Das Herzstück meiner Vorbereitung auf den Rekordlauf bildeten elf 30-Kilometer-Läufe in 14 Tagen mit jeweils unterschiedlicher Aufgabenstellung
Jörg Peter und die 2:08:47 – Marathon ist immer noch sein Leben – Claus Dahms in RUNNERS WORLD
2:08:47 lauten die magischen Zahlen des Marathonläufers Jörg Peter – seit nunmehr 22 Jahren. Am 14. Februar 1988 lief er beim Tokio-Marathon jene Zeit von 2:08:47 Stunden, die hierzulande noch immer das Maß aller Dinge ist: Kein Deutscher lief bis heute schneller.
An den Rekordlauf vor so vielen Jahren erinnert sich der Dresdner heute noch in allen Einzelheiten. Aber es war nicht sein einziges hochklassiges Marathonrennen: Die Durchschnittszeit seiner zehn schnellsten Läufe beträgt erstaun-iche 2:10:48 Stunden. Zum Vergleich: Schnellster deutscher Marathonläufer 2010 war Falk Cierpinski mit 2:17:18 Stunden.
Das Marathonlaufen ist auch nach so vielen Jahren noch präsent im Leben des inzwischen 55-Jährigen. Als Zuschauer besucht er regelmäßig große Marathonevents und betont: „Die 26 Jahre Leistungssport haben mich geprägt. Ich möchte die Zeit nicht missen. Marathon ist mein Leben." Zuletzt lief Jörg mit den ehemaligen westdeutschen Spitzenläufern Kurz Stenzel und Thomas Eickmann sowie seinem ehemaligen DDR-Mannschaftskollegen Michael Heilmann in einer „gesamtdeutschen" Staffel den Köln-Marathon.
Einen kompletten Lauf über 42,195 Kilometer hat der erste deutsche Läufer, der beim Marathon unter 2:09 Stunden blieb, schon lange nicht mehr bewältigt: „Ich laufe immer noch gern, aber die Zeit fehlt."
Nach der Karriere als Leistungssportler führte er das Fuhrunter-nehmen des Vaters weiter: „Jörg Peter Rohstoffrecycling" steht auf dem Firmenschild im Hof. Nebenbei führt er gemeinsam mit seiner Frau einen Getränkehandel. An dem Freitagnachmittag, an dem ich mit dem deutschen Marathonrekordler verabredet bin, hat seine Frau Petra ihren freien Nachmittag, Jörg vertritt sie im Laden und sitzt hinter der Kasse. Zwischendurch kauft er Kupferleitungen an und freut sich über die deutlich gestiegenen Rohstoffpreise.
Elf in 14 Tagen!
Nach der Lehre startete Jörg für den SC Einheit Dresden und wurde damit quasi zum Berufsläufer. Rund 200. 000 Trainingskilometer hat er zurückgelegt, extreme Umfänge bis zu 320 Wochenkilometer absolviert: „Das Herzstück meiner Vorbereitung auf den Rekordlauf bildeten elf 30-Kilometer-Läufe in 14 Tagen mit jeweils unterschiedlicher Aufgabenstellung: mal locker, mal mit Tempowechseln, mal mit schnellen letzten Kilometern." Elf in 14 Tagen!
In den ersten Jahren als Leistungssportler lief Jörg Peter die Bahnlangstrecken, Höhepunkt war der sechste Platz über 10 000 Meter bei den Olympischen Spielen in Moskau. Danach konzentrierte er sich auf den Marathon.
Ende 1988 beendete er seine Karriere und begann abzutrainieren. Unerwartet kam mit der Wende die bis dahin ungekannte Möglichkeit, mit Laufen Geld zu verdienen. Jörg wollte es noch einmal wissen, trainierte wie einst und war erfolgreich: 1990 und 1991 gewann er den Hamburg-Marathon.
Noch heute führt er penibel Trainingstagebuch. Der erste Eintrag stammt vom 5. 1. 1971: „6 km Dauerlauf". Zurzeit kommen nicht viele Kilometer hinzu. Selbstständigkeit, Familie und die Pflege des Eigenheims lassen gerade noch Raum für zwei Zehner pro Woche.
Natürlich muss sie kommen, die Frage, warum sein Marathonrekord schon so lange nicht geknackt wurde. Die Antwort ist kurz und knapp, aber deutlich: „Wir haben keine Athleten und keine Trainer. Talente werden nicht gefunden, denn es sucht ja keiner danach."
Sind Jörg Peters 2:08:47 also ein Rekord für die Ewigkeit?
„Nein", lacht der Dresdner, „mein Rekord kann schon morgen gebrochen werden – von einem eingebürgerten Kenianer."
Claus Dahms in RUNNERS WORLD – Januar 2011