Niemand hat soviel getan für die Popularisierung des Langstreckenlaufs wie Emil Zatopek. Doch der Mann, der am 22.11. 2000 mit 78 Jahren im Prager Militärhospital starb, war vermutlich der Sportler des Jahrhunderts.
Zatopek starb vor 10 Jahren – Manfred Steffny in SPIRIDON
Vor zehn Jahren starb der tschechische Langstreckenläufer Emil Zatopek. Für Viele war er der Sportler des Jahrhunderts. Zu seinen Ehren drucken wir noch einmal den Nachruf aus SPIRIDON 12/2000 ab.
D ie meisten kannten ihn nur als Ehrenstarter bei internationalen Läufen, als gefragten Interviewpartner oder gutgelaunten, blitzgescheiten Unterhalter, der polyglott in sieben, acht Sprachen parlierte, beim Silvesterlauf in Sao Paulo portugiesisch sprach, bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Helsinki finnisch und auf deutsch zur Eröffnung der Lauftreff-Saison in Bad Arolsen die griffige, berühmt gewordene Formel fand: „Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft!“
Doch der Mann, der am 22.11. 2000 mit 78 Jahren im Prager Militärhospital starb, war vermutlich der Sportler des Jahrhunderts.
Legendär ist der dreimalige Olympiasieg von Zatopek 1952 in Helsinki über 5.000 m, 10.000 m und im abschließenden Marathonlauf. Nie zuvor und nie danach ist ein solcher Erfolg erzielt worden. Olympiasieger war der in Prag lebende Tschechoslowake – geboren am 19.09.1922 in Koprivnice, am gleichen Tag wie seine Frau Dana – schon 1948 über 10.000 m, Doppel-Europameister 1950 und 10.000-m-Europameister 1954.
18 Weltrekorde stellte er auf, er zermürbte den Finnen Viljo Heino, den Belgier Gaston Reift und den Franzosen Alain Mimoun, der ihm schließlich 1956 als Marathon-Olympiasieger nachfolgte. Der Russe Wladmiri Kuts entthronte ihn 1954 über 5.000 m als Weltrekordler und Europameister, doch Zatopek kam wieder, lief noch zwei Weltrekorde.
Der mittelgroße, stämmige Läufer (1,74 m, 67 kg) hatte wenig Talent, besaß aber einen unglaublichen Willen und entfaltete große Energien. Er pulverisierte die Rekorde durch ein jahraus, jahrein durchgeführtes hartes Intervall-Training mit vielen Wiederholungen über 200 m und 400 m. Im Winter wurde der Schnee von der Bahn gefegt. Daneben lief er mit Militärstiefeln durch Bäche. Wenn er mit hängender Zunge und schief gehaltenem Kopf prustete, spurtete und schließlich gewann, tobten die Stadien.
Als tschechische Lokomotive ging er in die Sportgeschichte ein, ein geschickter Taktiker und fairer Sportsmann. Zum Laufstil sagte er: „Ich weiß, welche stilistischen Fehler ich begangen habe, aber es hätte mich mehr Jahre gekostet diese abzustellen als mich konditionell bis an die Spitze zu bringen.“ Diejenigen, die sein Training kopierten oder variierten und das größere Talent hatten, lösten ihn folgerichtig ab.
Nach Ende seiner sportlichen Karriere hatte der Staatsamateur den Titel eines Oberst. Doch als echter Schwejk war er kein Militär, wurde nach dem Prager Frühling 1969 zum Widerständler, der degradiert wurde und schließlich bei einem Bautrupp zur Erdarbeiten abkommandiert wurde. Bei seinen von den herrschenden Kommunisten genehmigten Auslandsreisen kehrte er in kabarettistischer Manier das Positive seiner Hilfsarbeitertätigkeit hervor („bin immer an der frischen Luft“).
Nach der Wende arbeitete er an der Prager Universität und erhielt Einladungen aus der ganzen Welt, die er ohne finanzielle Forderungen annahm, ein glücklicher Mensch ohne Verhältnis zu Macht und Geld mit einem kleinen Häuschen mitten in Prag.
Seine Ehe mit der Speerwurf-Olympiasiegerin Dana Zatopekova blieb kinderlos, doch war er ein großer Kinderfreund. Dana betreute in den letzten Jahren ihren kränkelnden Ehemann, der leider nach Ende seiner Karriere den Laufsport aufgegeben hatte; eine Knieverletzung musste als Entschuldigung herhalten.
Dem unglücklich bei Olympischen Spielen kämpfenden australischen Weltrekordler Ron Clarke schenkte Emil eine seiner Goldmedaillen, er bewunderte die Norwegerin Grete Waitz, die fast so schnell war wie er und hatte eine lebenslange Freundschaft mit dem Solinger Herbert Schade, der 1952 über 5.000 m hinter ihm Dritter wurde.
Niemand hat soviel getan für die Popularisierung des Langstreckenlaufs wie Emil Zatopek. Als er sah, wie populär Marathon wurde, war er wie elektrisiert und sah darin eine große Chance für die Volksgesundheit. Schlau, wie er war, hat er nie zugegeben, dass er persönlich den Marathonlauf nicht mochte, diktierte stimmungsvolle Beiträge für das Buch des Autors „Marathon-Training“ und beschrieb seinen Olympiasieg im SPIRIDON-Buch „Mein erster Marathon“.
Nur zweimal ist er diese Strecke gelaufen, bei den Olympischen Spielen 1952 und 1956, wo er in Melbourne am Ende seiner Karriere noch einmal 6. wurde.
Emil Zatopek
*19.9.1922 † 21.11.2000
1,74 m, 67 kg,
Olympiasieger 1948 und 1952 10.000 m, 1952 5.000 m, 1952 Marathon, Europameister 1950 5.000 m und 10.000 m, 1954 10.000 m. 18 Weltrekorde von 5.000 m bis 30.000 m, unbesiegt über 10.000 m von 1948 bis 1954.
Bestzeiten: 5.000 m 13:57,2 min, 10.000 m 28:54,2 min, Stundenlauf 20.052 m, 20.000 m 61:16,0 min, 25 km 1:16:36,4 h, 30.000 m 1:35:23,8 h, Marathon 2:23:03 h.
Manfred Steffny in SPIRIDON – Dezember 2010