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05
04
2011

Bei den Sommerspielen 1960 in Rom holte er Silber über 5000 und 10 000 Meter.

Lauflegende Hans Grodotzki feiert seinen 75. Geburtstag – Am Zuckerhut verehrt – Peter Stein in der Märkischen Allgemeinen

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POTSDAM – Wenn Hans Grodotzki heute im Kreise seiner alten Sportfreunde in der Potsdamer Waldstadt seinen 75. Geburtstag feiert, dann darf er sich im Rückblick als „Hans im Glück" fühlen. Beinahe märchenhaft verlief für die Öffentlichkeit sein Aufstieg vom Bergmann aus dem 1100 Meter tiefen Kali-Schacht im thüringischen Menteroda auf das olympische Podest.

Bei den Sommerspielen 1960 in Rom holte er Silber über 5000 und 10 000 Meter. Nach der Rückkehr in die Heimat wurde dem „blonden Hans" zwischen Weimar und Erfurt von Zehntausenden Fans ein Triumphzug bereitet. Wenn er von dieser Fahrt im offenen Wagen erzählt, dann bekommt er auch 50 Jahre später noch Gänsehaut.

Doch hinter dieser Blitzkarriere steckte harte Arbeit und das „große Glück", 1958 während des Armeedienstes nach Potsdam versetzt zu werden. Im Luftschiffhafen entwickelte sich damals die wohl weltweit stärkste Läufergruppe. Der nur ein paar Jahre ältere, aber äußerst wissbegierige Trainer Curt Eins entwickelte als Autodidakt mit den Erkenntnissen damals führender Läuferländer – auch der inzwischen verstorbene Tscheche Emil Zatopek drehte als dreimaliger Olympiasieger von 1952 oft seine Runden an der Havel – ein eigenes Übungssystem.

Über Grodotzki sagt der frühere Erfolgstrainer: „Hans war ein ganz Fleißiger. Der leichtfüßige Laufstil galt als sein Markenzeichen. Wenn er von etwas überzeugt war, dann hat er das durchgezogen. Aus heutiger Sicht scheint da manches kaum mehr vorstellbar." Dreimal täglich wurde meist trainiert, auch im Winter ging es durch den tiefen Schnee.

Grodotzki meint: „Ich habe Curt Eins viel zu verdanken. Wir waren damals eine prima Truppe." Bis heute treffen sich die Haudegen regelmäßig und tauschen Erinnerungen aus. Wenn die alten Geschichten erzählt werden, sind es weniger die großen olympischen Momente, die interessant erscheinen.

Als Beispiel für Grodotzkis Trainingsfleiß und seine Extraklasse mag vielleicht jene Episode aus dem Trainingslager der Olympiavorbereitung in Finnland gelten. In der Nähe von Lahti startete der Potsdamer außer Konkurrenz bei den dortigen Hochschulmeisterschaften und nahm vier Mal in Folge an 1500-m-Läufen teil, die er alle gewann. Weil es zu „Mittsommernacht" nicht dunkel wurde, schlichen sich die Männer um Mitternacht aus den Betten und spielten heimlich Fußball. Grodotzki, der einst bei Aktivist Menteroda „auf halblinks wie Fritz Walter" kickte, war auch am Ball spitze. Bis heute ist der frühere Kumpel – na klar – Fan des Revierclubs Schalke 04.

Seine Fußball-Leidenschaft machte ihn auch in Brasilien zum Star. Dorthin wurde er nach den Olympia-Erfolgen 1960/61 zum legendären Silvesterlauf nach São Paulo eingeladen. Als „Botschafter im Trainingsanzug" musste Grodotzki im Auftrag der Sportfunktionäre sogar eine DDR-Fahne mit in den Koffer packen. Da blieb sie allerdings auch. Beim kurz vor Mitternacht gestarteten und im neuen Jahr endenden Straßenlauf vor einer Karneval-Kulisse wurde der Deutsche Zweiter hinter dem Argentinier Suarez. Ein paar Tage später konnte sich der Potsdamer über 10 000 Meter auf der Bahn revanchieren.

Natürlich nutzte er im Land des Fußball-Weltmeisters von 1958 auch die Gunst der Stunde zu einem Besuch des Zuckerhuts in Rio de Janeiro und des Maracanã-Stadions, damals mit 220 000 Zuschauern das größte Stadion der Welt. Gemeinsam mit Brasiliens berühmten WM-Torhüter Gilmar, genannt „die Katze", führte Grodotzki zu seiner eigenen Verwunderung während eines Spiels ein Interview im Fünf-Meter-Raum vor Gilmars Kasten.

So kometenhaft sein Aufstieg, so abrupt das Ende der Laufbahn: 1962 – noch dazu am 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus – riss Grodotzki in Malmö bei den deutsch-deutschen Ausscheidungen für die Europameisterschaften die Achillessehne. Auch das war für den Potsdamer, der danach eine Anstellung beim Armeesportklub erhielt, der Preis für das harte Training.

Peter Stein in der Märkischen Allgemeinen, Montag, dem 4. April 2011

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