laufen entweder nur am Rande oder eben so wie auf keiner anderen Liste. Nimmt man die drei hier vorgestellten Titel zusammen, spätestens dann entsteht eine bunte Mischung von literarischen Zugängen zum Laufen: Bei Willi Lemke, dem UN-Sonderberater für Sport im Dienst von Frieden und Entwicklung schimmern die eigenen Laufgewohnheiten immer mal wieder durch.

Bei dem anderen ist es das Plädoyer für das Rückwärtslaufen und -gehen. Und bei Urs Weber schließlich sind es nicht die Laufbücher, sondern ist es die bunte Bekleidung, die auf jeden Fall zur Ausrüstung von Läuferinnen und Läufern dazugehört.

Christian Grollé: Come back home. Dank dem Rückwärtsgang. (Norderstedt 2010. Books on Demand. 52 S.; 10 €)

Willi Lemke: Ein Boltzplatz für Bouaké. Wie der Sport die Welt verändert und warum ich mich stark mache für die Schwachen. (München 2010: Deutsche Verlags-Anstalt. 256 S.; 19,95 €)

Urs Weber: Ausrüstungs-Handbuch für Läufer. (Aachen 2009: Meyer & Meyer. 180 S.; 16,95 €)

 

Die alternative Liste:

 

Diese Liste ist deswegen eine alternative Liste, weil sie ausschließlich Bücher enthält, die vom Titel her eindeutig etwas zum Laufen ankündigen. Bei näherem Hinsehen und Einlesen kommt man jedoch schnell zu der Einsicht, dass sie (sorry!) gar nicht vom Laufen handeln. Sie stellen gleichsam eine Alternative zum Laufen dar: Der Bundespräsident gilt zwar laut Buchtitel als „Marathonmann“ – aber ist er schon jemals 42,195 km am Stück gelaufen? Und wie läuft das bei Peter Struck? Ach so: Freilaufende Berliner gibt es laut Buchtitel überall in der Hauptstadt – nicht nur bei all den Laufevents auf und mit freien Plätzen:

Walter Lendl: Achtung, freilaufende Berliner! Alles was Sie wissen müssen, wenn Sie sich in die Hauptstadt wagen. (München 2010: Heyne. 272 S.; 7,95 €)

Peter Struck: So läuft das. Politik mit Ecken und Kanten. (Berlin 2010: Ullstein Buchverlage. 320 S.; 19,95 €)

Armin Fuhrer: Christian Wulff. Der Marathonmann. (München 2006: Olzog. 264 S.; 24,90 €. Hinweis: Die 2. Auflage ist 2010 mit dem Titel „Christian Wulff. Die Biografie“ erschienen.)

 

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in LAUFZEIT – 12/2010

 

author: GRR

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