Kenia hat mit Sammy Wanjiru einen der besten Läufer aller Zeiten verloren, der sein volles Potenzial sicher noch nicht ausgeschöpft hatte.
Olympiasieger Sammy Wanjiru ist tot
Sammy Wanjiru ist tot. Der erst 24-jährige Marathon-Olympiasieger aus Kenia starb nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses am Sonntag in Nyahururu – ob es sich um einen Unfall oder gar um einen Selbstmord handelt, ist noch nicht klar. Die erschütternde Nachricht vom tragischen Tod des Sammy Wanjiru löste einen Schock aus im internationalen Laufsport.
Spätestens seit seinem Olympiasieg in Peking 2008 galt Sammy Wanjiru als der beste Marathonläufer der Welt. Es schien nur eine Frage der Zeit und des passenden Rennens, wann Sammy Wanjiru auch den Weltrekord von Haile Gebrselassie (Äthiopien/2:03:59 Stunden) brechen würde – so dominant war er in seinen Rennen. Dabei kam immer wieder der Berlin-Marathon ins Gespräch, doch zu einem Start kam es weder 2009 noch 2010.
Abseits des Laufsports hatte Sammy Wanjiru in den vergangenen sechs Monaten jedoch viele private Probleme. Deren Ursprung hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass der Kenianer mit dem großen Reichtum, den ihm sein Erfolg brachte, nicht zurecht kam und auf die schiefe Bahn geriet. Dieses Schicksal teilte er mit einer Reihe von anderen erfolgreichen Landsleuten. Dass die Probleme bei Sammy Wanjiru letztlich wahrscheinlich bis in den Tod führten, ist extrem tragisch.
Vor zwei Monaten noch schien es als könnte Sammy Wanjiru seine Probleme in den Griff bekommen und als könnte er demnächst wieder sportliche Schlagzeilen schreiben.
Kenias Marathon-Olympiasieger Sammy Wanjiru musste sich vor Gericht nicht mehr wegen einer angeblichen Morddrohung gegen seine Frau und einem tätlichen Angriff gegen einen Angestellten verantworten. Seine Frau Tereza Njeri und der betroffene Wachmann hatten entsprechende Anschuldigungen gegen ihn zurückgezogen. Gerichtliche Ermittlungen liefen gegen Sammy Wanjiru nun lediglich noch wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Hierzu war eine Anhörung für nächste Woche angesetzt.
Doch dieses Verfahren hätte ihm in Kenia kaum größere Probleme bereiten können. Dass gut verdienende Kenianer – darunter sind etliche der Topläufer – Waffen zur Selbstverteidigung besitzen, dürfte nicht ungewöhnlich sein. Überfälle auf prominente Athleten gibt es immer wieder. Sammy Wanjirus Familie wurde im Herbst 2008, relativ kurze Zeit nach dem Olympiasieg, selbst von einer bewaffneten Bande in ihrem Haus überfallen.
Ende Dezember soll Sammy Wanjiru in seinem Haus in Nyahururu – die Stadt liegt etwa zwischen Nairobi und Eldoret – seine Frau, mit der er zwei kleine Kinder hat, während eines Streites mit einer Kalaschnikow bedroht haben. Mit dem Gewehrkolben habe er zudem einen seiner Wachleute verletzt, hieß es. Nach einer Anzeige von Tereza Njeri und dem Wachmann William Masinde verbrachte Sammy Wanjiru eine Nacht in einer Gefängniszelle. In der zweiten Januarhälfte erlitt der zweifache World Marathon Majors (WMM)-Sieger dann zudem leichte Verletzungen bei einem schweren Autounfall.
Zu einer gerichtlichen Anhörung bezüglich der angeblichen Morddrohung war es nie gekommen. Denn zuvor zogen Njeri und Masinde die Anzeigen zurück. Kurz danach erklärte das Paar vor laufenden Kameras, dass es wieder zusammengefunden habe und die Meinungsverschiedenheiten beigelegt seien. Doch die Eheprobleme waren offenbar nicht gelöst. Am Wochenende, so berichtet die kenianische Zeitung „Daily Nation" mit Bezug auf die ermittelnden Polizeibeamten, soll Sammy Wanjiru in seinem Haus von seiner Frau mit einer Freundin überrascht worden sein. Bei dem anschließenden Streit sei der Olympiasieger offenbar vom Balkon gefallen. Ob dies ein Unfall oder sogar Selbstmord gewesen sein könnte, ist ungeklärt. Sammy Wanjiru erlag inneren Verletzungen.
Kenia hat mit Sammy Wanjiru einen der besten Läufer aller Zeiten verloren, der sein volles Potenzial sicher noch nicht ausgeschöpft hatte. Sein italienischer Manager Federico Rosa erklärte gegenüber der BBC, er habe noch am Wochenende mit Sammy Wanjiru telefoniert. Der Läufer habe sehr zielstrebig geklungen, so dass er einen Selbstmord ausschließe. Sammy Wanjiru sollte ursprünglich beim London-Marathon im April starten, hatte seine Teilnahme jedoch aufgrund einer Verletzung absagen müssen.
Sammy Wanjirus Karriere
Seine erste Weltbestzeit lief das Ausnahmetalent Sammy Wanjiru bereits als 15-Jähriger. Damals rannte er in Konosu (Japan) über 10.000 m 28:36,08 Minuten – so schnell wie kein anderer im Alter von 15 zuvor. In jenem Jahr 2002, hatte er, wie andere kenianische Weltklasseläufer in der Vergangenheit auch, ein Stipendium bekommen und war ins laufsport-verrückte Japan gezogen. Seitdem lebte er bis 2008 wechselnd in Japan und in Kenia. In seiner zeitweiligen Heimatstadt Fukuoka startete er für eines jener japanischen Unternehmen (Toyota), das ein Team von professionellen Läufern unterhielt.
„Das war am Anfang nicht einfach in Japan, aber ich hatte einen sehr rücksichtsvollen Lehrer, der mir geholfen hat", erzählte Sammy Wanjiru, der nach Kenia zurückgekehrte, weil er dort besser trainieren konnte und starke Trainingspartner wie Martin Lel hatte. Wanjiru gehörte zur Trainingsgruppe des italienischen Managers Dr. Gabriele Rosa. Zum Olympiasieger gemacht hatte Wanjiru sein damaliger Trainer Koichi Morishita. Der Japaner hatte beim olympischen Marathon in Barcelona 1992 die Silbermedaille gewonnen.
Im Männerbereich hatte Sammy Wanjiru erstmals in Brüssel 2005 für Aufsehen gesorgt, als er im 10.000-m-Weltrekordlauf von Kenenisa Bekele (Äthiopien) den Junioren-Weltrekord auf 26:41,75 Minuten verbesserte. 15 Tage später brach der damals 18-Jährige den Halbmarathon-Weltrekord in Rotterdam mit 59:16 Minuten. Nachdem Haile Gebrselassie die Marke zwischenzeitlich verbessert hatte, nahm Sammy Wanjiru dem Äthiopier den Rekord 2007 wieder ab. In Den Haag steigerte er sich im Frühjahr auf 58:33. Dann lief er in Fukuoka im Dezember sein Marathon-Debüt mit starken 2:06:39 Stunden. Das war damals die drittbeste Debützeit aller Zeiten über die 42,195 km.
Für den kenianischen Youngster war es in Peking bei Olympia 2008 dann erst der dritte Marathon seiner Karriere. Im April 2008 war er knapp geschlagener Zweiter beim London-Marathon in 2:05:24 Stunden. In Peking war er unschlagbar.
„Unsere Athleten haben für Kenia schon viele Medaillen gewonnen, aber ich bin froh, dass ich diese hier gewonnen habe. Es ist ein schönes Gefühl, Geschichte geschrieben zu haben für Kenia", hatte Samuel Wanjiru erklärt, nachdem er als erster Kenianer einen olympischen Marathon gewonnen hatte. Dabei hatte Wanjiru zudem einen olympischen Rekord gebrochen, der drei Jahre älter war als er selber. Der damals 21-Jährige war trotz hoher Temperaturen nach beeindruckenden 2:06:32 Stunden im Ziel und damit fast drei Minuten schneller als Carlos Lopes. Der Portugiese hatte 1984 in Los Angeles in 2:09:21 Stunden gewonnen.
Spätestens nach seinen Halbmarathon-Weltrekorden in den Jahren 2005 und 2007 war zu erwarten, dass Sammy Wanjiru der nächste große kenianische Marathonläufer werden würde. Er wurde dann nicht nur Kenias erster Marathon-Olympiasieger, er war auch der erste, der dieses Gold gewann und die Sprachenkombination Englisch, Swahili und Japanisch fließend beherrschte. Bei der Pressekonferenz beantwortete er damals in Peking auch Fragen auf Japanisch.
„Den Marathon-Weltrekord von Haile zu brechen, das ist mein nächstes Ziel", erklärte Sammy Wanjiru damals. Er gewann zwar die hochkarätigen Marathonrennen von London 2009 (mit Streckenrekordzeit und persönlicher Bestzeit von 2:05:10 Stunden) und Chicago (2009 und 2010/das letzte Rennen seines Lebens), doch das Weltrekord-Ziel erreichte er nicht mehr.
race-news-service.com
Samuel Wanjirus Marathonläufe:
Fukuoka 2007 |
2:06:39 (1.) |
London 2008 |
2:05:24 (2.) |
Peking 2008 |
2:06:32 (1.) |
London 2009 |
2:05:10 (1.) |
Chicago 2009 |
2:05:41 (1.) |
London 2010 |
d.n.f. |
Chicago 2010 |
2:06:32 (1.) |