Bei der durch einen Sturz bedingten Absage Hailes drängen sich Parallelen zu Paul Tergat bei den BIG25 in Berlin 2009 auf, wo dessen Absage letztlich das Ende der aktiven Karriere des großen Widersachers des Äthiopiers bedeutete.
Ein grandioser Start der Straßenlaufsaison 2011 – Helmut Winter berichtet
Mit ihrem Weltrekord von 1:05:50 für den Halbmarathon der Frauen sorgte Mary Keitany (KEN) in Ras Al Khaimah für den ersten Höhepunkt in einer schon jetzt sehr ereignisreichen Saison 2011. Bereits nach knapp zwei Monaten zeigt sich das neue Jahr in der internationalen Straßenlaufszene von der besten Seite, der Anstieg des Leistungsniveaus insbesondere im Marathon der Männer scheint unaufhaltsam zu sein.
Dieses zeigen u. a neue Streckenrekorde in Tiberias (Chemlany 2:10:02), Xiamen (Kipchumba 2:08:07), Mumbai (Assefa 2:09:54) oder Sevilla (2:09:53). Die aktuelle Jahresweltbestzeit und ebenfalls Streckenrekord mit 2:07:04 lief Bekana Daba Tolesa (ET) in Houston, obwohl er eine Meile vor dem Ziel noch eine Toilette aufsuchen musste und die eigentlichen Topläufer wegen Visaproblemen ausfielen.
Und weitgehend unbeachtet gab es auch am letzten Wochenende in Verona eine neue Bestmarke durch Albert Matebor Kiplagat (KEN), der auf dem sehr winkligen Kurs 2:09:16 erreichte. Dabei legte er nach 1:05:20 für den Halbmarathon die zweite Hälfte in schnellen 1:03:56, was auch insofern beeindruckt, als die schwierige Strecke auch noch über einen engen Laufsteg durch die berühmte Arena di Verona führte. Fast 70 Läufer haben 2011 den internationalen Qualifikationsstandard von 2:13 bereits unterboten, einschließlich der oben genannten Streckenrekordler alle „Nobodies" in der Marathonszene.
Dies war natürlich am letzten Freitag in Ras Al Khaimah (RAK) in den Vereinigten Arabischen Emiraten anders, wo bei der 5. Auflage des dortigen Halbmarathons bei Männern und Frauen Felder absoluter Weltklasse an den Start gingen. Aber es waren weniger die Männer die diesmal für Schlagzeilen sorgten, obwohl die Zeit des Siegers, Deriba Merga (ETH) von 59:25, und auch der Nächstplatzierten sehr beachtlich waren.
Merga, u.a. der Boston-Sieger von 2009, zeigte sich nach einem längeren Leistungstief somit bestens gerüstet für den Lake Biwa Marathon am 6. März in Otsu (Japan), wo er mit Wilson Kipsang auf den Frankfurt-Sieger von 2010 trifft, der mit 2:04:57 zu den schnellsten Marathonläufern aller Zeiten zählt. Mit seiner aggressiven Renngestaltung darf man am Lake Biwa in diesem Jahr deutlich schnellere Zeiten erwarten als in den Vorjahren, was für die Veranstaltung sehr wichtig ist, da man dort bisher das „Gold Label"der IAAF kaum rechtfertigen konnte.
Eine Woche zuvor sollte der Tokyo-Marathon am 27. Februar mit Haile Gebrselassie ein erster Höhepunkt der Marathonsaison werden. Dieser ist aber durch Hailes Absage unmittelbar betroffen, sein Landsmann Yemane Tsegay (2:06:30, Paris 2009) und Paul Biwott (2:07:02, Amsterdam 2009) dürften aber auch dort dafür sorgen, dass man in diesem Jahr nach schwachen Zeiten der Vorjahre international wieder vorne mitmischt.
Nach den Kapriolen des Wetters in den letzten Jahren sieht es für Sonntag bestens aus. Mit 10°C und Sonne dürften die Bedingungen nahezu ideal sein. Auch in Tokyo könnte am Sonntag der Streckenrekord von 2:07:23 von Viktor Röthlin (2008) (2:06:33 Gert Thys 1981 auf der alten Strecke) fallen.
Hailes Absage ist schon vom Image her kaum zu verkraften (auf der Homepage des Tokyo Marathon ist Haile immer noch in der Liste der Eliteathleten zu finden), auch wenn der im letzten Jahr lange verschüttete Bergmann aus Chile, Edison Peňa, eingeladen wurde, der nach New York nun in Tokyo schon seinen zweiten Marathon laufen will.
Bei der durch einen Sturz bedingten Absage Hailes drängen sich Parallelen zu Paul Tergat bei den BIG25 in Berlin 2009 auf, wo dessen Absage letztlich das Ende der aktiven Karriere des großen Widersachers des Äthiopiers bedeutete. Hoffen wir, dass Haile noch einige Zeit auf den Straßen präsent bleibt, die nächste Station wäre der Wien (Halb-)Marathon und dann vielleicht sogar ein schneller Marathon im Herbst in Deutschland als Qualifikation für die Olympiade 2012 in London.
Keine Rolle spielte in Ras Al Khaimah der schnellste Marathonläufer der letzten Saison, Patrick Makau, der enttäuschende 4:27 Minuten hinter dem Sieger einlief. Makau befindet sich aber aktuell in der Vorbereitung auf den London-Marathon, wo die misslungene Generalprobe noch keine Aufschlüsse auf sein Leistungsvermögen im April zulassen dürfte. Aber selbst wenn er seine 1:03:51 vom letzten Freitag dort durchläuft, würde das am Ende in London kaum zu einer Topplatzierung reichen.
Allerdings lief Tadese nach seinem grandiosen Halbmarathon-Weltrekord von 58:23 in Lissabon im März 2010 einen Monat später in London nur schwache 2:12. Die Generalprobe besagt somit auch im Laufsport nicht alles, und Patrick Makau hat zudem noch zwei Monate Zeit, um zu alter Form zu finden.
Was die Galavorstellung von Mary Keitany mit ihrem neuen Weltrekord in RAK Wert sein wird, ist gleichfalls kaum zu prognostizieren. Marys Manager, der Italiener Demadonna stapelt diesbezüglich ungewohnt tief. Zunächst zeigte er sich überrascht über die neue Bestmarke und die tolle Zeit der Kenianerin und hofft nun, dass nach Marys Debut mit 2:29 in New York im November 2010 nun in London eine Zeit um 2:25 möglich sein sollte.
Jeder der den Lauf zum Weltrekord in RAK verfolgte, würde sich wundern, falls Keitany gegen die starke Konkurrenz nicht in das Regime von 2:20 oder sogar schneller vordringen sollte. Dazu war der Auftritt in Ras Al Khaimah einfach zu überzeugend. Der Ablauf des Rennens war dem bei ihrem 25 km Weltrekord im Rahmen der BIG25 in Berlin sehr ähnlich: Unterstützt von einem Tempomacher (Simon Tonui) löste sich Mary schon kurz nach dem Start von ihrer hochkarätigen Konkurrenz und begann konsequent schnell. Nach 5 km in 15:18 war sie auf Kurs von sogar 64:30 und ließ auch bis 10 km in 30:45 kaum nach. Ihre Verfolgerinnen lagen da schon 1:11 zurück. Über 46:40 bei 15 km erreichte sie die 20 km in 62:36 – auch das war ein Weltrekord – und im Ziel lautete die neue Bestmarke für den Halbmarathon der Frauen 1:05:50.
Wie herausragend die Leistung der 29jährigen Kenianerin war, zeigt zum einen die Verbesserung der alten Marke von Lornah Kiplagat (1:06:25, Udine 2007) um 35 Sekunden, ferner lagen die Nächstplatzierten Tune, Dibaba, Kosgei, Kiprop und Kibet über drei Minuten zurück. Und die Damen gehören alle zur erweiterten Weltspitze. Dabei hatte Mary im Schlussteil – wie schon in Berlin – noch erhebliche Reserven: Die letzten 1097,5 m lief sie in 3:14, das sind 2:56 pro km und fast schon das Regime der Männerelite.
Das Ungleichgewicht des Verhältnisses der Weltrekorde im Halbmarathon zum Marathon bei Frauen und Männern konnte aber die tolle Leistung von Mary kaum wesentlich reduzieren. Dazu ist der Marathon-Weltrekord der Frauen von Paula Radcliffe mit 2:15:25 einfach zu gut.
Geht man von den Rekorden der Männer aus (58:23 und 2:03:59) würde dies einer Halbmarathonzeit bei den Frauen von 63:45 entsprechen, davon war auch Mary noch weit entfernt. Der neue Rekord verbessert die Asymmetrie etwas, aber er würde im Vergleich zu den Männern einer Marathonzeit von nur 2:19:29 entsprechen. Es ist sicher interessant diese Dinge weiter zu analysieren. Die Chancen, dass Mary zumindest diese Zeit schon in London erreicht, stehen nicht schlecht.
Mit dem neuen Weltrekord (unter Einschluss der Unterdistanzen: Weltrekorde) setzt sich eine Entwicklung fort, die Haile Gebrselassie im Januar 2006 in der Arizona mit seinem Halbmarathon-Weltrekord von 58:55 begonnen hatte.
Damit war er Pionier einer Entwicklung, die die außergewöhnlich guten Bedingungen in den heißen Regionen der Erde im Winter für Rekordjagden nutzt. Die Läufe in der Wüste der Arabischen Emirate haben diesen Vorhaben einen neuen Schub verliehen. Und es war und ist nur eine Frage der Zeit, wann die Weltrekorde auf der halben und vollen Marathondistanz in die Emirate wandern.
Ein erster Schritt wurde am Freitag vor einer Woche in Ras Al Khaimah gemacht. Es könnten schon bald weitere Taten folgen.
Helmut Winter
Weitere Beiträge von Helmut Winter:
Koki Takada stellt den Marathon-Weltrekord ein: 2:03:59! – Helmut Winter berichtet
EN