Blog
09
04
2011

Der sicherlich interessanteste Mann aus der Siebener-Riege dürfte der Kenianer Eliud Kiptanui sein, der in den letzten Monaten für Schlagzeilen sorgte, die man fast nicht glauben mag

Rotterdam Marathon: Läuft Eliud Kiptanui diesmal durch? Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Der ABN AMRO Rotterdam Marathon am kommenden Sonntag verspricht wieder ein leistungssportliches Highlight des Jahres auf der Marathonstrecke zu werden. Nach den tollen 80er Jahren mit Weltrekorden von Lopez (1985) und Densamo (1988) wurde es um die holländische Hafenstadt etwas ruhiger, bis sich in den letzten Jahren ein Trend zu alter Stärke zeigte, sowohl 2009 mit 2:04:26,3 (Duncan Kibet) als auch 2010 mit 2:04:48 (Patrick Makau) lag man im weltweiten Ranking wieder ganz vorne.

Dass das auch in diesem Jahr so werden könnte, ist nach Lage der Dinge nicht auszuschließen. Viel offensiver als in den Vorjahren redet man (insbesondere der Direktor des Marathons, Mario Kadiks) von einem Angriff auf den Weltrekord. Mit sechs Tempomachern will man die Hälfte in 1:02 angehen, möglichst sogar etwas schneller. Das sagt eigentlich alles, Hailes Rekordmarke aus dem Jahr 2008 in Berlin liegt bei 2:03:59.

Wie die letzten Jahre zeigten, eine in der Tat fabelhafte Zeit, denn es gilt ein Tempo deutlich unter 3 Minuten/km bis ins Ziel durchzuhalten. Dabei ist im direkten Vergleich von Zwischenzeiten auch zu beachten, dass Haile 2008 in der Schlussphase außergewöhnlich schnell war.

Wie realistisch die Chancen sind, Hailes Marke zu unterbieten, ist nur schwer einzuschätzen. Aber die Voraussetzungen erscheinen besser denn je, die Wetterprognosen besagen ca. 12 °C und einen leicht bedeckten Himmel, nur der Wind mit bis zu 10 km/h könnte ein kleines Problem werden. Im letzten Jahr verhinderten in Rotterdam starke Windböen im Mittelteil eine Zeit in Weltrekordnähe.

Das auch die Versicherungen realistische Erfolgschancen sehen, zeigt die Tatsache, dass sich keine niederländische Versicherung bereit fand, die Weltrekordprämie von 350.000 € in diesem Jahr zu tragen. Ein britisches Unternehmen muss diesmal zittern.

Der wichtigste Faktor ist allerdings das Leistungspotential der Athleten, denn die müssen die Zeiten letztendlich laufen. Und da hat sich Rotterdam in den letzten Jahren hochprofessionell weiter entwickelt. Die Führung der Athleten und auch der Tempomacher durch Race Direktor Eric Brommert ist weltweit vorbildlich und erfolgreich. Sieben Läufer mit Zeiten unter 2:07 sind gemeldet und Direktor Kadiks spricht stolz von den „magnificent seven". Wenn man bedenkt, dass der London-Marathon eine Woche später fast alle Topläufer mit Namen verpflichtet hat, kann man nur stauen, was für Rotterdam noch „übrig geblieben" ist:

Vincent Kipruto (KEN) 2.05.13

Feyisa Lelisa (ETH) 2.05.23

Eliud Kiptanui (KEN) 2.05.39

Getu Feleke (ETH) 2.05.44

Wilson Chebet (KEN) 2.06.12

Gilbert Kirwa (KEN) 2.06.14

Chala Dechase (ETH) 2.06.33

 

Alle diese Athleten haben ihre Bestzeiten erst in letzter Zeit aufgestellt und haben alle das Potential deutlich schneller zu laufen, Zeiten unter 2:05 sind keine Utopie. Und im Vergleich zum großen Event in London, wird man in Rotterdam alles, aber auch wirklich alles, dem Diktat der Uhr unterordnen. Die Ergebnisse der letzten beiden Jahre geben den Organisatoren in Rotterdam diesbezüglich Recht.

Der sicherlich interessanteste Mann aus der Siebener-Riege dürfte der Kenianer Eliud Kiptanui sein, der in den letzten Monaten für Schlagzeilen sorgte, die man fast nicht glauben mag. Sein Stern ging beim Prag Marathon im Frühjahr 2010 auf, wo der damals erst 20 jährige Läufer mit einem furiosen Finale über das Kopfsteinpflaster großartige 2:05:39 lief. Sein Potential für deutlich schnellere Zeiten deutete sich da schon an. Nächste Stationen seiner noch jungen Karriere war ein akzeptabler Auftritt im Regen Berlins und als Tempomacher im Dezember 2010 in Fukuoka, wo nach 15 km völlig erratisch das Feld sprengte und nach 14:10 für die folgenden 5 km völlig allein vorweg lief, bis ihn bei 30 km ein Kampfrichter mit einer roten Fahne stoppte. Eine Aktion, die für erhebliche Diskussion sorgte.

Im Januar 2011 war er dann in Dubai als Topathlet auf der Startliste, wo er aber durch das zögerliche Verhandeln der Organisatoren mit einem Vertrag aus Rotterdam anreiste. Und obwohl das vor dem Start in Dubai kaum jemand wusste, hatte er dort die Direktive bis 30 km mitzulaufen und die Strecke kennen zu lernen, für einen eventuellen Weltrekordversuch im nächsten Jahr. So kam sein Ausstieg bei 31 km völlig überraschend, wo er zusammen mit dem späteren Sieger Barmasai deutlich in Führung lag, auf Kurs zu 2:04:50. Sein Manager, Volker Wagner Detmold, konnte nicht präsent sein und Eliud war allein nicht in der Lage, noch umzudisponieren, bei 250.000 $ Preisgeld ein ganz sinnvolles Unterfangen. Seine Vorstellung in Dubai war trotzdem eindrucksvoll.

Somit steht Kiptanui vor der Aufgabe, endlich wieder einen vollen Marathon durchzulaufen, in Rotterdam dürften keine Gründe mehr dagegen sprechen, dies auch zu tun. Ob dann am Ende ein Weltrekord herauskommt, werden wir am Sonntagmittag gegen 13:04 wissen. Dass Rotterdam am Sonntag sich die Krone der schnellsten Marathonstrecke zurückholen wird, scheint fast gewiss. Mit Zehnermitteln von 2:05:09,6 führt Berlin nur knapp vor Rotterdam mit 2:05:15,4. Läuft nur ein Athlet am Sonntag unter 2:05:15, ist Rotterdam wieder vorne.

Falls die Erwartungen in Rotterdam sich aber erfüllen, wird auch das Zehnermittel unter 2:05 sinken, ein Regime, von dem man vor einigen Jahren noch nicht einmal zu träumen wagte.

Zudem gehen am Sonntag auch Paris und Mailand an den Start, die heiße Phase der Frühjahrsmarathons ist in vollem Gang.

 

Helmut Winter

 

 

Weitere Beiträge von Helmut Winter:

 

31. Berliner Halbmarathon: Sabrina Mockenhaupt will Streckenrekord laufen – Helmut Winter berichtet

 

Ein grandioser Start der Straßenlaufsaison 2011 – Helmut Winter berichtet

 

Ras Al Khaimah am 18.2.2011 – Weltklasse auf den Straßen des Emirats – Am Freitag startet die 5. Auflage des RAK-Halbmarathon mit einer Topbesetzung. Helmut Winter berichtet

 

Nur noch zweitklassig – Die japanischen Elite-Marathonläufe verlieren international weitgehend den Anschluss. Helmut Winter berichtet

 

Hailes Erben – Nachlese zur 12. Auflage des Standard Chartered Dubai Marathons 2011 – Helmut Winter berichtet

 

12. Standard Chartered Dubai Marathon am 21. Januar 2011 – Hailes Erben konnten kaum überzeugen: Kiptanui beendet in Dubai den Lauf nach gut 30 km auch ohne rote Flagge – Impressionen von Helmut Winter

 

Koki Takada stellt den Marathon-Weltrekord ein: 2:03:59! – Helmut Winter berichtet

 

2010 – Was für ein Jahr! Ein Rückblick auf die internationale Straßenlaufszene im Jubiläumsjahr „2500 Jahre Marathon“ – Helmut Winter berichtet

 

 

 

 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply